Bei Nutzung des Internets Haft, Folter und Todesstrafe nicht ausgeschlossen / Wachsende Kontrolle des Internets in China
(Berlin/Bonn) - amnesty international (ai) fordert von den Behörden der Volksrepublik China die sofortige Freilassung aller Personen, die das Internet zur Verbreitung ihrer gewaltfreien Meinungen und Überzeugungen sowie zum Austausch von Informationen genutzt haben und deswegen inhaftiert worden sind. In einem heute veröffentlichten Bericht dokumentiert ai die Fälle von 33 Personen, die wegen Nutzung des Internets festgenommen oder inhaftiert worden sind.
Eine der längsten Gefängnisstrafen muss der Ex-Polizist Li Dawei verbüßen, (siehe auch die Appellfälle zum ai-Bericht). Er wurde endgültig zu elf Jahren Gefängnis verurteilt, weil er Internetseiten der chinesischen Demokratiebewegung aus dem Ausland heruntergeladen hatte. Zwei Internetnutzer sind ? offenbar nach Folter und Misshandlung durch die Polizei ? in der Haft gestorben. Beide waren Anhänger der im Juli 1999 verbotenen Organisation Falun Gong.
"Wer allein aus dem Grund inhaftiert wird, weil er im Internet seine friedlichen Überzeugungen oder andere Informationen verbreitet oder Webseiten konsultiert hat, ist ein gewaltloser politischer Gefangener", sagte Dirk Pleiter, China-Experte der deutschen Sektion von amnesty international. "Wir fordern daher, alle diese Gefangenen sofort und bedingungslos freizulassen."
Seitdem 1995 das Internet in China zur kommerziellen Nutzung freigegeben wurde, wächst der chinesische Internet-Markt mit einem weltweit nahezu beispiellosen Tempo. Gleichzeitig ist die Regierung darum bemüht, den Zugang zum Informationsangebot des globalen Netzes besser zu kontrollieren. So setzen die Behörden Internetfilter ein und sperren bestimmte ausländische Websites, auf denen regierungskritische Artikel oder Informationen über Machtmissbrauch und Korruption in China zu lesen sind. Ende August blockierten die Behörden den Zugang zur Suchmaschine Google, um chinesische Internetnutzer auf lokale Suchmaschinen umzulenken.
Vor einigen Wochen sind die Behörden offenbar auf eine neue Taktik umgeschwenkt und haben zuvor gesperrte Netzanbieter wieder freigegeben. Gleichzeitig haben sie aber dafür gesorgt, dass alle darin enthaltenen Internetseiten, die sich auf China beziehen, unzugänglich sind. Das Ministerium für Staatssicherheit hat Berichten zufolge neue Überwachungstechnologien bei den Serviceanbietern installiert, mit denen jede einzelne E-mail-Box ausgespäht werden kann. Darüber hinaus sind sämtliche Internetcafés angehalten worden, sich registrieren zu lassen und Kundeninformationen an die Polizei weiterzugeben.
Die chinesischen Behörden üben auch großen Druck auf Internetfirmen aus, sich selbst um eine Kontrolle des Netzes zu kümmern. Seit August ist eine "Öffentliche Erklärung zur Selbstdisziplin" wirksam. Darin erpflichteten sich die unterzeichnenden Firmen, "keine gefährlichen Informationen zu produzieren, zu veröffentlichen oder zu verbreiten, die die staatliche Sicherheit oder die soziale Stabilität gefährden könnten". Mehr als 300 Firmen haben bisher unterschrieben, darunter auch der weltweit tätige Anbieter Yahoo.
amnesty international appelliert an die chinesische Regierung, jene gesetzlichen Bestimmungen und Maßnahmen zur Kontrolle des Internets, welche das Recht auf freie Meinungsäußerung einschränken, zu überprüfen und an internationale Menschenrechtsnormen anzupassen.
ai äußert Kritik zu Informationen, wonach ausländische Unternehmen Technologie an China verkauft haben, mit der das Internet überwacht und zensiert werden kann. "Mit der stetig wachsenden Rolle Chinas als internationaler Wirtschafts- und Handelspartner wächst auch die Verantwortung transnationaler Unternehmen. Sie müssen dafür Sorge tragen, dass ihre Technologie nicht zur Verletzung unveräußerlicher Grundrechte missbraucht wird", sagte Dirk Pleiter.
Quelle und Kontaktadresse:
amnesty international Sektion der BRD e.V., Gst. Bonn
Postfach
53108 Bonn
Telefon: 0228/983730
Telefax: 0228/630036