Ausbildungsplatzabgabe: Zuckerbrot statt Peitsche
(Köln) - Lange Zeit stand sie nur als Drohung im Raum, die Ausbildungsplatzabgabe. Nun will Rot-Grün Ernst machen Betriebe mit mehr als zehn Beschäftigten sollen zahlen, wenn sie zu wenig für das Nachwuchstraining tun.
Um sich das nach den Sozialreformen arg verstimmte linke Lager wieder geneigter zu machen, werden die Unternehmen zur Kasse gebeten, wenn Ende September nicht für alle Bewerber genügend Lehrstellen bereitstehen. Damit nimmt die Regierung viel Zweifelhaftes in Kauf:
Mehr Bürokratie und Mitnahmeeffekte. Die Abgabe wird Unternehmen und Staat mehr Bürokratie aufladen. Daneben dürfte es zu Mitnahmeeffekten kommen, weil der eine oder andere Betrieb sich den Lehrling, den er sowieso ausgebildet hätte, nun aus dem Abgabentopf finanzieren lässt für jede ab Oktober zusätzlich angebotene Lehrstelle sollen 5.000 bis 8.000 Euro gezahlt werden. Andererseits wird es Betriebe geben, die lieber zahlen, als dass sie ausbilden besonders, wenn sie sich bisher über Bedarf engagiert haben.
Mittelständler tragen die Hauptlast. Nach den Regierungsplänen sollen Betriebe ab zehn sozialversicherungspflichtig Beschäftigten die Abgabe zahlen. Dabei schultern sie bereits das Gros der Ausbildung.
Von den Betrieben mit zehn bis 49 Beschäftigten bildet jeder zweite aus, bei den Firmen mit 50 bis 499 Köpfen sorgen drei von vier für Fachkräftenachwuchs, und bei den Großunternehmen ist fast jedes am Ball.
Während rund 80 Prozent der Firmen weil Kleinstbetriebe überhaupt nicht unter die geplante Abgabe fallen, werden letztlich nur jene gut 175.000 Mittelständler und Großunternehmen zur Ader gelassen, die nicht ausbilden, sowie Betriebe mit zu geringer Ausbildungsquote, also zu niedrigem Anteil von Azubis an den Beschäftigten.
Ausbildungsquote als fragwürdige Messlatte. Die Höhe der Abgabe an der Ausbildungsquote der Betriebe auszurichten, zeugt nicht eben von Realitätssinn. Maßstab für das Ausbildungsengagement ist vor allem der Personalbedarf. So sind zusätzliche Arbeitsplätze in den vergangenen Jahren im Saldo nur bei den kleinen Betrieben entstanden. Diese haben auch den größten Bedarf an Fachkräften und Auszubildenden, während die Großen Arbeitsplätze abbauen mussten und häufiger als kleinere Firmen Hochqualifizierte beschäftigen. Zudem bilden kleine Betriebe am häufigsten trotz Berechtigung nicht aus.
Sondersteuer Ost. Umverteilt würde möglicherweise auch von West- nach Ostdeutschland quasi als heimlicher Länderfinanzausgleich. Denn in den neuen Bundesländern fehlen Ausbildungsplätze, während im Westen Nachfrage und Angebot nahezu ausgeglichen sind. Da es dort mehr Betriebe gibt, müssten diese für die fehlenden Lehrstellen im Osten mitaufkommen. Gleichzeitig lernen Jahr für Jahr zwischen 11.000 und 14.000 junge Ostdeutsche im Westen. Würden bei der Berechnung der Umlage aber die Westländer mit ausreichendem Lehrstellenangebot ausgeklammert, wie von drei SPD-Ministerpräsidenten gefordert, so käme auf die Ostbetriebe eine immense Belastung zu:
Rund 38.000 nicht ausbildende Betriebe in Ostdeutschland mit zehn und mehr Mitarbeitern müssten dann fast die gesamte Abgabenlast tragen.
Staatliche Ausbildungssteuerung. Eine Ausbildungsplatzabgabe öffnet einer staatlichen Steuerung der dualen Berufsausbildung Tür und Tor. Anstatt am bisherigen Ziel dem rechnerischen Ausgleich am Ausbildungsstellenmarkt festzuhalten, wird ein ausreichendes Angebot angestrebt. Demnach muss das Lehrstellenangebot um 12,5 Prozent über der Nachfrage liegen. Dieses politische und vom Bundesverfassungsgericht in einem ökonomisch umstrittenen Entscheid 1980 festgelegte Ziel wurde bislang noch in fast keinem Jahr erreicht. Allein das zeigt, wie willkürlich eine solche Zielsetzung ist.
Die rot-grüne Peitsche mutet sehr fragwürdig an. Andere Maßnahmen dürften die Ausbildungsbereitschaft effektiver fördern ein Zuckerbrot wäre etwa die ausreichende Qualifizierung der Ausbildungsbewerber durch die allgemein bildenden Schulen. Weiterhin hilfreich wären Zugeständnisse bei den Ausbildungskosten und bei der Übernahmeverpflichtung. Die Chemie-Sozialpartner haben dies bereits im Rahmen des neuen Tarifvertrages Zukunft durch Ausbildung vorgemacht. Im Vorjahr wurde die Zahl der neu angebotenen Ausbildungsplätze so um rund 1 Prozent auf 7.852 erhöht.
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