Auswirkungen der US-Wahlen auf die Unternehmen in Deutschland und Europa
(Berlin) - Am 5. November 2024 wird in den USA gewählt: ein neuer Präsident oder eine neue Präsidentin, das gesamte Abgeordnetenhaus und ein Drittel des Senats. Diese Wahlen werfen ein Schlaglicht auf die politische Lage in den USA und auf mögliche Veränderungen. Die weitere politische und wirtschaftliche Entwicklung in den USA wird auch deutliche Auswirkungen auf die Wirtschaft und die Unternehmen in Deutschland und Europa haben.
Transatlantische Wirtschaftsbeziehungen
Durch Handel und gegenseitige Investitionen sind Europa und die USA aufs Engste verflochten, das gilt nicht nur, aber auch für den Finanzmarkt. Die Wirtschaft ebenso wie die Politik der USA bleiben für die Wirtschaft in Deutschland und Europa weiterhin von höchster Relevanz.
Beide Wirtschaftsräume stehen – trotz struktureller Unterschiede – vor teilweise ähnlichen Herausforderungen: Die Modernisierung der Industrie und der öffentlichen Infrastruktur, die Steigerung der Produktivität und globalen Wettbewerbs¬fähigkeit. Zudem geht es darum, die Resilienz der gesamten Wirtschaft angesichts geopolitischer Spannungen zu stärken und den Wohlstand angesichts demographischer Veränderungen zu sichern.
Für die Wirtschaft in Deutschland ist wichtig: Wie berechenbar sind die Rahmenbedingungen für Handel und Investitionen, und was geschieht im Falle weiterer globaler Krisen? Wie gut gelingt in den nächsten Jahren die politische Zusammenarbeit zwischen Berlin bzw. Brüssel und Washington?
Die Erfahrungen aus den vier Jahren der Trump-Administration und den vier Jahren unter Biden liefern Anhaltspunkte dafür, wie die US-Politik – je nach Wahlausgang – in den kommenden vier Jahren aussehen könnte. Hinzu kommen die Wahlprogramme und die Äußerungen im Wahlkampf der letzten Wochen und Monate. Zusammengenommen bleibt die „Datenlage“ dünn, aber einige Tendenzen mit Blick auf die Wirtschaftspolitik zeichnen sich doch ab.
Trump-Szenario: Zölle als Instrument der Außenhandelspolitik
Eine erneute Präsidentschaft von Donald Trump könnte in der Handelspolitik stärker auf Zölle und andere Handelsbeschränkungen setzen und damit erhebliche Veränderungen im globalen Handel verursachen. Dies gilt insbesondere für Zölle gegenüber China – aber nicht nur. Mit Impulsen für neue Freihandelsabkommen (FTAs) zwischen den USA und anderen Staaten oder gar für eine regelorientierte globale Handelspolitik wäre dagegen nicht zu rechnen. Unklar ist, wie es mit der aktuellen Subventionspolitik im Rahmen des Inflation Reduction Act (IRA) weitergehen würde, der die Unternehmen in den USA bei der Transformation fördert. Auf der anderen Seite könnten Unternehmen von allgemeinen Steuererleichterungen profitieren, während die Klima- und Energiepolitik wohl wieder zugunsten konventioneller Energieträger ausgerichtet würde.
Harris-Szenario: Subventionen als Standort- und Wettbewerbspolitik
Eine Präsidentschaft von Kamala Harris wird ebenfalls das Ziel verfolgen, die US-Wirtschaft besser zu „schützen“. Insbesondere die Wirtschaftsbeziehungen mit China betrachten auch die Demokraten sehr kritisch. Zwar könnten Zölle eine geringere Rolle spielen, doch auch Harris würde wahrscheinlich keine neuen FTAs anstreben. Der Austausch mit der EU könnte sich, im Vergleich zu einer von Trump geführten Administration, insgesamt kooperativer gestalten, sowohl hinsichtlich der bilateralen Beziehungen wie dem Trade and Technology Council (TTC) als auch hinsichtlich des Umgangs mit Dritten. Auch die Transformation und Dekarbonisierung der Wirtschaft dürfte weiterhin Unterstützung durch eine entsprechende Subventionspolitik erfahren.
Auswirkungen auf Deutschland und Europa
Aber das sind nur Ausschnitte. Hinzu kommen weitere wichtige Politikfelder, die große Auswirkungen haben: Welche Schritte geht die nächste Administration in der Sicherheitspolitik einschließlich der Export- und Importkontrolle von kritischen Technologien und der Sanktionspolitik? Wie geht der neu gewählte Kongress mit dem US-Haushalt und der Staatsverschuldung um?
Grundsätzlich dürfte sich unabhängig vom Wahlausgang der Trend bestätigen, dass die USA in Zukunft stärker protektionistisch handeln, um auf den Strukturwandel im Inneren ebenso wie auf globale Verschiebungen zu reagieren. Dadurch würde die Orientierung an multilateralen Regelsystemen weiter abnehmen. Je nach Wahlausgang und politischer Gesamtlage werden sich die Beziehungen mit der EU mehr oder weniger kooperativ und damit auch berechenbar entwickeln.
Was sich voraussichtlich aber nicht ändert: Der europäische und der amerikanische Wirtschaftsraum bleiben eng verflochten. Die USA sind in vielen Feldern extrem innovativ und weltmarktführend, etwa im Bereich Digitales und in den Bereichen Sicherheit und Finanzmarkt. Doch brauchen auch sie den europäischen Markt. Beeinträchtigungen von Handel und Investitionen im atlantischen Raum würden Fortschritt und Wohlstand daher nicht nur in der EU, sondern auch in den USA stark belasten. Die Kooperation beider Seiten bleibt daher fundamental wichtig.
Für Unternehmen in Deutschland und der EU bleibt der US-Markt hochattraktiv, sowohl für Exporte als auch für Investitionen. Dieser Markt bietet zudem auch eine Möglichkeit zur Diversifizierung. Die Auswirkungen werden natürlich variieren, je nach Branche und Einzelfall. Aus Bankensicht ist essenziell, dass der bestehende transatlantische Finanzmarkt weiterhin vernetzt und berechenbar bleibt.
Europa ist gefordert, unabhängig vom Wahlausgang
Für den Erfolg der deutschen und europäischen Unternehmen und der Gesamtwirtschaft ist in erster Linie ihre Wettbewerbsfähigkeit entscheidend. Dafür braucht es – neben Innovationskraft und Risikobereitschaft – die richtigen wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen. Diese werden zuallererst von der deutschen und der europäischen Politik gestaltet. Zu den wichtigsten Faktoren zählen:
• Eine erfolgreiche Energie- und Rohstoffpolitik, um einen stabilen und wettbewerbsfähigen Zugang zu Energie- und Rohstoffen sicherzustellen.
• Eine ambitionierte Freihandelspolitik zur Sicherung bestehender und Erschließung neuer Absatzmärkte.
• Eine pragmatische Klimapolitik, die sowohl auf die effektive Dekarbonisierung als auch auf die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen fokussiert.
• Eine ausgewogene Banken- und Finanzmarktregulierung, die unter Berücksichtigung der Entwicklungen in den USA auch in der EU leistungsstarke und global wettbewerbsfähige Institute, Infrastrukturen und Märkte ermöglicht.
• Eine konsequente Stärkung und Vertiefung des EU-Binnenmarkts einschließlich des Kapitalmarkts mit dem Fokus auf Wettbewerbsfähigkeit.
Um angesichts globaler Veränderungen und des scharfen Wettbewerbs für die eigene Wirtschaft gute Rahmenbedingungen zu schaffen, muss die EU einen einheitlichen und stärker strategischen Ansatz verfolgen. Entscheidend ist aber, dass damit konstruktive Antworten auf geopolitische Herausforderungen verbunden werden. Deutschland und die EU müssen überzeugende Lösungsansätze bieten, um die transatlantische Kooperation fortzuführen.
Quelle und Kontaktadresse:
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