BDI-Präsident Keitel warnt vor neuen Belastungen
(Berlin) - BDI-Präsident Keitel warnt vor neuen Belastungen
- Industrie bleibt bei Wachstumsprognose von einem Prozent
- Wettbewerbsfähigkeit des Euroraums sichern
- Energiewende klug und pragmatisch umsetzen
- Merkel, Rösler, Draghi, Kraft und Tillich zu Gast auf dem BDI-Tag der Deutschen Industrie 2012
Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) hält an seiner Konjunkturprognose von rund einem Prozent Wachstum in diesem Jahr fest. "Zwar wird die Entwicklung im zweiten Halbjahr etwas schwächer als im ersten Halbjahr sein, aber insgesamt ist die Lage relativ stabil", sagte BDI-Präsident Hans-Peter Keitel auf dem BDI-Tag der Deutschen Industrie am Dienstag in Berlin.
Im Euroraum gebe es rezessive Tendenzen, die sich zwangsläufig auch bremsend auf die deutsche Exportwirtschaft auswirkten. Doch auch im Euroraum seien erste Anzeichen für eine Besserung erkennbar. "Es gibt, wenn auch zaghaft, erste Erfolge in den Krisenländern", erklärte Keitel. Zudem habe sich die Lage an den Finanzmärkten etwas beruhigt - durch die Ankündigungen der Europäischen Zentralbank (EZB) und durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum europäischen Rettungsschirm ESM.
"Jetzt sollten wir in Europa erst einmal den ESM einsetzen und die Geduld aufbringen, ihn wirken zu lassen", unterstrich der BDI-Präsident. Die EZB habe eine Einschaltung des ESM selbst zur Voraussetzung für eigenes Handeln gemacht. "Daran darf nicht gerüttelt werden! Die deutschen Parlamentarier haben bis zum Bundesverfassungsgericht um ihre Mitwirkung bei den europäischen Rettungsmaßnahmen gekämpft. Sie sollten dieses Recht jetzt konsequent nutzen, auch wenn der scheinbar bequemere Weg über die EZB führt."
Deutschland allein könne Europa nicht retten. Die entscheidende Hilfe müsse aus den betroffenen Ländern selbst kommen. "Sie müssen ihre Haushalte in Ordnung und ihre Wirtschaft auf Wachstumskurs bringen - wenn nötig, mit unserer Hilfe", stellte Keitel fest. Die Länder müssten sich von den europäischen Partnern im Rahmen der Regeln aber auch helfen lassen. "Sie dürfen ihre eigenen Erfolge nicht kleinreden, denn vieles kommt ja tatsächlich in Bewegung. Diese Trendwende müssen sie den Finanzmärkten überzeugend und professionell vermitteln, anstatt täglich nach neuer Hilfe zu rufen", hob der Industrie-Präsident hervor.
Der Euro-Raum werde nur dann eine stabile Zukunft haben, wenn sich die nationalen Volkswirtschaften aufeinander zu bewegten und sich gegenüber der weltweiten Konkurrenz gleichzeitig als wettbewerbsfähig erwiesen. Keitel betonte: "Keine Rettungsmaßnahme, kein Markteingriff, kein politisches Kunststück kann uns diesen anspruchsvollen Weg ersparen."
Zur Disziplin im Euroraum zähle auch eine unabhängige Bankenaufsicht mit klaren Regeln und umfassenden Kontroll- und Durchgriffsrechten, die sich an den Standrads des Weltmarkts orientieren. Zur Vermeidung bürokratischer Monsterbehörden sind nach Keitels Ansicht "pragmatische und schrittweise Lösungen denkbar, solange sie nicht dazu dienen, den strikt abzulehnenden Haftungsverbund oder die Bankenlizenz für den ESM schleichend durch die Hintertür einzuführen".
Deutschland sei zurzeit die ökonomische Lokomotive in Europa. Jedoch dürften wir uns auf diesen Lorbeeren nicht ausruhen. Keitel warnte davor, die Wirtschaft neu zu belasten: "Energiepreise, Emissionshandel, Effizienzrichtlinie, Basel III, Frauenquote, Mindestlohn, Luftverkehrsabgabe oder Transaktionssteuer, selbst die Vermögensteuer kommt wieder aus der Mottenkiste. Und die jüngsten Vorschläge zur Rente werden ihren Kostentreibsatz in einigen Jahren zuverlässig zünden." Die wichtigste Rolle für die Wettbewerbsfähigkeit spiele die Energiewende. Diese Wende müsse nun aber auch klug und pragmatisch umgesetzt werden. "Klug heißt, dass die Energiewende das Industrieland Deutschland stärkt und den Arbeitsplätzen in der deutschen Industrie nutzt." Ende Juli beschäftigte das verarbeitende Gewerbe 5,2 Millionen Menschen - so viele wie seit Ende 2008 nicht mehr. Das sind fast 130 000 mehr als ein Jahr zuvor. Jeder Industriearbeitsplatz schaffe zwei zusätzliche Stellen außerhalb der Industrie.
Die Energiewende sei ein Experiment, für das es kein Vorbild gebe. "Es geht um einen umfassenden Umbau unseres ganzen Energiesystems. Umso wichtiger ist ein hochprofessionelles Projektmanagement. Wir plädieren für eine realistische Betrachtung, wir brauchen sicheren, sauberen und bezahlbaren Strom", hob Keitel hervor. Der Strompreis in Deutschland gehöre mit zu den höchsten in Europa.
"Es gibt Preistreiber, die auf politische Entscheidungen zurückgehen - etwa das Erneuerbare-Energien-Gesetz EEG. Entgegen allen Beteuerungen wird sich die EEG-Umlage weiter erhöhen. Es ist dringend notwendig, das Gesetz und den ungesteuerten Zubau erneuerbarer Energien grundlegend auf den Prüfstand zu stellen. Das muss sich marktwirtschaftlicher organisieren lassen", forderte der Industrie-Präsident.
Die Erleichterungen von der EEG-Umlage würden von weniger als ein Prozent der Unternehmen des produzierenden Gewerbes in Anspruch genommen. "Gerade einmal 2,50 Euro monatlich bezahlt ein privater Haushalt für diese Ausnahmen. Dieser geringe Betrag sollte uns die Sicherung der Arbeitsplätze - für jetzige und künftige Generationen - in Deutschland wert sein", betonte Keitel.
Zum BDI-Tag der Deutschen Industrie werden rund 1000 Gäste aus Wirtschaft und Politik im Berliner Kongresszentrum BCC erwartet. Als Gastredner haben Bundeskanzlerin Angela Merkel, EZB-Präsident Mario Draghi, Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler, die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft, der sächsische Ministerpräsident Stanislaw Tillich und der Vorsitzende des BDI-BDA-Mittelstandsausschusses Arndt G. Kirchhoff zugesagt. Partner des BDI-Tags der Deutschen Industrie ist Deloitte.
Aktuelles zum BDI-Tag der Deutschen Industrie online unter: http://www.bdi.eu/TDI2012.htm
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