Bidding Zone Study Report: BEE appelliert für Erhalt der einheitlichen Stromgebotszone
(Berlin) - Der Verband der Europäischen Übertragungsnetzbetreiber (European Network of Transmission System Operators for Electricity; ENTSO-E) hat gestern die Ergebnisse des “Bidding Zone Study Report” veröffentlicht. BEE-Präsidentin Simone Peter kommentiert die Ergebnisse:
Der ENTSO-E empfiehlt im Bidding Zone Study Report die Aufteilung der deutsch-luxemburgischen Gebotszone in fünf Zonen. Der Bericht von ENTSO-E beinhaltet noch keine endgültige Festlegung auf ein Modell, die Bundesregierung muss jedoch innerhalb von sechs Monaten reagieren.
“Die Teilung der deutschen Strompreiszone ist ein Geist, der besser in der Flasche bleibt. Eine Teilung mag theoretisch funktionieren, hält aber dem Praxischeck nicht stand. Erwartbar wären nicht nur negative Folgen für die Entwicklung der Preise, sondern auch für die Investitionssicherheit sowie den Ausbau der Erneuerbaren Energien und von Flexibilitäten. Potenziellen (geringen) Vorteilen in einigen Bereichen des Kurzfristmarkts stehen deutliche Nachteile im gesamten Langfristmarkt gegenüber,” so Peter. Der BEE hatte bereits letztes Jahr einen gemeinsamen Appell mit anderen Energie- und Wirtschaftsverbänden an die Politik gerichtet und einen Realitätscheck gefordert, der alle wirtschaftlichen Folgen eines Gebotszonensplits berücksichtigt. “Laut Modellierung der ENTSO-E würden Wohlfahrtsgewinne von lediglich 339 Mio. EUR für das Zieljahr 2025 gegenüber dem Status Quo in der Region Zentraleuropa generiert werden können, das sind weniger als ein Prozent der zu erwartenden Systemkosten,” so Peter.
Kritisch sieht der BEE zudem, dass in den zugrunde liegenden Studien zum ‘Bidding Zone Review’ nur zwei Faktoren - Marktliquidität und Transaktionskosten - untersucht wurden und damit weitere 20 zentrale Aspekte der Energiewende in den Bereichen Netzsicherheit, Markteffizienz, Stabilität, Robustheit der Gebotszonen und Auswirkungen auf die Energiewende außen vor blieben. Damit werden v.a. die Effekte einen Gebotszonensplits mit Blick auf die Marktliquidität ausgeblendet. Der BEE hatte dies in seiner Stellungnahme zum Bidding Zone Review ausführlich erläutert.
“Eine wesentliche Voraussetzung für eine funktionierende Wirtschaft ist Planbarkeit: Erzeuger müssen nicht nur wissen, was Strom morgen kostet, sondern eine belastbare Erwartung für den Strompreis für mehrere Jahre haben. Das gilt für Industrieunternehmen genauso wie für Privatkundinnen und -kunden, die von ihren Versorgern stabile Tarife erwarten. Um diese Planbarkeit herzustellen, gibt es die Möglichkeit, Strommengen zu einem vereinbarten Termin zu handeln. Dieser langfristige Handel erlaubt ein anspruchsvolles Risikomanagement, die Absicherung von Flexibilitäten oder Kreditrisiken aus dem bilateralen Handel.
Demgegenüber steht der kurzfristige Einkauf von Strom am sog. Spotmarkt. Der hochliquide Terminmarkt in Deutschland war einer der Gründe, warum das Land die Energiepreiskrise 2022 vergleichsweise gut überstanden hat", so Peter. 2018 sei die deutsch-österreichische Stromgebotszone getrennt worden. Als kleinere der beiden Gebotszonen habe Österreich von der Teilung bislang nicht profitiert. Im Gegenteil. Das Handelsvolumen im Terminmarkt in Österreich brach fast vollständig zusammen. “Es ist nicht verwunderlich, dass sich sowohl Österreich als auch die skandinavischen Länder heute über den stabilen Terminmarkthandel in Deutschland langfristig absichern. Ein funktionierender Handel hierzulande ist für den europäischen Kontext zentral”, so Peter.
Auch habe die Größe der jeweiligen Stromgebotszone einen deutlichen Einfluss auf die betriebswirtschaftliche Grundlage von dringend benötigten Flexibilitäten, aber auch auf die Erzeuger von Erneuerbarer Energie und die Sektorenkopplung. Denn in kleineren Zonen wären die Preise volatiler, da hier einzelne Erneuerbaren-Anlagen mit ihrer Einspeisung temporär einen sehr hohen Anteil an der insgesamt geringeren Stromlast hätten, was vor allem in Strompreiszonen mit bestehenden Netzproblemen zu erhöhten §51 EEG-Zeitfenstern führen würde. “In diesen Zeitfenstern negativer Strompreise wird Strom aus Erneuerbaren Anlagen nicht vergütet, was nicht nur Neuanlagen, sondern auch Bestandsanlagen in ihrer Wirtschaftlichkeit massiv beeinträchtigen würde. Investitionen werden damit riskanter und weniger attraktiv. In der Folge reduziert das nicht nur das Ausbauvolumen der Erneuerbaren, welches sich senkend auf den Strompreis auswirkt, sondern auch die Zahl der Marktakteure nimmt ab. Es droht damit eine Marktkonzentration auf einige wenige Player. Dabei profitieren wir in Deutschland von der Vielfalt der Akteure. Auch die Sektorenkopplung würde sich verlangsamen. Eine derartige Fehlsteuerung ist zu vermeiden”, fordert Peter und appelliert an die neue Bundesregierung, an der im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD enthaltenen Einigung, auf eine Teilung der Strompreiszone zu verzichten, festzuhalten.
Auch die vier deutschen Übertragungsnetzbetreiber (ÜNBs) 50 Hertz, Amprion, Tennet und Transnet BW kritisieren die Ergebnisse des Reports deutlich. "Die zugrundeliegenden Eingangsdaten seien überholt, die Analysezeiträume nicht kohärent und die berechneten Wohlfahrtsgewinne nicht aussagekräftig”, ordnet Peter den Bericht ein. Die Ergebnisse seien laut den ÜNBs nicht geeignet für eine Entscheidung über die Aufteilung der Gebotszone.
“Die vermeintliche Lösung durch sog. “lokale Strompreise” in lokalen Stromzonen, die von einigen Akteuren nun vorgeschlagen wurde, ist nichts anderes als eine Aufteilung der deutschen Stromgebotszone. Echte und wirksame lokale Signale lassen sich hingegen volks- und betriebswirtschaftlich sinnvoller durch die Umsetzung des Energy Sharings, regionale Flexibilitätsmärkte, die direkte Einbindung durch Verteilnetzbetreiber (§14c ENWG), uvm. schaffen. Das ist wirksamer, marktnäher und kostengünstiger,” so Peter abschließend.
Quelle und Kontaktadresse:
Bundesverband Erneuerbare Energie e.V. (BEE), Frank Grüneisen, Pressesprecher(in), EUREF-Campus 16, 10829 Berlin, Telefon: 030 27581700