"Bei den entscheidenden Zukunftsfragen sollte keine Regierung auf die Möglichkeiten der Zeitarbeit verzichten"
(Berlin) - "Die nächste Bundesregierung wird Deutschland vor allem modernisieren und die Digitalisierung in allen Bereichen vorantreiben müssen. Gerade bei den entscheidenden Zukunftsfragen sollte keine Regierung auf die Möglichkeiten der Zeitarbeit verzichten", betonte BAP-Präsident Sebastian Lazay bei der heutigen dritten Ausgabe der digitalen Veranstaltungsreihe "ARBEIT & PERSONAL" kompakt des BAP. Diese stand unter dem Titel "Deutschland wählt: Auswirkungen auf Arbeitsmarkt und Wirtschaft" ganz im Zeichen der kommenden Bundestagswahl in zehn Tagen. Zwar werde der BAP hierfür keine Wahlempfehlung aussprechen, da "wir die Interessen der Personaldienstleister gegenüber jeglicher Regierungskoalition vertreten müssen". Dennoch konstatierte Lazay, dass bei einem Blick auf die Wahlprogramme der möglichen Regierungsparteien "eine Kombination der Programmatik von Freien Demokraten, Union und den Grünen für die Zeitarbeit am günstigsten sein könnte." Dagegen wäre die für die Personaldienstleister denkbar schlechteste Kombination Rot-Grün-Rot. "Alle drei Parteien wollen Equal Pay ab dem ersten Tag, wären sich bei unserer Branche insgesamt schnell einig und würden uns das Leben sehr schwer machen." Dennoch bekräftigte Lazay, dass neue Einschränkungen das Geschäft der Branche zwar erschweren würden, aber die Personaldienstleister auch eine rot-grün-rote Regierung überstehen würden. Denn "wer, wenn nicht wir Personaldienstleister als Spezialisten in Sachen Flexibilität, können uns an schwierige Bedingungen anpassen?" Insgesamt, kritisierte Lazay, würde die Zeitarbeit in den Wahlprogrammen der Parteien viel zu sehr auf die Funktion des Abfederns von Auftragsspitzen reduziert. Doch diese Einschätzung blende aus, dass die Zeitarbeit weitere wichtige Funktionen für Arbeitsmarkt und Wirtschaft übernimmt. "Sie ist der Integrationsdienstleister in den Arbeitsmarkt für Geringqualifizierte, Langzeitarbeitslose und Geflüchtete, das Mittel der Wahl für die Abdeckung von kurzfristigen Personalengpässen und schließlich gerade für kleine und mittelständische Unternehmen ohne eigene Personalabteilung ein wichtiger Rekrutierungskanal." All diese Funktionen der Zeitarbeit würden dringend gebraucht, damit Deutschland die Folgen der Corona-Krise schnell überwinden könne und den Anschluss beim Thema Digitalisierung nicht endgültig verliere, betonte Lazay abschließend.
Die aktuelle Analyse des deutschen Arbeitsmarktes kurz vor der Wahl stand im Fokus des Vortrags von Dr. Oliver Stettes, Leiter des Kompetenzfeldes Arbeitsmarkt und Arbeitswelt beim Institut der deutschen Wirtschaft (IW Köln). Grundsätzlich "stellt sich die Lage auf dem Arbeitsmarkt ganz anders als noch im Frühjahr 2021 dar und er zeichnet sich mittlerweile durch eine erstaunliche Robustheit aus. Die Zeichen stehen eindeutig auf Erholung", so der Experte. So würden sowohl auf dem Gesamtarbeitsmarkt wie auch in der Zeitarbeitsbranche seit mehreren Monaten die Anzahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten stetig steigen. Gleichzeitig nehme die Zahl der Arbeitskräfte in Kurzarbeit kontinuierlich ab. "Auch nach dem Auslaufen der aktuell geltenden Regelungen zum Kurzarbeitergeld wird es keinen spürbaren Anstieg der Arbeitslosenzahlen geben", prognostizierte Stettes. Bei der wirtschaftlichen Lage vieler Unternehmen zeige sich ebenfalls eine klare Aufwärtstendenz, denn nur noch sechs Prozent aller Betriebe in Deutschland seien akut insolvenzgefährdet. Als wesentliche arbeitsmarktpolitische Herausforderung nach Corona bezeichnete Stettes den demografischen Wandel. Notwendig sei daher die "Mobilisierung von Erwerbspotenzialen unter anderem durch mehr qualifizierte Fachkräftezuwanderung, die Verlängerung der Lebensarbeitszeit und die Verbesserung der Rahmenbedingungen für eine Ausdehnung des Arbeitsvolumens bei Teilzeit". Zudem treffe der demografische Wandel auf die beiden weiteren Megatrends Digitalisierung und Dekarbonisierung. "Dabei ist Qualifizierung der Schlüssel zur Anpassung an veränderte Arbeitsanforderungen", machte Stettes deutlich. Schließlich bekräftigte der IW-Experte, dass "flexible Beschäftigungsverhältnisse wie die Zeitarbeit auch in Zukunft gefragt sein werden und wir sie auch zwingend brauchen. Befristungen und Zeitarbeit werden dabei von den Unternehmen als Flexibilisierungsinstrumente parallel genutzt."
BAP-Hauptgeschäftsführer Florian Swyter stellte die große Bedeutung der kommenden Bundestagswahl heraus: Die nächste Bundesregierung steht vor enormen Aufgaben. Sie muss die Folgen der Corona-Pandemie wie die angeschlagene Wirtschaft, die massiv gestiegene Staatsverschuldung und die deutlich erhöhte Langzeitarbeitslosigkeit in den Griff bekommen. Hinzu kommen weitere Herausforderungen wie Dekarbonisierung und die Stabilisierung unserer Sozialsysteme, die uns noch lange beschäftigen werden." Aber auch für die Arbeitsmarktpolitik sei der Wahlausgang sehr bedeutsam, da hier die völlig unterschiedlichen Vorstellungen der Parteien besonders deutlich würden. "Die Parteien des linken Spektrums wollen staatliche Eingriffe ausweiten, unternehmerische Freiheiten einschränken und einseitig die Arbeitnehmerrechte stärken", führte Swyter aus. Die bürgerlichen Parteien würden sich zwar "zu den marktwirtschaftlichen Prinzipien bekennen und erkennen das Erfordernis, dass die Wirtschaft nach einer Krise entlastet werden muss, ausdrücklich an." Doch sei es unklar, inwieweit diese Vorstellungen in einer möglichen Regierungskoalition auch tatsächlich umgesetzt werden könnten. Mit Blick auf die anstehenden Koalitionsgespräche nach der Wahl bekräftigte Swyter, dass "der BAP sein Fachwissen in diese Gespräche sowohl direkt als auch über unsere Partnerverbände einbringen wird. Wir werden immer wieder darauf hinweisen, dass die Personaldienstleitungsbranche ein unerlässlicher Partner für den Wandel des Arbeitsmarktes ist."
Einen spannenden Live-Lagebericht zu Chancen und Themen zur Bundestagswahl lieferte Janina Mütze, Mitgründerin und Geschäftsführerin des digitalen Markt- und Meinungsforschungsinstituts Civey. Die tagesaktuelle Sonntagsfrage des Instituts prognostiziere dabei 25 Prozent für die SPD, 22 Prozent für die Union, 16 Prozent für Bündnis90/Die Grünen, 12 Prozent für die FDP, 11 Prozent für die AfD und 6 Prozent für die Linke. Grundsätzlich würden sich gut 56 Prozent der Befragten für einen politischen Neuanfang bei der Wahl aussprechen, wo hingegen nur rund 18 Prozent auf Kontinuität setzen würden. "Mit den drei Spitzenkandidaten herrscht insgesamt Unzufriedenheit, wobei Olaf Scholz noch die besten Werte erhält", betonte Mütze. Beim Blick auf die Themen, welche für die Wählerinnen und Wähler für ihre Wahlentscheidung am wichtigsten seien, würden das Renten- und Sozialsystem mit 56,5 Prozent an erster Stelle liegen, gefolgt von Umweltfragen mit 44,1 Prozent sowie Wirtschaft und Arbeitsplätze mit 35,3%. "Bei diesem Thema sind es insbesondere die Reform der Steuerpolitik, die Schaffung und der Erhalt von Arbeitsplätzen sowie der Umbau von umweltschädlichen Industrien, die als am dringlichsten erachtet werden", erläuterte Mütze.
Den Abschluss dieser "ARBEIT & PERSONAL" kompakt bildete eine Diskussionsrunde, moderiert von Business Coach und Trainerin Kerstin Ohliger, bei der die wesentlichen Erkenntnisse der Vorträge vertieft wurden. Zudem wurden Fragen der Teilnehmer aus dem Chat von den Expertinnen und Experten beantwortet.
Quelle und Kontaktadresse:
Bundesarbeitgeberverband der Personaldienstleister e.V. (BAP)
Tobias Hintersatz, Pressestelle
Universitätsstr. 2-3a, 10117 Berlin
Telefon: (030) 206098-0, Fax: (030) 206098-70
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