Pressemitteilung | Eurojuris Deutschland e.V.

Bankensanierung auf Kosten des Gläubigerschutzes

(Düsseldorf) - Am 1. November 2008 tritt das Finanzmarktstabilisierungsgesetz (FMStG) vom 17. Oktober 2008 in Kraft. Mit einem rasanten Kraftakt hat die Bundesregierung ein umfangreiches Maßnahmenpaket zur Stabilisierung des Finanzmarktes beschlossen, das vom Bundestag und vom Bundesrat in beispielloser Geschwindigkeit ohne Anhörung von Sachverständigen oder Verbänden beschlossen wurden.

Die Einzelheiten des gesamten Maßnahmenpakets sind nur wenigen bekannt und wurden offensichtlich auch nur innerhalb eines kleinen Kreises abgestimmt. Bisher war zu erfahren, dass neben den allgemein bekannten Finanzhilfen auch Bilanzierungserleichterungen vorgesehen sind.

Eine bedeutsame Änderung ist für die so genannte Überschuldung vorgenommen worden. Diese Änderung weicht den bisherigen Gläubigerschutz im Kapitalgesellschaftsrecht ganz erheblich auf:

Das FMStG sieht in Artikel 5 für § 19 der Insolvenzordnung vor, dass eine Überschuldung nicht anzunehmen ist, wenn die Fortführung des Unternehmens nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich ist“.

Mit dieser gesetzlichen Neufassung hat der Gesetzgeber den Überschuldungsbegriff aufgeweicht und den Gläubigerschutz, der in den vergangenen Jahren von der Rechtsprechung sorgfältig entwickelt wurde, mit einem Federstrich aus der Welt geschafft.

Der so genannte Überschuldungstatbestand, der in der Insolvenzordnung festgelegt ist, hat im Geschäftsverkehr eine große Bedeutung. Überschuldung ist – vereinfacht – anzunehmen, wenn die Vermögenswerte die Verbindlichkeiten (Schulden) des Unternehmens nicht mehr decken. Diesem überschuldeten Unternehmen stehen keine Reserven mehr zur Verfügung. Der Handlungsspielraum ist – abhängig vom Überschuldungsgrad – eingeschränkt. Kredite werden ohnehin nicht mehr gewährt. Die Überschuldung führt für die Organe der Kapitalgesellschaft zur Pflicht, nach Ablauf einer so genannten Drei-Wochen-Frist Insolvenzantrag zu stellen. Damit wird die Krise und die damit verbundenen Risiken für den Geschäftsverkehr klar. Kommen die Organe dieser Pflicht nicht nach, müssen sie strafrechtliche Sanktionen befürchten. Darüber hinaus haben die Gläubiger die Möglichkeit, sie persönlich in Anspruch zu nehmen.

Dieses sorgfältig ausgewogene System des Gläubigerschutzes wird nahezu ersatzlos gestrichen. Eine Überschuldung ist bereits dann zu verneinen, wenn eine positive Fortführungsprognose erstellt wurde.

Diese Aufweichung des Überschuldungsbegriffes kann im Geschäftsverkehr zu erheblichen Unsicherheiten führen. Gerade die Hasardeure der Geschäftswelt werden jubilieren, können sie doch munter mit einer Kapitalgesellschaft am Markt arbeiten, die insolvenzreif ist. Der Gläubigerschaden wird sich massiv erhöhen. Die Auswirkungen dieser mit der heißen Nadel gestrickten gesetzlichen Regelung werden sich kurzfristig allerdings nicht zeigen. Die Schäden kommen in den Folgejahren zum Tragen. Es fragt sich allerdings, ob im Geschäftsverkehr nicht eine ganz erhebliche Unsicherheit eintreten wird, die sich weiterhin negativ auf das Klima auswirken wird.

Was bleibt neben der Verunsicherung und den zusätzlichen Risiken der Gläubiger? Die Berater werden ein neues Geschäftsfeld finden. Kostenintensive Fortführungsprognosen sind natürlich erforderlich, um die Insolvenzantragspflicht zu beseitigen. Die Berater werden sich hierauf schnell einstellen.

Der Wirtschaftsverkehr kann nur hoffen, dass der Gesetzgeber nachbessert. Anderenfalls sind massive Unsicherheiten und negative Auswirkungen auf den gesamten Geschäftsverkehr zu erwarten.

Quelle und Kontaktadresse:
Eurojuris Deutschland e.V. Pressestelle Cecilienallee 59, 40474 Düsseldorf Telefon: (0211) 2398744, Telefax: (0211) 2398764

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