Bayerisches Verfassungsschutzgesetz - zu wenig Luft nach unten
(Berlin) - Im vergangenen Jahr hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zahlreiche Bestimmungen des 2016 reformierten Bayerischen Verfassungsschutzgesetzes (BayVSG) für verfassungswidrig erklärt. Im Rechtsausschuss des Bayerischen Landtags findet heute eine Anhörung zu geplanten Änderungen am BayVSG sowie am Bayerischen Datenschutzgesetz statt. Der Entwurf der Landesregierung setzt das Karlsruher Urteil nur unzureichend um, wie der Deutsche Anwaltverein (DAV) kritisiert.
Statement von Rechtsanwältin Dr. Sylvia Ruge, Hauptgeschäftsführerin des Deutschen Anwaltvereins (DAV):
"Es hat sich zu einem besorgniserregenden Trend entwickelt, unter dem Deckmantel vermeintlicher Bedürfnisse der Sicherheitsbehörden die verfassungsrechtlichen Grenzen immer wieder auf Äußerste zu strapazieren - mit dem Bewusstsein, dass es Karlsruhe gegebenenfalls richten wird. Auch der Entwurf der Bayerischen Staatsregierung zum BayVSG versucht augenscheinlich, die Vorgaben des BVerfG bis zur Unkenntlichkeit auszureizen oder zu umschiffen. Der nächste Tadel aus Karlsruhe ist damit vorprogrammiert.
Zahlreiche Begrifflichkeiten sind zu unbestimmt oder verfassungsrechtlich fragwürdig gewählt. Bei der Frage, wann Informationen an die Strafverfolgungsbehörden weitergegeben werden dürfen, geht der Entwurf noch über die epischen Straftatenkataloge der Strafprozessordnung zur Online-Durchsuchung und Vorratsdatenspeicherung hinaus. Das Bundesverfassungsgericht fordert angesichts des Trennungsgebotes zwischen Polizei und Nachrichtendiensten jedoch ein herausragendes öffentliches Interesse an der Datenübermittlung, welches bei einem derart weiten Anwendungsraum nicht mehr gegeben ist. Nachrichtendienste sind keine Datenlieferanten für Gefahrenabwehr- und Strafverfolgungsbehörden!
Dem Entwurf der Bayerischen Staatsregierung fehlt es auch an der erforderlichen Transparenz bezüglich der zulässigen nachrichtendienstlichen Mittel. Hier gibt es lediglich eine beispielhafte Nennung sowie den kryptischen Verweis auf eine 'Dienstvorschrift'. Dies ist nach der verfassungsrechtlichen Wesentlichkeitstheorie jedoch unzureichend - erforderlich ist eine parlamentarische Legitimation der einzelnen nachrichtendienstlichen Mittel durch ein förmliches Gesetz. Aufgrund zahlreicher Verweise und der Verwendung unbestimmter Begriffe fehlt es zudem bei der Formulierung der Eingriffsschwellen an der verfassungsrechtlich erforderlichen Normenklarheit.
Die detaillierten Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts an den Schutz des Kernbereichs privater Lebensführung speziell beim Einsatz von verdeckten Ermittlern und Vertrauenspersonen werden nur unzureichend umgesetzt.
Der DAV missbilligt die mutmaßliche Strategie des Regierungsentwurfs, an der bisherigen Rechtslage so wenig wie möglich zu ändern und dem Landesamt für Verfassungsschutz möglichst große Handlungsspielräume bei möglichst geringem Rechtfertigungsdruck für Eingriffe in die Grund- und Menschenrechte zu sichern."
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Deutscher AnwaltVerein e.V. (DAV)
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