BDS-Landesverbandstagung 2006 / Bürokratie auch bei der EU abbauen
(Stuttgart) - "Um den Bürokratieabbau voranzutreiben und neue bürokratische Belastungen zu verhindern, brauchen wir auch bei der EU einen Normenkontrollrat". Dies forderte die Präsidentin des Bundes der Selbständigen Baden-Württemberg (BDS) Dorothea Störr-Ritter, heute auf der Landesverbandstagung des Mittelstandsverbandes in Stuttgart. "Bürokratische Belastungen wie das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz dürfen erst gar nicht entstehen. Da die Quelle solch überflüssiger Gesetze meist Brüssel ist, muss das Problem dort bei der Wurzel gepackt werden", so Störr-Ritter.
Auch die in Deutschland geplante Schätzung der Bürokratiekosten solle die EU einführen. "Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sind die größten Opfer der Bürokratie", so Störr-Ritter. "Wenn wir in Europa mit anderen großen Wirtschaftsregionen mithalten wollen, dürfen wir uns nicht weitere Fesseln anlegen", so die Rechtsanwältin. Aus Sicht der Selbständigen ist dabei auch die Bundesregierung in der Pflicht. "Deutsche Politiker müssen wachsamer auf die europäische Gesetzgebung schauen." Zu oft werden europäische Richtlinien per Ratsbeschluss durchgewinkt und später kritiklos in nationales Recht überführt.
Absage an neues Umsatzsteuermodell
Die Verbandspräsidentin warnte aber davor, immer nur auf die Behörden in Brüssel zu schimpfen, denn manche Brüsseler Regelungen und Entscheidungen haben auch etwas Gutes. So begrüßte sie die geplante neue Rechtsform "Europäische Gesellschaft" (EPG), die bereits Anfang 2007 vom europäischen Parlament verabschiedet werden soll.
Als weiteres positives Beispiel nannte sie die aktuelle Haltung der europäischen Kommission zu einem neuen Umsatzsteuermodell, das die Regierungsparteien im Bund in ihrem Koalitionsvertrag festgeschrieben haben. In dem "Reverse-Charge-Verfahren" genannten Modell will die Bundesregierung die Verpflichtung zur Zahlung der Umsatzsteuer im Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen auf den Leistungsempfänger (Käufer) verlagern, wenn ein Umsatz die Beitragsgrenze von 5.000 Euro überschreitet. Dies bringt Vorteile für die Finanzverwaltung, da sie Vorsteuerbeträge in erheblichem Umfang nur noch verrechnen muss. "Allerdings geht das Risiko bei einer Nichtabführung der Mehrwertsteuer vom Fiskus auf die Unterneh-men über. Auch müssten die Unternehmen unterschiedliche Umsatzsteuermodelle je nach Umsatzhöhe beachten. Das macht das Umsatzsteuerrecht für Verwaltung und Unternehmen komplizierter und bringt nur wieder neue Bürokratie", ärgert sich die Unternehmerin über die Pläne der Bundesregierung.
Mittelständler in den Normenkontrollrat
Insgesamt sind die Unternehmen mit dem groß verkündeten Bürokratieabbau nicht zufrieden. "Der Normenkontrollrat auf Bundesebene soll jetzt endlich seine Arbeit aufnehmen. Völlig unverständlich ist die Tatsache, dass im Normenkontrollrat kein Vertreter aus der mittelständischen Wirtschaft sitzt, der den Leuten die Probleme aus der Praxis aufzeigen kann", bedauerte sie die Besetzung. So entstünden einem Mittelständler schon allein dadurch Kosten, dass er sich bei einer Gesetzesänderung wie beim Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz in zahlreiche Papiere einarbeiten und die Tipps aus Zeitungen und Verbandsinformationen richtig bewerten müsse. Dafür hätten Unternehmer in der Regel keine eigene Stabsabteilung, son-dern müssten sich selbst darum kümmern. Deshalb sei es aus Sicht der Selbständigen dringend erforderlich, die Bürokratiekostenmessung für Großunternehmen und KMU getrennt durchzuführen.
Zahlreiche Forderungen an die Politik
Insgesamt haben die Mittelständler einen Leitantrag mit dem Titel "Selbständigkeit - Basis für Erfolg im Land und in Europa" mit zahlreichen Forderungen an die europäische, nationale und Landespolitik vorgelegt: Dort wiederholen die Unternehmer ihre Forderung, das Steuerrecht radikal zu vereinfachen und nur noch zwei Einkunftsarten zu definieren. Bei der geplanten Erbschaftssteuerreform fordern die Selbständigen, betriebliche Grundstücke in das vererbte Vermögen einzubeziehen und von der geplanten Beschäftigungsgarantie abzusehen. In der Landespolitik will der Ver-band bei der Vergabe von Fördermitteln nur diejenigen Städte mit Fördermitteln bedenken, die im Sinne einer nachhaltigen Einhaltung der Grundsätze von Raum-planung und Landesordnung über ein mit den Nachbargemeinden abgestimmtes Raumordnungskonzept verfügen. Damit soll verhindert werden, dass einzelne Kommunen großflächigen Einzelhandel zu Lasten der Umlandgemeinden ansie-deln. Beim Thema Ausbildung fordern die Selbständigen, die Ausbildungsfähigkeit von Schulabgängern zu verbessern. Zudem fordert der BDS die Tarifpartner auf, die Ausbildungsvergütung zu senken und so Ausbildungschancen zu erhöhen.
Wahlen & Verbandsentwicklung
Beim Landesverbandstag stellt sich die bisherige Präsidentin zur Wiederwahl. Die Verbandsentwicklung der letzten Jahre bezeichnete die Präsidentin des Dachverbandes der Handels- und Gewerbevereine als konsolidiert. "Wir haben in den vergangenen Jahren auch das konjunkturelle Tief gespürt. Viele Mitglieder mussten sich auf das Überleben ihres Unternehmens konzentrieren, da gehörte im Zweifel auch die freiwillige Mitgliedschaft bei einem Verein auf die Streichliste", so Störr-Ritter.
Der Mittelstandsverband habe diese schwierige Phase der vergangenen Jahre wie viele seiner Mitgliedsunternehmen aber genutzt, um sich für die Zukunft aufzustel-len und sein Angebot weiter zu verbessern. Mit Regionalkonferenzen, die zwei Mal jährlich stattfinden, habe der BDS vor allem die Netzwerkfunktion des Ver-bandes verbessert. Auch die Leistungen für seine Vereine seien auf eine neue Grundlage gestellt worden. Aufbauend auf einer wissenschaftlichen Untersuchung mit der Fachhochschule Aalen zur "Zukunft von Handels- und Gewerbevereinen" habe man eine Zukunftswerkstatt für Gewerbevereine entwickelt, die diese bei der strategischen Neuausrichtung unterstützt. "Das hat auch eine positive Wirkung auf unsere eigene Mitgliedsentwicklung, weil wir den Vereinen vor Ort helfen, zu wachsen". Eine neue Mitgliederverwaltungssoftware, die der Landesverband seinen Mitgliedsvereinen ab Herbst kostenlos zur Verfügung stellt, verbessert die Leistungen des Dachverbandes für seine rund 300 Mitgliedsvereine weiter. Davon profitieren dann alle Mitglieder, etwa über einen kostenlosen Eintrag in ein neues Internetbranchenbuch des Verbandes und seiner Vereine. "Die Stimmung bei den Mitgliedern ist gut. Der wirtschaftliche Aufschwung wirkt sich auch positiv auf die Verbandsarbeit aus. In den kommenden Jahren werden wir wieder wachsen", bewertet Störr-Ritter die Verbandslage abschließend.
Quelle und Kontaktadresse:
Bund der Selbständigen - Deutscher Gewerbeverband (BDS-DGV), Landesverband Baden-Württemberg e.V.
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