BDK: Misshandlungen und Folter bei der Polizei? / Lückenlose Aufklärung notwendig - Strukturelle Änderungen aber auch!
(Berlin/Hannover) - Nach Recherchen des NDR Regionalmagazins Hallo Niedersachsen und des Radiosenders NDR Info besteht der Verdacht, dass sich in zwei Fällen in den Gewahrsamszellen der Bundespolizeiinspektion in Hannover menschenunwürdige Vorfälle abgespielt haben sollen.
"Sollten sich die Vorwürfe bestätigen, wären das unglaubliche Vorfälle, die in keiner Weise akzeptabel oder entschuldbar sind und die entsprechende Konsequenzen nach sich ziehen müssen. Solche Beamten haben nichts im Polizeidienst verloren. Auch die Strukturen, die so etwas ermöglicht haben, gehören dann auf den Prüfstand", so der Bundesvorsitzende des Bund Deutscher Kriminalbeamter heute in Berlin.
Nach der Berichterstattung sollen ein Afghane und ein Marokkaner im polizeilichen Gewahrsam gedemütigt und misshandelt worden sein, was Handy-Textnachrichten und Fotos bestätigen würden.
"Man darf unterstellen, dass bewusste Grenzüberschreitungen seitens der Polizei selten und die Ausnahmen sind. Jede Polizistin und jeder Polizist benötigt außer seinem Fachwissen ein großes Maß an sozialer Kompetenz. Gerade im Umgang mit Personen, die eine Migrationshintergrund besitzen oder ausländischer Herkunft sind. Hier bedarf es zudem interkulturelle Kompetenz und eines gefestigten und umfassenden positiven Welt- und Menschenbild", so BDK-Chef Schulz.
Die Anforderungen an Polizistinnen und Polizisten sind ausgesprochen hoch und gerade deshalb kann es schnell zu Situationen kommen, die Spannungen erzeugen. Plötzlich ist dann das gesamte erlernte Wissen vergessen und man findet sich unvermittelt in einer Lage wieder, aus der man nur noch schwerlich herauskommt.
"Viele dienstlichen Negativerfahrungen, eine gefühlte Perspektivlosigkeit bezüglich der beruflichen Karriere, eine Gesellschaft, die mehr und mehr jede einzelne Maßnahme hinterfragt, zunehmend Respekt vermissen lässt und eine wachsende Gewalt gegen die Polizei an den Tag legt, beeinflussen die Polizisten und können so die alltägliche Arbeit belasten. All diese Faktoren machen das geforderte Niveau an den Polizisten als Menschen und an seine Ausbildung deutlich und sind deshalb ausdrücklich keine Ausreden für ein rechtswidriges und menschenverachtendes Verhalten durch Polizeibeamte", so Schulz.
Deutschland wird seit mehreren Jahren vom UN-Menschenrechtsrat und von Menschenrechtsorganisationen angemahnt, eine unabhängige Kontrolle der Polizeiarbeit zu gewährleisten. In der Regel wird damit die Forderung nach einer Beschwerdestelle für den Bürger verbunden.
"Jeder Betroffene kann bereits heute an zahlreichen Stellen Anzeige gegen Polizisten stellen, wenn dieser sich in seinen Rechten ungerechtfertigt beeinträchtigt fühlt, daran würde auch eine weitere Instanz nicht ändern", so BDK-Chef Schulz. "Die aktuellen Fälle zeigen aber, wie wichtig ein unabhängiger Polizeibeauftragter, analog zum Wehrbeauftragten der Bundeswehr, für die Polizeibeamten selbst wäre. Ein Polizeibeauftragter könnte sich als Anlaufstelle für Polizistinnen und Polizisten etablieren, an die sie sich vertrauensvoll außerhalb des Dienstweges wenden können, z.B. in Fällen von Mobbing, aber eben auch bei beobachtetem Fehlverhalten von Kollegen. Derzeit sind die Vorgesetzten, Polizeiseelsorger, Personalräte und Gewerkschafter in solchen Fällen Ansprechpartner, die aber Teil der Polizei sind und keine dieser Stellen ist wirklich unparteiisch."
"Man darf sich keinen Illusionen hingeben: Polizeiliche Grenzüberschreitungen werden auch bei allen Bemühungen trotzdem nicht immer ganz auszuschließen sein und auch zukünftig stattfinden. Es gibt aber Möglichkeiten, diesen Grenzüberschreitungen strukturell vorzubeugen und mit ihnen professionell umzugehen", so Schulz abschließend.
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