Aufweichung der Schweigepflicht / Nur Schaden, kein Nutzen
(Berlin) - "Die ärztliche und psychotherapeutische Schweigepflicht muss zum Schutz der betroffenen Patienten erhalten bleiben, eine Aufhebung für bestimmte Berufsgruppen wäre kontraproduktiv", äußerte heute der stellvertr. Bundesvorsitzende der Deutschen PsychotherapeutenVereinigung (DPtV) Dipl.-Psych. Dieter Best.
In den letzten Tagen war von einigen Politikern gefordert worden, die Schweigepflicht für einige Berufsgruppen, wie beispielsweise Piloten, aufzuheben und die behandelnden Ärzte und Psychotherapeuten zu verpflichten, bei Auffälligkeiten die Arbeitgeber zu informieren.
Nach § 203 Strafgesetzbuch sind Berufsgruppen wie Psychotherapeuten, Ärzte, Rechtsanwälte gesetzlich dazu verpflichtet, über alles, was ihnen im Laufe ihrer Behandlungen oder Beratungen bekannt wird, zu schweigen. So wird das besondere Vertrauensverhältnis geschützt, das die Arbeit mit den Patienten oder Mandanten kennzeichnet. Die Schweigepflicht kann nur aufgehoben werden, wenn ein Patient den Psychotherapeuten oder Arzt von der Schweigepflicht entbindet oder wenn sich der Patient selbst erheblich gefährdet oder er den Psychotherapeuten oder einen Dritten in Gefahr bringt oder eine sonstige Straftat geplant ist.
Psychotherapeuten sind dann genauso wie jeder andere verpflichtet, die zuständigen Behörden zu informieren. Auf keinen Fall erlaubt ist es, den Arbeitgeber einzuweihen.
"In der Regel kennen Psychotherapeuten ihre Patienten so gut, dass sie aufgrund ihrer diagnostischen Erfahrung realistisch einschätzen können, wann eine Gefahr besteht, und das ist sehr selten der Fall", ist sich Best sicher. "Wird die Situation potentiell als gefährlich eingeschätzt, wird man sich die Entscheidung, die Schweigepflicht zu brechen, nicht leicht machen, weil damit auch gleichzeitig der Abbruch der "therapeutischen Beziehung" riskiert wird." Wir raten unseren Mitgliedern, im Zweifelsfall zur Sicherheit, sich bei Bedarf juristischen Rat bei ihrer Kammer oder ihrem Verband einzuholen. Eine absolute Sicherheit gibt es nicht. Auch Psychotherapeuten können nicht in ihre Patienten "hineinsehen" und geheimste Gedanken und Absichten erkennen, wenn diese sich nicht offenbaren. "Das werden sie aber umso eher tun, je sie mehr sie davon ausgehen können, dass Psychotherapeuten mit ihren Gedanken und Absichten verantwortungsvoll umgehen und selbstverständlich die gebotene Schweigepflicht einhalten", verdeutlichte Best.
"Die Schweigepflicht ist ein zentraler Bestandteil in der Therapie. Die Abschaffung oder Auflockerung würde dazu führen, dass allgemein das Vertrauensverhältnis zwischen Patienten und Psychotherapeuten leiden würde. Nur wenn sich ein Patient sicher sein kann, dass er seinem Psychotherapeuten absolut vertrauen kann, dann kann er über alles, was ihn belastet, offen und vertrauensvoll sprechen. Andernfalls würden sich Patienten nicht öffnen können und die therapeutischen Einflussmöglichkeiten wären stark vermindert oder gar genommen."
Die Abschaffung der Schweigepflicht für Patienten bestimmter Berufsgruppen - was im Übrigen eine Änderung des Strafgesetzbuches voraussetzt - hätte nach Meinung der Deutschen PsychotherapeutenVereinigung zur Folge, dass das Vertrauen von Patienten, die psychotherapeutische Hilfe in Anspruch nehmen, stark leiden würde. "Den allermeisten psychisch Kranken kann mit einer Psychotherapie geholfen werden und eine wichtige Grundlage dafür ist das besondere Vertrauensverhältnis und eine tragfähige psychotherapeutische Beziehung. Mit der Auflockerung der Schweigepflicht wäre nichts gewonnen, im Gegenteil, es würde großer Schaden angerichtet" meint Dieter Best.
Angesichts des unfassbaren Unglücks mit der Maschine von Germanwings ist es verständlich, dass nach Sicherheit gesucht wird. "Diese Fragen sollte man mit Abstand und mit fachlicher Expertise diskutieren, anstatt schnellschussartig Vorschläge zu machen, die nur weiter verunsichern", betonte Psychotherapeut Dieter Best.
"Wir müssen verhindern, dass es nach den Fortschritten der letzten Jahre, wieder zu einer stärkeren Stigmatisierung psychisch kranker Menschen kommt", verdeutlicht Best. "Psychisch Kranken gegenüber sollte man sich nicht anders verhalten als körperlich Kranken. Es ist gut, dass zunehmend offen über Depressionen, Angststörungen und andere psychische Störungen berichtet und gesprochen wird. Für unsere Gesellschaft wäre es schlecht, wenn es zu einem Rückschlag käme", sagt Best heute.
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