Pressemitteilung | Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) - Hauptgeschäftsstelle

Beschluss des Bundesgerichtshofs löst Probleme nicht / Verband unterstützt Gesetzgebungsinitiative des Landes NRW zur Änderung des Allgemeinen Eisenbahngesetzes

(Köln) - "Dieser BGH-Beschluss schafft zwar rechtliche Klarheit, hilft aber für die Praxis nicht weiter", kommentiert Jürgen Fenske, Präsident des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV), in einer ersten Stellungnahme die gestrige (8. Februar 2011) BGH-Entscheidung. Darin geht es um einen Änderungsvertrag zwischen der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr AöR (VRR) und der DB Regio NRW GmbH zur Vergabe von Eisenbahnpersonenverkehrsdiensten, gegen die sich die Abellio Rail NRW GmbH, ein Tochterunternehmen der Niederländischen Staatsbahnen (NS), mit einem Vergabenachprüfungsverfahren wehrt. Der BGH hat den Nachprüfungsantrag von Abellio für begründet erklärt.

"Jetzt muss die erforderliche Klarstellung durch den Gesetzgeber erfolgen, denn der Rechtsrahmen, den der BGH im konkreten Fall auslegt, ist inzwischen überholt", so Fenske. Die Bundesrichter beurteilten einen Vertrag vom 24. November 2009. Am 3. Dezember 2009 ist aber die neue Europäische Verordnung Nr. 1370/2007 in Kraft getreten. Nach dieser Verordnung ist eine Direktvergabe von öffentlichen Dienstleistungsaufträgen für Eisenbahnpersonenverkehrsleistungen - als europarechtlich legale Option - ausdrücklich für zulässig erklärt worden. "Der Gesetzgeber muss diese Rechtslage angesichts des BGH-Beschlusses nunmehr eindeutig im nationalen Recht klarstellen", fordert Fenske. Deshalb begrüßt der VDV eine vom Land NRW bereits 2010 in den Bundesrat eingebrachte Gesetzgebungsinitiative.

VDV-Präsident Fenske kommentiert: "Es geht nicht darum, Märkte abzuschotten, sondern den Behörden vor Ort Möglichkeiten zu geben, die Marktöffnung maßgeschneidert im Interesse der Steuerzahler vor Ort vorzunehmen. Wir brauchen einen Wettbewerb der Wettbewerbssysteme: Ausschreibung und Direktvergabe als Optionen". Erfahrungen mit einem obligatorischen Wettbewerbssystem aus dem Ausland zeigen nach Ansicht des VDV-Präsidenten, dass bei so komplexen Dienstleistungen wie im ÖPNV aus Sicht des Steuerzahlers dann die besten Ergebnisse erzielt werden, wenn man die Möglichkeit des Ausweichens auf ein anderes Wettbewerbssystem habe.

Die Gerichtsentscheidung auf höchster Ebene wurde erforderlich, nachdem zwei Oberlandesgerichte in Deutschland sich uneinig waren in der Auslegung der maßgeblichen Rechtsvorschriften. Das Brandenburgische OLG hatte bereits 2003 entschieden, dass solche Verträge ausgeschrieben, aber aufgrund seiner Auslegung des Allgemeinen Eisenbahngesetzes (AEG) auch freihändig vergeben werden dürfen. Auf Grundlage dieser Gerichtsentscheidung wurde dann in der Praxis agiert: Einige Behörden schrieben aus, andere vergaben freihändig oder kombinierten beide Wettbewerbsmodelle. Das OLG Düsseldorf sah 2010 diese Auslegung des geltenden Rechts im VRR-Fall kritisch und kam zu der Auffassung, dass solche Verträge grundsätzlich nach dem GWB ausgeschrieben werden müssten; es legte den Fall dem BGH zur höchstrichterlichen Entscheidung vor.

Der BGH ändert mit seinem Beschluss die bisherige Praktikerauslegung des geltenden Rechts und entschied, dass das AEG, das keine Ausschreibungspflicht im Hinblick auf Verkehrsverträge bei der Eisenbahn vorsieht, durch später eingeführte vergaberechtliche Bestimmungen des GWB verdrängt worden sei. Folge dieser Auslegung durch den BGH ist, dass öffentliche Dienstleistungsaufträge, die nicht die Gestalt einer - ausschreibungsfrei vergebbaren - Dienstleistungskonzession haben, grundsätzlich ausgeschrieben werden müssen, sofern nicht die vergaberechtlichen Spezialvorschriften der Vergabeverordnung (VgV) ausnahmsweise eine freihändige Vergabe erlauben. Der BGH bejahte im konkreten Fall das Vorliegen eines öffentlichen Dienstleistungsauftrags, verneinte allerdings das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Dienstleistungskonzession; auch liegen die Voraussetzungen für eine freihändige Vergabe nach der VgV nach Meinung des BGH nicht vor.

Quelle und Kontaktadresse:
Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) Pressestelle Kamekestr. 37-39, 50672 Köln Telefon: (0221) 57979-0, Telefax: (0221) 514272

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