BFH rüttelt an Finanzierungsgrundlage des Querverbundes / VDV zweifelt an Übertragbarkeit des Urteils auf Versorgung und Verkehr
(Köln) - Der Bundesfinanzhof (BFH) hat am 24. Oktober 2007 ein Urteil zu einem nach Einschätzung des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) eher untypischen Fall eines kommunalen Querverbundes veröffentlicht. Deshalb sei das Urteil nicht ohne Weiteres auf die langjährig bewährten Gestaltungen im kommunalen Versorgungs- und Verkehrsbereich verallgemeinerbar, betonte VDV-Hauptgeschäftsführer Prof. Dr.-Ing. Adolf Müller-Hellmann. In dem Revisionsverfahren I R 32/06 bilden eine kommunale Holding (GmbH) mit zwei Tochtergesellschaften, einer strukturell dauerdefizitären Bädergesellschaft und einer ertragsstarken Grundstücksentwicklungsgesellschaft, eine steuerliche Einheit. Das höchste deutsche Steuergericht kam zu dem Schluss, dass das Unterhalten eines strukturell dauerdefizitären Bäderbetriebs in Höhe der angefallenen Verluste unter den gegebenen Umständen eine verdeckte Gewinnausschüttung an die Trägerkommune auslöse. Die dauerdefizitäre Gesellschaft hätte von der Gemeinde einen Ausgleich verlangen müssen, weil diese ihr obliegende Aufgaben an das Unternehmen ausgelagert habe. Werde der Ausgleich nicht eingefordert, erhöhe sich das steuerliche Einkommen fiktiv. Im Organkreis bisher mit Verlusten aufgerechnete Gewinne sind danach zu versteuern, wobei die Bäderverluste nicht mehr zu berücksichtigen sind. Zusätzlich löst die Gewinnausschüttungsfiktion Kapitalertragsteuer aus. Würde diese Sichtweise auf den klassischen kommunalwirtschaftlichen Querverbund zwischen Versorgung und öffentlichem Personennahverkehr (ÖPNV) uneingeschränkt übertragen, schätzt der VDV die jährlichen Steuermehrbelastungen bei den Unternehmen allein in diesem Bereich auf über 500 Mio. Euro. Zusätzlich fielen bei den Kommunen mehr als 200 Mio. Euro Kapitalertragsteuern an, obwohl diesen keine Mittel zufließen.
Aufgrund der vielfältigen technischen und wirtschaftlichen Synergien aus einer Zusammenfassung von Versorgungs- und Verkehrsaktivitäten unter einem Dach bilden die Daseins-vorsorgetätigkeiten im klassischen Querverbund eine steuerliche Beurteilungseinheit, betonte der VDV-Hauptgeschäftsführer. Wenn die öffentliche Hand ihre Stadtwerke mit der Gesamtaufgabe Daseinsvorsorge betraue und im Verkehrsbereich volkswirtschaftlich sinnvolle und zukunftsträchtige Verkehrsleistungen im Rahmen dieser Gesamtaufgabe mitfinanziert würden, gehe die Finanzverwaltung bislang davon aus, dass dies nicht im privaten Interesse des kommunalen Gesellschafters, sondern entsprechend dem betrieblichen Auftrag im öffentlichen Interesse geschehe. Zudem stellte Müller-Hellmann in Frage, ob Verkehrsunternehmen aus heutiger Perspektive überhaupt als strukturell dauerdefizitär im steuerlichen Sinne anzusehen sind. Denn nach einem BFH-Urteil vom 21. Juli 2004 (Az. X R 33/03) kann die Vornahme geeigneter Umstrukturierungsmaßnahmen trotz langjährig hoher Verluste ein gewichtiges Indiz für die Gewinnerzielungsabsicht darstellen. Damit könnten die Unternehmen aber nicht mehr als strukturell dauerdefizitär eingestuft werden. So habe sich der Kostendeckungsgrad im ÖPNV in den letzten Jahren wesentlich verbessert bei nachhaltig steigender Tendenz, betonte Müller-Hellmann.
Die verkehrspolitische Dimension sowie die ökonomischen Folgen, davon ist der VDV-Hauptgeschäftsführer überzeugt, seien in Politik und Finanzverwaltung bekannt. So habe die Innenministerkonferenz die Bundesregierung schon im Dezember 2005 aufgefordert, sich für die Fortführung des Querverbundes einzusetzen. Auch die Verkehrsministerkonferenz habe am 9./10. Oktober 2007 darauf hingewiesen, dass eine solide Finanzausstattung des ÖPNV für die Realisierung des bisher nicht annähernd erreichten CO2-Minderungsziels im Verkehrsbereich unverzichtbar ist. Im kommenden Jahr soll sich auch die Finanzministerkonferenz mit dem Thema befassen. Körperschaftsteuer-Referenten des Bundes und der Länder würden bereits an einem Gesamtkonzept zur Reform der Besteuerung der öffentlichen Hand arbeiten. Es gelte in Fachkreisen als wahrscheinlich, dass die Finanzverwaltung zunächst die Unterschiedlichkeit der Sachverhalte sorgfältig prüfen und - falls notwendig - konstruktiv an einer gesetzlichen Absicherung der politisch gewollten Querverbundfinanzierung mitwirken werde. Entsprechende Signale lägen vor. Die kommunalen Spitzenverbände sowie die Unternehmensverbände werden sich gemeinsam für eine dauerhafte und rechtssichere Lösung für den Fortbestand des Querverbundes einsetzen, denn er ist ein tragendes und unverzichtbares Finanzierungsinstrument, auch und besonders zugunsten eines leistungsstarken ÖPNV, unterstrich Müller-Hellmann.
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