Betriebsbedingte Kündigung eines Leiharbeitnehmers nach Auftragsverlust des Verleihers / BAG stärkt Rechtsposition der Arbeitnehmer
(Brühl) - Das Fehlen eines Anschlussauftrages für den Einsatz eines Leiharbeitnehmers rechtfertigt nicht automatisch eine betriebsbedingte Kündigung des Arbeitsverhältnisses zwischen dem Leiharbeitnehmer und der Zeitarbeitsfirma.
Mit dieser Entscheidung vom 18. Mai 2006 (AZ. 2 AZR 412/05), die erst jetzt veröffentlicht wurde, habe das Bundesarbeitsgericht (BAG) die Rechtsposition von Leiharbeitnehmern gegenüber ihrem Arbeitgeber erheblich gestärkt, so der Stuttgarter Fachanwalt für Arbeitsrecht Michael Henn von der Deutschen Anwalts- und Steuerberatervereinigung für die mittelständische Wirtschaft mit Sitz in Brühl.
Das BAG habe hiermit klargestellt, dass ein bloßer Hinweis auf einen auslaufenden Auftrag und auf einen fehlenden Anschlussauftrag regelmäßig nicht ausreichen, um einen dauerhaften Wegfall des Beschäftigungsbedürfnisses zu begründen und damit die Grundlage für eine betriebsbedingte Kündigung zu schaffen, denn: Grundsätzlich trage der Arbeitgeber, also hier der Verleiher, das Beschäftigungsrisiko.
Der Arbeitgeber müsse daher anhand der Auftrags- und Personalplanung darlegen, warum es sich nicht nur um eine kurzfristige Auftragsschwankung, sondern um einen dauerhaften Auftragsrückgang handle, und warum ein Einsatz des Arbeitnehmers bei einem anderen Kunden, bzw. bei einem anderen Auftrag, auch ggf. nach entsprechenden Anpassungsfortbildungen nicht in Betracht komme, erläutert Arbeitsrechtler Henn. Dies gelte gerade bei Zeitarbeitsfirmen umso mehr, da es dem Wesen der Arbeitnehmerüberlassung und dem Geschäft eines Arbeitnehmerüberlassungs-Unternehmen entspräche, Arbeitnehmer auch kurzfristig bei verschiedenen Arbeitgebern einzusetzen und zu beschäftigen.
So sei z.B. möglich, dass bereits einen Tag nach dem Ausspruch der Kündigung ein neuer Kunde kurzfristig Bedarf für einen Arbeitnehmer und dessen Einsatz anmelde. Deshalb sei es nach Ansicht des BAG gerechtfertigt, an die Darlegung der Tatsachen, auf denen die zu stellende Prognose des zukünftig Beschäftigungsvolumen beruhe, dezidierte Anforderungen auch in zeitlicher Hinsicht zu stellen, so der Stuttgarter Fachanwalt für Arbeitsrecht Henn. Das Vorliegen von möglicherweise nur kurzfristigen Auftragsschwankungen müsse ausgeschlossen sein, denn kurzfristige Auftragslücken seien bei einem Leiharbeitsunternehmen nicht geeignet, eine betriebsbedingte Kündigung zu rechtfertigen, da dies zum typischen Wirtschaftsrisiko dieser Unternehmen gehöre.
Auf Basis dieser Überlegungen habe das BAG damit hohe Anforderungen an die Kündigungsbegründung der Zeitarbeitsfirma gestellt, so Henn. Der Arbeitgeber müsse für einen repräsentativen Zeitraum spezifizieren, wie sich die Aufträge und die Einsatzmöglichkeiten (inklusive der benötigten Qualifikationen) entwickelt hätten und zukünftig entwickeln werden. Weiterhin müsse er darlegen, welche Arbeitnehmer er zur Bearbeitung dieser Aufträge einsetzte und welche Maßnahmen er eingeleitet habe, um Arbeitnehmer im Rahmen von neuen Aufträgen zu verwenden. Aus dem Kündigungsschutzgesetz ergäbe sich auch, dass die Zeitarbeitsfirma die Arbeitnehmer möglichst bei einem neuen Auftrag auch zu geänderten Qualifikationsanforderungen einsetzen müsse, und dies selbst dann, wenn hierfür noch zumutbare Umschulungs- und Fortbildungsmaßnahmen notwendig seien.
Im konkreten Fall habe das Unternehmen die Kündigung zusätzlich auch damit begründet, dass der Arbeitnehmer nur in einer veralteten Computersprache programmieren könne und deshalb keine Einsatzmöglichkeiten mehr bestünden. Aber auch dieses Argument half dem Arbeitgeber hier nicht weiter. Denn das BAG ging gerade bei dieser Situation davon aus, dass der Arbeitgeber verpflichtet gewesen wäre, auf die Interessen des Klägers Rücksicht zu nehmen und ihn darauf hinweisen hätte müssen, dass seine Qualifikationen zukünftig für einen Einsatz bei neuen Aufträgen nicht ausreichend seien und er sich deshalb weiterbilden müsse.
Mit dieser Entscheidung, so der Stuttgarter Arbeitsrechtler, habe das BAG die Anforderungen an betriebsbedingte Kündigungen bei Zeitarbeitsfirmen weiter konkretisiert und damit für Arbeitnehmer und Arbeitgeber Klarheit geschaffen.
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