Augenheilkunde in schwierigen Zeiten / Langfristige Auswirkungen der Pandemie nicht absehbar - Berufspolitisches Statement zur AAD 2021 online
(Düsseldorf) - COVID 19 - dieses Thema würden die meisten Menschen gerne schnell abhaken und doch kommt auf absehbare Zeit niemand daran vorbei. Ebenso wenig wie die langfristigen Auswirkungen auf die Gesundheit der betroffenen Patienten abschließend beurteilt werden können, lassen sich heute die Auswirkungen auf das Gesundheitswesen einschätzen. Eindeutig ist nur: Sie sind gravierend. Aus Sicht der niedergelassenen Augenärzte lässt sich heute dazu sagen:
1. Die Fallzahlen, die im Frühjahr 2020 dramatisch einstürzten - bayerische Augenärzte beispielsweise hatten im ersten Halbjahr 2020 einen Rückgang der Fallzahlen von 15 Prozent verglichen mit dem Vorjahr - werden das Niveau der Vor-Corona-Zeit noch lange nicht wieder erreichen.
2. Mit einer enormen Kraftanstrengung ist es Augenärztinnen und Augenärzten mit ihren Praxisteams gelungen, die ophthalmologische Regelversorgung aufrecht zu erhalten - trotz des anfangs gravierenden Mangels an Schutzausrüstung.
3. Der Aufwand für die Behandlung jedes einzelnen Patienten ist enorm gestiegen. Alleine die Mehrkosten und der organisatorische Mehraufwand für zusätzliche Hygienemaßnahmen sind erheblich. Die gesetzlichen Krankenkassen erkennen diese Kosten jedoch bis heute nicht an.
4. Neue Wege der Patientenbetreuung werden erprobt - von der ausführlichen telefonischen Beratung bis hin zur Videokonsultation. Gerade in der Augenheilkunde zeigt sich aber immer wieder, dass die Telemedizin ihre Grenzen hat und die persönliche Untersuchung in der Augenarztpraxis dann oft doch zwingend notwendig ist.
5. COVID 19 hat nichts daran geändert, das der Bedarf an augenärztlichen Leistungen groß ist und weiter steigt. Augenkrankheiten wie das Glaukom (Grüner Star), die Katarakt (Grauer Star) und die Altersabhängige Makuladegeneration (AMD) und nicht zuletzt die Kontrollen beim Vorliegen diabetischer Netzhautschädigungen betrifft ältere Menschen besonders häufig. Diese Patienten, die bei einer Ansteckung mit COVID 19 ein erhöhtes Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf haben, scheuten sich im vergangenen Jahr, dringend notwendige Kontrolluntersuchungen wahrzunehmen. Damit birgt die Pandemie auch das Risiko, dass Patienten einen vermeidbaren dauerhaften Sehverlust erleiden.
6. Augenärzte und ihre Mitarbeiter müssen den Patienten für die Augenuntersuchungen nahe kommen. Sie haben mit viel Kreativität und Aufwand die Untersuchungsplätze so umgestaltet, dass das Infektionsrisiko so weit wie möglich reduziert wird, sie tragen Schutzausrüstung und halten sich konsequent an Hygieneregeln. Und doch bleibt eine erhöhte Infektionsgefahr für die Untersuchenden. Die Ständige Impfkommission (STIKO) des Robert Koch-Instituts (RKI) urteilte daher, dass das medizinische Personal in Augen- und HNO-Praxen wegen "aerosolgenierenden oder gesichtsnahen Tätigkeiten" in der Priorisierung unmittelbar nach hochbetagten Personen und intensivmedizinisch tätigen Ärztinnen und Ärzten einzustufen sei (1).
7. Trotz dieser Gefahr sind Augenärzte in vielen Bundesländern in der Priorisierung für Impfungen zunächst nach hinten gerutscht. Der Berufsverband der Augenärzte fordert, dass die Gesundheitspolitik ihrem erhöhten Risiko Rechnung trägt und ihnen so rasch wie möglich die Impfung ermöglicht.
8. Der finanzielle Schutzschirm, mit dem die Bundesregierung nicht nur Krankenhäuser, sondern auch die ambulante medizinische Versorgung sicherte, ist für den ambulanten Bereich zum 31.12.2020 ausgelaufen. Obwohl die Kassenärztliche Bundesvereinigung, der Spitzenverband der Fachärzte Deutschlands und auch Berufsverband der Augenärzte wie viele andere ärztliche Verbände gefordert hatte, dass die Regelung verlängert wird, wurde lediglich eine Mogelpackung als "Schutzschirm" von der Politik verabschiedet. Letzten Endes sollen die Ärzte ihren Schutzschirm nämlich selbst bezahlen. Das zeugt nicht von Anerkennung unserer Leistungen, die wir im Rahmen dieser Pandemie für die gesamte Gesellschaft erbracht haben und erbringen.
9. Wie der Rest der Gesellschaft ist auch der BVA in Pandemie notgedrungen "digitaler" geworden: Nicht nur die Augenärztliche Akademie findet online statt. Qualitätszirkel, regionale und überregionale Gremien treffen sich bei Videokonferenzen, Seminare und Prüfungen laufen online. Vieles davon bewährt sich und wird auch in der Corona-freien Zukunft erhalten bleiben.
10. Die berufspolitische Arbeit des BVA beschränkt sich bei weitem aber nicht nur auf COVID 19. Ob die übereilte Einführung der Telematikinfrastruktur, die geplante Änderung der Approbationsordnung, die geforderte Neubewertung des operativen Kapitels im Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) oder die neue Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ), die mit so vielen Mängeln behaftet ist, dass die Augenärzte nur hoffen können, dass die alte GOÄ noch lange in Kraft bleibt: Das deutsche Gesundheitswesen umfasst zahlreiche Herausforderungen für die niedergelassenen Augenärzte.
Dr. Peter Heinz
1. Vorsitzender des Berufsverbands der Augenärzte Deutschlands e.V.
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Berufsverband der Augenärzte Deutschlands e.V. (BVA)
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