BDI und Freshfields Bruckhaus Deringer sehen Missbrauchspotential bei "Private Enforcement"
(Brüssel) - In welchen Bereichen sind kollektive Instrumente zur Rechtsdurchsetzung wirklich erforderlich? Das sollte die Kommission sorgfältig prüfen. Die Instrumentalisierung Einzelner als "private Staatsanwälte" passt nicht in das kontinentaleuropäische System. Die in den Vereinigten Staaten gemachten Erfahrungen sind nicht nachahmenswert. So bewertete Klaus Bräunig, Sprecher der BDI-Hauptgeschäftsführung, die Ergebnisse der gemeinsamen Studie Private Enforcement in the European Union Pitfalls and Opportunities, die der Bundesverband der Deutschen Industrie zusammen mit der Rechtsanwaltskanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer erstellt hat und am Dienstag, 9. Oktober 2007, in Brüssel vorstellte. Dem gegenüber sei es wichtig, dass die Mitgliedstaaten über effektive Strukturen zur Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen verfügen, sagte Bräunig weiter.
In der ausführlichen Studie analysieren die Experten praxisbezogen bereits bestehende Instrumente aus den Bereichen Umwelt-, Kartell-, Produktsicherheits- und Kapitalmarktrecht. Die Studie beschränkt sich aber nicht nur darauf, gesetztes Recht zu durchleuchten. Vielmehr liefert sie einen wertvollen Beitrag zur aktuellen Diskussion auf europäischer Ebene, so Bräunig.
Die vorgelegte Studie zeigt, dass kollektive Instrumente der Rechtsdurchsetzung das prozessuale Gleichgewicht einseitig zugunsten der Kläger verschieben können. Damit würden mehr Probleme geschaffen als gelöst. Eine Regelung auf EU-Ebene würde darüber hinaus tief in die nationalen Prozessrechtssysteme eingreifen, so Freshfields-Experte Thomas Lübbig.
Die Institutionen der Europäischen Union beraten derzeit in verschiedenen Politikfeldern über die weitere Stärkung von Mechanismen kollektiver Rechtsdurchsetzung. Diese stellen im europäischen Rechtsschutzsystem eine Ausnahme dar. Zu ihnen zählen neben Verbandsklagen auch Gruppen- und Musterklagen. Während Verbandsklagen bestimmten Verbänden die Möglichkeit geben, auf die Durchsetzung bestimmter Rechte zu klagen, erlauben Gruppenklagen die Zusammenfassung von Ansprüchen einzelner Personen in einer einzigen Klage. Musterklagen dienen hingegen der Klärung bestimmter Rechts- oder Tatsachenfragen mit Bindungswirkung für eine Vielzahl weiterer Fälle. Diese Instrumente sollen wirklichen oder vermeintlichen Mängeln beim Zugang zum Recht und bei der Rechtsdurchsetzung abhelfen. Dies betrifft insbesondere das Kartellrecht, das Umweltrecht und das Verbraucherzivilrecht.
In Brüssel wird das Thema vor allem von den Generaldirektionen Wettbewerb und Verbraucherschutz vorangetrieben. Die Generaldirektion Wettbewerb hatte im Dezember 2005 ein Grünbuch zu Schadensersatzklagen im Kartellrecht vorgelegt, in dem weit reichende Maßnahmen zur Erleichterung von Schadensersatzklagen Einzelner gegen Kartellanten vorgeschlagen werden. Die Generaldirektion Verbraucherschutz hat ebenfalls angekündigt, die Einführung kollektiver Rechtsdurchsetzungsinstrumente für Verbraucher prüfen zu wollen. Diese Initiativen haben eine intensive Diskussion ausgelöst. Es wird erwartet, dass die Kommission demnächst weitere Initiativen ergreift.
Die Studie ist abrufbar unter: www.bdi.eu/study_private_enforcement
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