BDS-Umfrage / Azubimangel: Lehrstellen werden immer öfter zu Leerstellen
(Stuttgart) - Immer mehr mittelständische Unternehmen im Land haben Schwierigkeiten, für offene Ausbildungsstellen geeignete Kandidaten zu finden. Vielen Betrieben fehlt es schlicht an Bewerbern. Als Konsequenz können viele Betriebe einfach nicht mehr aus bilden.
Dies sind die Ergebnisse einer Umfrage des Bundes der Selbständigen Baden-Württemberg e.V. (BDS) unter 704 Unternehmen im Land. So gaben 63 Prozent der ausbildungswilligen Betriebe an, es sei für sie problematisch, Auszubildende zu finden. Im Vergleich zum Vorjahr ist die Zahl damit um weitere zwei Prozentpunkte gestiegen. Im Sommer 2009 lag die Zahl mit 44 noch rund 19 Prozent niedriger.
Handwerk am meisten betroffen
Besonders schwierig ist die Suche nach Auszubildenden für Handwerker. Hier hatten in diesem Sommer über 73 Prozent der ausbildungswilligen Betriebe Schwierigkeiten, Auszubildende zu finden. Nicht ganz so kritisch ist die Situation in der Industrie, bei der 62 Prozent der Unternehmen über Besetzungsprobleme klagen. Im Einzelhandel haben 60 Prozent, bei Dienstleistern und Freiberuflern rund 52 Prozent der Betriebe entsprechende Engpässe. Wirft man einen Blick auf die unterschiedlichen Unternehmensgrößen fällt auf, dass nun auch immer mehr größere Mittelständler mit mehr als 50 Mitarbeitern betroffen sind. 70 Prozent dieser Firmen geben an, Schwierigkeiten bei der Suche nach Auszubildenden zu haben.
Mangelnde Qualifikation größtes Problem, immer öfter fehlen aber Bewerber
Als größtes Problem bei der Suche nach geeigneten Auszubildenden nannten die Arbeitgeber weiterhin die mangelnde Qualifikation vieler Bewerber in Form schlechter Noten. Diese kritisieren rund 73 Prozent der Befragten (Sommer 2014: 77 Prozent). Deutlich zugenommen hat in den vergangenen Jahren der rein zahlenmäßige Mangel an Bewerbern. Klagten im Sommer 2010 noch rund ein Viertel (25,3 Prozent) der Unternehmen über fehlende Bewerbungen, hat sich die Zahl innerhalb von fünf Jahren mit über 59 Prozent mehr als verdoppelt. Das schlechte Auftreten und Erscheinungsbild vieler Schulabgänger ist mit 48 Prozent nur noch die dritthäufigste Nennung. Bewerbern fehle es an Motivation, Durchhaltevermögen und Interesse am Beruf lautet dabei ein häufiger Vorwurf der Ausbilder. Das Problem mangelnder Sprachkenntnisse ist nur noch für 17 Prozent der potenziellen Ausbildungsbetriebe ein relevantes Thema.
Konsequenz der Unternehmen: Sie bilden nicht mehr aus
Befragt nach den Konsequenzen der Betriebe auf die immer schwieriger werdende Lage, ist die Reaktion uneinheitlich. Die häufigste Antwort ist der Rückzug aus der Ausbildung. Knapp 45 Prozent der Unternehmen wollen entmutigt nicht mehr ausbilden. Im Vorjahr lag der Anteil noch um sechs Prozent niedriger. Der andere Teil der Unternehmen stemmt sich jedoch gegen den Trend, weil sie wissen, dass sie bei dem zunehmenden Fachkräftemangel nur Chancen auf Mitarbeiter haben, indem sie diese selbst ausbilden. Rund 37 Prozent (plus 1 Prozent) der Betriebe versuchen Auszubildende darüber zu finden, dass sie direkt in die Schulen gehen und ihre Berufe und Firmen vorstellen. Zudem schrauben viele Mittelständler ihre Erwartungen herunter. Jeder fünfte Betrieb ist bereit, Abstriche bei der Qualität der Bewerber zu machen. Um die Jugendlichen dort anzusprechen, wo sie sich regelmäßig aufhalten, passen viele Betriebe auch ihre Art der Personalsuche an. Mehr als jedes fünfte Unternehmen (22 Prozent) nutzen inzwischen soziale Medien wie Facebook, um Azubis für freie Ausbildungsstellen zu werben. Ein geringer Teil der Unternehmen (6 Prozent) versucht, Bewerber aus dem Ausland zu finden.
"Die Entwicklung ist erschreckend, aber sie ist auch eine Chance zum Umdenken", kommentierte BDS-Präsident Günther Hieber die Entwicklung. "Die duale Ausbildung auf hohem Niveau ist eines der Erfolgsgeheimnisse für eine niedrige Jugendarbeitslosigkeit in unserem Land. Wir müssen jungen Menschen und ihren Eltern vermitteln, dass eine Ausbildung sehr gute Berufschancen und Karriereperspektiven bietet. Es ist ein Irrglaube, dass dies nur mit Gymnasium und Hochschulstudium möglich ist. Im Gegenteil: Für viele junge Menschen ist eine Ausbildung in unserem dualen System der bessere Start ins Berufsleben. Das gilt auch für Abiturienten", so Hieber.
Beispielsweise biete eine Ausbildung im Handwerk eine gute Perspektive, bereits in sechs oder sieben Jahren nach der Gesellenprüfung und der Meisterqualifikation sein eigener Chef zu sein. Aufgrund des Generationenwechsels in zahlreichen Betrieben stünden zudem viele Betriebe zur Übernahme an.
Die Mitgliedsunternehmen rief der BDS-Präsident auf, sich noch mehr als bisher um Auszubildende zu bemühen, beispielsweise auch um Abiturienten und Studienabbrecher. "Nicht mehr auszubilden, wäre langfristig der falsche Weg, sonst wird der Fachkräftemangel in manchen Berufen immer schlimmer", so Hieber abschließend.
Quelle und Kontaktadresse:
Bund der Selbständigen - Deutscher Gewerbeverband Landesverband Baden-Württemberg e.V. (BDS-DGV)
Wolfgang Becker, Geschäftsführer, Mittelstandspolitik und Kommunikation
Taubenheimstr. 24, 70372 Stuttgart
Telefon: (0711) 954668-0, Fax: (0711) 954668-33