Begründung des DMSB-Berufungsgerichts zum Wertungsausschluss von Gary Paffett
(Frankfurt am Main) - Am 9. Juli 2004 bestätigte des DMSB-Berufungsgericht in Frankfurt den Wertungsausschluss von Gary Paffett, Team C-Klasse AMG-Mercedes, den die Sportkommissare des DMSB zum 4. Lauf der DTM am Lausitzring verhängt hatten. Nachfolgend finden Sie die offizielle Begründung des DMSB-Berufungsgerichts zu dem Urteil.
Die Sportkommissare hatten am 6. Juni 2004 das Team C-Klasse AMG-Mercedes mit dem Fahrer Gary Paffet aus der Wertung des 4. Laufes zur DTM ausgeschlossen, da die Technischen Kommissare nach dem Rennen nicht die vorgeschriebenen 1,5 Liter Treibstoff aus dem Tank seines Fahrzeuges entnehmen konnten und der Fahrer das Fahrzeug vor dem Wiegen verlassen hatte. Gegen diese Entscheidung legte das Team Berufung ein, die am 9. Juli 2004 vom DMSB-Berufungsgericht abgewiesen wurde.
Begründung zur Entscheidung des DMSB-Berufungsgerichts:
Der Berufungsführer nahm mit seinem Fahrzeug, gesteuert von dem Fahrer Gary Paffett, an der Veranstaltung der DTM-Euro-Speedway auf dem Lausitzring vom 4. bis 06.06.04 teil. Nach dem Rennen vom 06.06.04 blieb das Fahrzeug des Berufungsführers, nachdem es als Sieger das Ziel passiert hatte, auf der Auslaufrunde stehen. Das Fahrzeug wurde sodann in die Boxengase geschleppt, wobei der Abschleppwagen vor Erreichen des Parc-Fermés stehen blieb. Der Fahrer Gary Paffett verließ sodann sein Fahrzeug und begab sich in das Parc-Fermé, von wo er von zwei Beauftragten der ITR zur
Siegerehrung abgeholt wurde. Das Fahrzeug selbst wurde anschließend von dem Technischen Delegierten, Christian Schacht, in das Parc-Fermé geschoben.
Bei der technischen Überprüfung wurde festgestellt, dass an dem für die Benzinentnahme vorgesehenen Ventil kein Benzin mehr durch die Kraftstoffpumpe des Fahrzeuges gefördert wurde und demgemäß auch eine Benzinentnahme nicht möglich war. Aufgrund der Forderung der zuständigen Sportkommissare wurde durch den Berufungsführer dann der Tank ausgebaut. Durch Auspressen der Schaumstoffblöcke, die sich im Tank befanden, konnten noch ca. 350 ml Benzin gewonnen werden. Aufgrund von Verunreinigungen, die beim Ausbau des Tanks und dem Auspressen der Schaumblöcke in das Benzin gelangten, sowie aufgrund der ausbaubedingten Verdunstungen konnte eine Vergleichsanalyse mit dem Referenzkraftstoff jedoch nicht durchgeführt werden.
Wegen dieses Sachverhalts verhängten die Sportkommissare mit Entscheidung vom 06.06.04 einen Wertungsausschluss gegen den Berufungsführer. Als Begründung wurde angegeben, dass der Fahrer sein Auto verlassen hätte, bevor es den Parc-Fermé erreicht habe. Aus diesem Grunde wäre eine Gewichtskontrolle nach Art. 12.1 des Reglements der DTM nicht möglich gewesen. Zudem hätte de Fahrer entgegen Art. 49.5 des Reglements das Parc-Fermé ohne Zustimmung des Technischen Delegierten bzw. der Technischen Kommissare verlassen. Darüber hinaus hätte im Parc-Fermé das Fahrzeug des Berufungsführers entgegen Art. 20.1 des Reglements nicht mehr die vorgeschriebenen 1,5 Liter Kraftstoff im Tank enthalten.
Der Berufungsführer wendet dagegen ein, das Reglement der DTM würde nicht vorschreiben, dass der Fahrer in seinem Fahrzeug das Parc-Fermé erreichen müsste. Er könne genauso gut daneben hergehen. Es sei zwar richtig, dass eine ausdrückliche Anweisung zum Verlassen des Parc-Fermés für den Fahrer Gary Paffett durch den Technischen Delegierten bzw. der zuständigen Sportkommissare nicht vorgelegen habe, es sei aber ständige Übung nach den Rennen der DTM, dass die Fahrer, insbesondere auch wegen des Zeitfensters durch die Fernsehanstalten durch Beauftragte der ITR abgeholt würden. Dies würde von den Kommissaren so geduldet bzw. sogar angeordnet.
Bezüglich des nicht vorhandenen Restkraftstoffes wandte der Berufungsführer ein, der Parc-Fermé würde nach dem Reglement nicht mehr zur Veranstaltung gehören. Soweit Art. 20.1 fordere, die Wettbewerbsfahrzeuge müssten zu jedem Zeitpunkt der Veranstaltung 1,5 Liter Kraftstoff aufweisen, gelte diese nur bis zur Zielflagge des letzten Rennens. Das Reglement sei in diesem Punkt zumindest unklar. Zudem wandte der Betroffene ein, auch mit der noch gewonnenen Restmenge Sprit wäre bei entsprechenden Maßnahmen in Bezug auf den Ausbau des Tanks und der Gewinnung des Restbenzins eine Referenzanalyse möglich gewesen. Insoweit hätte der Betroffene die Verschmutzung des Restbenzins nicht zu vertreten.
Letztlich wandte sich der Berufungsführer auch gegen die Höhe der verhängten Strafe. Bewerber und Fahrer seien nicht vorgeahndet. Es wäre reglementkonformes Benzin verwendet worden. Der Fahrer Gary Paffett würde um einen Spitzenplatz in der Gesamtwertung kämpfen und wäre durch einen Wertungsausschluss über Gebühr getroffen. Die verhängte Strafe wäre deshalb zumindest zur Bewährung auszusetzen.
Der Sachverhalt nach Ziffer I) steht fest aufgrund der eigenen Einlassung des Berufungsführers, soweit ihr gefolgt werden konnte, sowie der durchgeführten Beweisaufnahme durch Vernehmung der Zeugen Christian Schacht, Volker Noeske und Eugen Klaus.
a) Nach der durchgeführten Beweisaufnahme ist zunächst festzustellen, dass entgegen den Feststellungen der Sportkommissare ein Verstoß des Berufungsführers gegen die Parc-Fermé-Bestimmungen des Reglements, Art. 49, nicht gegeben war. Dem Berufungsführer ist darin Recht zu geben, dass Art. 49 des Reglements nicht bestimmt, dass der Fahrer in seinem Fahrzeug das Parc-Fermé zu erreichen hat. Insoweit bestimmt Art. 49.5 und Art. 49.6 nur, dass die entsprechenden Fahrzeuge unverzüglich im Anschluss an die Auslaufrunde auf direktem Weg zum Parc-Fermé zu verbringen sind. Aus Art. 49.5 ergibt sich, dass der Fahrer sich ebenfalls in das Parc-Fermé zu begeben hat, jedoch nicht, ob er dies innerhalb oder außerhalb seines Fahrzeuges tun muss. Das Verlassen des Fahrzeuges vor Erreichen des Parc-Fermés kann deshalb dem Berufungsführer nicht zur Last gelegt werden.
Weiter steht nach der durchgeführten Beweisaufnahme fest, dass der Fahrer Gary Paffett auch nicht gegen Art. 49 Abs. 5 des Reglements verstoßen hat, wonach er ohne Zustimmung des Technischen Delegierten bzw. des Technischen Kommissars das Parc-Fermé nicht hätte verlassen dürfen. Zwar lag auch nach eigener Einlassung des Berufungsführers eine derartige Erlaubnis nicht vor. Der im Rahmen der Beweisaufnahme vernommene Zeuge Christian Schacht, Technischer Delegierter des DMSB und bei dem streitgegenständlichen Rennen anwesend, bekundete, dass nach ständiger Übung nach den Rennen in der DTM, insbesondere bei Zeitnot, z.B. wegen Sendezeit des Fernsehens, Mitarbeiter der ITR von ihm beauftrag werden, den jeweiligen Fahrer zu holen und unverzüglich zur Siegerehrung zu bringen. Zudem bekundete der Zeuge Schacht, dass ausdrückliche Anweisungen durch die Sportkommissare oder durch ihn selbst entgegen Art. 49.5 während der laufenden Saison nicht erteilt worden sind. In diesem Punkt würde das Reglement großzügig gehandhabt. Zudem sei auch nicht vorgesehen gewesen, den Fahrer Paffett zu wiegen.
Der Fahrer Gary Paffett konnte sich deshalb darauf verlassen, berechtigt nach Aufforderung durch Mitarbeiter der ITR das Parc-Fermé zu verlassen. Es gab für ihn keinen Anlass, entsprechend der ständigen Übung in der DTM, auf eine direkte Anweisung der Sportkommissare oder des Technischen Delegierten zu warten.
Das Gericht hat keinerlei Anlass, an der Aussage des Zeugen Schacht, die in sich schlüssig und widerspruchsfrei vorgetragen wurde, zu zweifeln.
Ein Verstoß nach Art. 49.5 des Reglements konnte somit dem Berufungsführer nicht nachgewiesen werden.
b) Der Berufungsführer hat aber gegen Art. 20.1 des Reglements verstoßen, weil das Fahrzeug des Berufungsführers nach dem Wertungslauf im Parc-Fermé nicht mehr die vorgeschriebenen 1,5 Liter Kraftstoff im Tank aufgewiesen hat.
Nach Art. 20.1 des Reglements müssen die Wettbewerbsfahrzeuge zu jedem Zeitpunkt der Veranstaltung 1,5 Liter Kraftstoff aufweisen. Dazu gehört selbstverständlich auch der Parc-Fermé. Dies ergibt sich schon daraus, dass der Parc-Fermé im Art. 49 ausschließlich im Reglement erfasst ist und dem jeweiligen Bewerber und Fahrer Pflichten auferlegt. Zudem gehört die Siegerehrung, in dieser Zeit besteht der Parc-Fermé, nach Art. 4.8 des Reglements ausdrücklich
zur Veranstaltung. Es ergibt sich deshalb aus Art. 49 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20.1 des Reglements, dass das jeweilige Wettbewerbsfahrzeug nach dem Rennen und nach Erreichen des Parc-Fermés noch 1,5 Liter Kraftstoff im Tank aufzuweisen hat. Art. 20.1 ist auch nicht insoweit unklar, als er insbesondere auf das Qualifying der Super Pole und nach dem Wertungslauf hinweist. Aus der gesamten Formulierung des Art. 20.1 des Reglements ist zu entnehmen, dass es sich insoweit nur um einen Hinweis des Veranstalters handelt, dass gerade nach diesen Veranstaltungsteilen mit Benzinproben zu rechnen ist. Dies ergibt sich aus dem Wort insbesondere. Zudem bestimmt Art. 20.4, dass der Technische Delegierte oder sein Beauftragter zu jedem Zeitpunkt der Veranstaltung berechtigt ist, Kraftstoffproben aus den Wettbewerbsfahrzeugen entnehmen zu lassen. Auch dadurch ist klargestellt, dass das Recht der Sportkommissare ebenso wie die Verpflichtung der Teilnehmer nach Art. 20.1 des Reglements bis zum Ende der Veranstaltung, also bis zur Aufhebung des Parc-Fermés besteht.
Eine andere Auslegung dieser Vorschriften ist nicht möglich, und würde im Übrigen auch zu unhaltbaren Ergebnissen führen. Würde man diese Verpflichtung zur Restkraftstoffmenge von 1,5 Liter beim Passieren der Ziellinie ansetzen, müsste eine Kontrolle unmittelbar bei der Zieldurchfahrt erfolgen, was aus tatsächlichen Gründen unsinnig wäre, weil ein Fahrzeug schließlich nicht auf der Ziellinie gestoppt werden könnte. Benzinkontrollen während des Rennens wären genauso unsinnig und wurden von dem Berufungsführer auch nicht ins Feld geführt.
Der Berufungsführer konnte auch nicht damit gehört werden, mit der noch durch Ausquetschen der Schaumstoffblöcke gewonnenen Restbenzinmenge von ca. 350 ml hätte eine Referenzprobe durchgeführt werden können. Die vernommenen Zeugen Klaus und Noeske haben zweifelsfrei bestätigt, dass an der vorgeschriebenen Abzapfstelle am Fahrzeug durch die Kraftstoffpumpe des Fahrzeuges kein Benzin mehr gefördert wurde, sondern lediglich noch Benzindampf kurzfristig austrat. An der Veranstaltung hätte es keine andere Möglichkeit gegeben, an Restbenzin zu gelangen, als durch Ausbau des Tanks. Die dabei entstehenden Verunreinigungen des Benzins durch übergroße Verdunstung, Mechanikerhände, ungeeignete Gefäße usw. sind so groß, dass eine Referenzprobe nicht mehr durchgeführt werden kann. Eine Bestimmung, ob der tatsächlich gefahrene Kraftstoff dem vorgeschriebenen Kraftstoff
entsprach, kann somit nicht mehr durchgeführt werden. Dies steht aufgrund der schlüssigen und nachvollziehbaren Aussagen der Zeugen Noeske und Klaus fest.
Diese Verunreinigung des Benzins und die Unmöglichkeit, eine Referenzprobe durchzuführen, hat sich der Betroffene zurechnen zu lassen, da er durch seinen Verstoß gegen Art. 20.1 des Reglements die Art der durchgeführten Restspritentnahme zu vertreten hat. Nach Aussage des Zeugen Klaus wäre es nicht möglich gewesen, auf andere Art und Weise einen entsprechenden referenzaussagekräftigen Kraftstoff zu gewinnen. Es ist einem Veranstalter auch nicht zuzumuten, derart klinische Bedingungen zu schaffen, um nach einem eindeutigen Reglementverstoß eines Bewerbers im Rahmen der Restkraftstoffgewinnung noch zu einer referenzfähigen Probe zu gelangen.
Tatsächlich ergab eine noch durchgeführte Analyse des gewonnenen Restkraftstoffes nach Aussage des Zeugen Klaus Abweichungen zum vorgeschriebenen Referenzkraftstoff, welche aber ebenso nach der Aussage des Zeugen Klaus auf die bei dem Ausbau des Tanks und der Restkraftstoffgewinnung verursachten Verunreinigungen des Kraftstoffs zurückzuführen sind.
Zusammenfassend konnte deshalb wegen des Verstoßes des Berufungsführers nach Art. 20.1 des Reglements ein referenztauglicher Kraftstoff aus dem Fahrzeug des Berufungsführers nicht mehr gewonnen werden, weshalb eine Feststellung, ob das Fahrzeug des Berufungsführers mit reglementkonformen Benzin das Rennen gefahren hat, nicht mehr möglich war.
Wegen des Verstoßes nach Art. 20.1 des Reglements war deshalb die Berufung zurückzuweisen und die Sportstrafe der Sportkommissare, Wertungsausschluss für den Berufungsführer zu bestätigen.
Dem steht nicht entgegen, dass ein Teil der von den Sportkommissaren erhobenen Vorwürfe in der Hauptverhandlung nicht bestätigt wurde. Allein der Verstoß gegen Art. 20.1 des Reglements wiegt so schwer, dass es keine andere Entscheidung als den Wertungsausschluss für Team und Fahrer gibt. Dabei geht das Gericht zunächst mangels anderweitigen Erkenntnissen davon aus, dass der Betroffene tatsächlich reglementkonformes Benzin
verwendet hat. Die Vorschrift des Art. 20 des Reglements will jedoch sicherstellen, dass dies zu jedem Zeitpunkt der Veranstaltung überprüfbar ist. Dies deshalb, weil alleine durch die Art des verwendeten Kraftstoffs bzw. entsprechenden Zusätze ohne große technische Manipulation ein erheblicher Leistungsgewinn für Rennkraftfahrzeuge erreicht werden kann. Art. 20 des Reglements dient deshalb dem Ziel, die Serie der DTM transparent und sportlich fair unter gleichen Voraussetzungen für alle Teilnehmer zu gestalten. Wenn aber eine derartige Überprüfung durch den Verstoß eines Teams gegen Art. 20.1 des Reglements nicht möglich ist, kann das Fahrzeug nicht mehr wie vom Reglement verlangt, auf seine Reglementkonformität überprüft werden. Ein derartiger Verstoß ist nicht anders zu würdigen, als ein Verstoß gegen das Reglement selbst. Dies ergibt sich aus generalpräventiven Gründen. Jede andere Rechtsansicht würde zu unhaltbaren Ergebnissen führen und einen Verstoß gegen Art. 20.1 des Reglements für die Teams, die tatsächlich mit illegalem Kraftstoff fahren wollen, berechenbar machen. Bei dem technischen Wissen der jeweiligen Teams wäre es kein Problem, dafür Sorge zu tragen, dass ein Fahrzeug während der Auslaufrunde aus Kraftstoffmangel stehen bleibt. Würde dann nicht durch einen Wertungssauschluss ein Punkteabzug drohen, würde man in den entscheidenden Rennen geradezu einen Anreiz setzen, mit illegalem Kraftstoff eine nicht erlaubte Leistungssteigerung herbeizuführen. Gerade aus diesem Grunde konnte die Strafe auch nicht zur Bewährung ausgesetzt werden. Im Interesse des Sports, der Chancengleichheit und der Transparenz der DTM kann eine Kalkulierbarkeit eines derartigen Verstoßes nicht hingenommen werden.
Dem steht auch nicht entgegen, dass weder Bewerber und Fahrer vorgeahndet waren, da insoweit die Gründe der Generalprävention überwiegen.
Die Berufung musste deshalb zurückgewiesen werden.
Quelle und Kontaktadresse:
Deutscher Motor Sport Bund e.V. (DMSB)
Hahnstr. 70, 60528 Frankfurt
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