Berufsverband der Kinder- und Jugend*Ärztinnen schlägt Alarm: / "Wir sind am Limit! Weiterbestehen unserer Praxen ist akut gefährdet. Pädiatrische Versorgung ernsthaft bedroht."
(Köln) - Die Situation der Kinderkliniken und vor allem der ambulanten Kinder- und Jugendarztpraxen in Deutschland ist dramatisch. Eltern kranker Kinder finden kaum noch Plätze für ihren Nachwuchs. Kinderkliniken weisen sie wegen Überbelegung ab, Praxen verhängen Aufnahmestopps. Ein Grund dafür ist, dass sich das Respiratorische Synzytial-Virus (RSV) derzeit besonders stark verbreitet. Dazu treten andere schwere Atemwegsinfekte vermehrt auf. Die Infektwelle ist aber nicht der eigentliche Grund für die dramatische Lage, so Jakob Maske, Sprecher des Berufsverbandes der Kinder-und Jugendärzte:
"Das Debakel hat die Politik zu verantworten, die seit Jahren die Pädiatrie finanziell aushungert, uns aber gleichzeitig immer mehr Aufgaben aufbürdet. 80 Prozent der Kliniken mussten in den letzten Jahren die Zahl ihrer Betten reduzieren, sogar im Intensivbereich. In unseren Praxen müssen wir daher zunehmend schwer kranke und chronisch kranke Kinder und Jugendliche mitversorgen. Wir müssen außerdem eine wachsende Zahl von Patient:innen medizinisch betreuen, denn die Zahl der Geburten hat in den letzten Jahren zugenommen, ebenfalls die Zahl der Kinder aus Flüchtlingsfamilien. Wir haben es heute auch nicht mehr nur mit Infektionskrankheiten zu tun, sondern mit den so genannten neuen Krankheiten, also vor allem Übergewicht und sozial bedingten Entwicklungsstörungen, die einen hohen Beratungsaufwand erfordern. Wir arbeiten durchschnittlich weit über 50 Stunden pro Woche, um unsere Patient:innen zu versorgen - ohne dass dies entsprechend honoriert wird. Wir werden mit Aussicht auf Nullrunden abgespeist, während die Ausgaben für die reine Erhaltung unserer Praxen rasant wachsen. Allein die steigenden Energiepreise belasten uns überdurchschnittlich. Anders als in öffentlichen Gebäuden können wir zum Beispiel kaum die Raumtemperaturen absenken, weil wir Neugeborene und kranke Kinder nicht frieren lassen können. Lange und stressige Arbeitstage bei fehlenden finanziellen Anreizen und damit auch fehlender gesellschaftlicher Wertschätzung führen heute schon dazu, dass wir keine Nachfolger:innen mehr für freie Praxissitze finden. Etwa ein Drittel der Kinder- und Jugendärzt:innen werden in den kommenden fünf Jahren in Rente gehen, Eltern werden dann noch größere Probleme haben, einen Kinder- und Jugendarzt oder eine -ärztin zu finden, der oder die ihr Kind medizinisch betreut, Vorsorgen macht, impft, berät, Infekte behandelt und dafür sorgt, dass es gesund aufwächst. Kinder haben in der Politik offenbar keine Lobby und die Kinder- und Jugendmedizin hat es damit auch nicht. Die derzeitige dramatische Situation beleuchtet diesen Skandal. Es ist höchste Zeit, dass die Politik nun umsteuert. Wir brauchen mehr Medizinstudienplätze, Perspektiven für junge niederlassungswillige Ärzt:innen und mehr Klinikbetten. Und zwar schnell, denn Kinder und Jugendliche warten nicht mit dem Krankwerden."
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