Pressemitteilung | Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW)

Berliner Industrie: Modernisierung vorangekommen - Exporte in die EU-Beitrittskandidatenländer hinter Erwartungen zurückgeblieben

(Berlin) - Im verarbeitenden Gewerbe Berlins zeichnet sich offenbar eine Tendenzwende ab: Der Beschäftigungsrückgang scheint zum Stillstand zu kommen, und die Wertschöpfung steigt wieder. In seinem aktuellen Wochenbericht 36/2002 kommt das DIW Berlin im ersten Bericht zusammen mit dem Forschungsunternehmen Regioconsult zu dem Ergebnis, dass die verbliebenen und die seit dem Mauerfall gegründeten Industrieunternehmen durch neue Produktlinien und intensivere Forschung und Entwicklung ihre Wettbewerbsfähigkeit deutlich steigern konnten. In dem zweiten Bericht stellt das Berliner Institut dann fest, dass die Entwicklung der Warenausfuhren der Berliner Industrie in die EU-Beitrittskandidatenländer allerdings bislang hinter den Erwartungen zurückgeblieben ist.

Die Zahl der Beschäftigten im Berliner verarbeitenden Gewerbe betrug im Jahre 2001 rund 164 000 Personen. Gegenwärtig stellt es 11 % aller Arbeitsplätze und steuert knapp 12 % zum realen Bruttoinlandsprodukt der Stadt bei. Die reale Bruttowertschöpfung des Wirtschaftsbereichs lag 2001 bei 8,1 Mrd. Euro. Die Unternehmensdienste, die neben den produktionsnahen Dienstleistungen auch Vermietung und Verpachtung umfassen, weisen für das Jahr 2001 rund 271 000 Beschäftigte aus; dies ist gegenüber 1991 eine Zunahme um rund zwei Drittel. Die Bruttowertschöpfung ist in diesem Zeitraum um 27 % auf 20,2 Mrd. Euro gestiegen. Damit spielen diese Branchen in der Berliner Wirtschaft eine größere Rolle als die Industrie. Unter den produktionsnahen Diensten stellen insbesondere die Beratungsdienste, Reinigungsfirmen und Ingenieurbüros den Hauptanteil der Arbeitsplätze.

Die Berliner Industrie weist nach wie vor ein vergleichsweise breites Tätigkeitsspektrum ohne ausgeprägte Branchencluster auf. Der Anteil wissensintensiver Produktlinien hat zugenommen. Diese Entwicklung hat zu einer spürbaren Aufwertung der Arbeitsplatzstruktur beigetragen. In peripheren Funktionen, teilweise auch in der Fertigung hat die Zahl der Arbeitsplätze abgenommen, in strategisch wichtigen Bereichen – in der Forschung, Produktentwicklung, Qualitätskontrolle und dem Vertrieb – ist sie dagegen gestiegen.

Kennzeichen des Wandels in der Tätigkeitsstruktur ist insbesondere die Auslagerung spezieller Unternehmensdienste. Die Berliner Industriebetriebe verlagern verstärkt bislang selbst erbrachte Dienstleistungen an spezialisierte Anbieter. Das reicht von Reinigung, Verpflegung und Bewachung bis hin zu DV-Leistungen sowie technische und wirtschaftliche Beratung. Derzeit arbeitet jedes zweite Dienstleistungsunternehmen auch für die Industrie.
Das DIW Berlin kommt im zweiten Bericht auch zu dem Ergebnis, dass ungeachtet der bereits weitgehend vollzogenen Marktöffnung in den mittel- und osteuropäischen EU-Beitrittskandidaten die Entwicklung der Warenausfuhren Berlins in diese Region bisher weit hinter den Erwartungen zurückblieb. Zwar spielen die Länder der EU-Beitrittskandidaten für die Berliner Exportwirtschaft eine etwas größere Rolle als für Deutschland. Das Wachstum der Berliner Exporte in die Länder Mittel- und Osteuropas blieb jedoch unter dem der Exporte von ganz Deutschland zurück. Zwar hat die Wachstumsdifferenz in die EU-Beitrittskandidaten seit dem Jahr 1997 kontinuierlich abgenommen. Das ist jedoch kein Aufholprozess, lediglich das Tempo des Zurückfallens hat sich verlangsamt.

Dabei ist die Exportstruktur Berlins durchaus vorteilhaft. Die schlechtere Wachstumsperformance ist vielmehr auf ein in der Regel niedrigeres Exportwachstum je Industriezweig zurückzuführen. Zusammenfassend können zwei Faktoren für die im Vergleich zu Deutschland schwache Entwicklung der Berliner Exporte in die Beitrittskandidatenländer in der Vergangenheit festgehalten werden: Zum einen die geringere Wettbewerbsfähigkeit der Berliner Industrie auf diesen Märkten - Berlin exportierte im Vergleich zu Deutschland eher niedrigpreisige Waren, während die Wachstumschancen in den EU-Beitrittskandidaten eher in höherpreisigen Marktsegmenten lagen - und zum anderen die veränderten Standortbedingungen nach dem Fall der Mauer, durch die viele Berliner Unternehmen stärker als früher dem Wettbewerbsdruck ausgesetzt waren.

Quelle und Kontaktadresse:
Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) Königin-Luise-Str. 5 14195 Berlin Telefon: 030/897890 Telefax: 030/89789200

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