Aufschwung auf breiter Front
(Freiburg) - Die mittelständische Industrie hat im ersten Halbjahr 2006 ein durchschnittliches Umsatzplus von 8,8 Prozent erreicht. Das ist der beste Wert seit sechs Jahren. Wichtig ist jetzt die Frage, wie ein so langer Aufschwung fortgeführt werden kann sagte Dr. Christoph Münzer, Hauptgeschäftsführer des Wirtschaftsbands Industrieller Unternehmen Baden e.V. (wvib), anlässlich der wvib-Sommer-Pressekonferenz. Insgesamt 420 Firmen haben sich an der Umfrage beteiligt. Im 60 Jahre alten Dienstleistungsverband wvib sind fast 1000 Unternehmen mit ca. 150.000 Arbeitsplätze zusammengeschlossen.
Das durchschnittliche Umsatzwachstum von 8,8 Prozent wird in einigen Branchen noch geschlagen. Die Elektrotechnik meldet 11,1 Prozent, die industrienahen Dienstleistungen/EDV und Feinmechanik/Optik 9 Prozent. Insgesamt liegt das Feld dicht beisammen, was für eine konjunkturelle Belebung auf breiter Front spricht. Drei Viertel (76,4 Prozent) der Unternehmen melden Umsatzwachstum im ersten Halbjahr 2006. Nur 17 Prozent melden Rückgänge.
Mit einem durchschnittlichen Zuwachs von 11,3 Prozent ist auch der Trend im Auftragseingang überauspositiv zu werten. Spitzenreiter sind die Elektrotechnik/Elektronik (12,7 Prozent), der mengenmäßig dominierende Maschinen- und Apparatebau (12,3 Prozent) und Feinmechanik/Optik (11,7 Prozent). Sogar der krisengeschüttelte Stahl- und Metallbau hat mit 9,6 Prozent ein schönes Plus. Fast 80 Prozent der Unternehmen melden Zuwächse, nur 14,3 Prozent melden Rückgang beim Neugeschäft. Das sind die besten Werte beim Auftragseingang seit Ende 2000. Die Unternehmen haben erfolgreiche Jahre hinter sich und die gute Stimmung in den exportstarken Industrien ist so stabil wie lange nicht. Das schlägt sich endlich auch in der Beschäftigung stärker nieder.
Insgesamt haben die wvib-Unternehmen durchschnittlich drei Mitarbeiter mehr eingestellt, was verbandsweit einen Zuwachs von fast 3.000neuen Arbeitsplätzen bedeutet. Am stärksten ist der Beschäftigungsaufbau in der Elektrotechnik/Elektronik mit durchschnittlich fünf zusätzlichen Mitarbeitern, unterdurchschnittlich liegen die industrienahen Dienstleistungen/EDV und Kunststoff/Gummi. Am schönsten ist: Über die Hälfte der Unternehmen haben in der ersten Jahreshälfte 2006 Stellen aufgebaut, 32 Prozent haben sich stabilisiert, nur 17 Prozent haben Personal abgebaut. Das sind die besten Werte seit dem 1. Halbjahr 2001. In manchen Funktionen (Vertriebsingenieure mit Fremdsprachenkenntnissen, Qualitätsfachleute) oder Regionen (motivierte Auszubildende in Metallberufen im Bereich Schwarzwald, Baar, Heuberg) ist der Arbeitsmarkt schon lange angespannt.
Auch die Kapazitätsauslastung passt zur konjunkturell angespannten Lage. 16 Prozent verzeichnen Auftragsspitzen, knapp 70 Prozent sind voll ausgelastet, nur 14,3 Prozent sind unterausgelastet. Auch hier sind die Werte überraschend gleichmäßig über alle Branchen verteilt. Der am meisten nach vorne stürmende Bereich Elektrotechnik/Elektronik fährt fast zu einem Viertel aller Betriebe Überauslastung, 70 Prozent sind voll ausgelastet, nur 6,8 Prozent klagen über Unterauslastung. Auch das sind die besten Werte seit dem 2. Halbjahr 2000.
Entsprechend wurden neue Kapazitäten aufgebaut. Der Mix von bereits durchgeführten (43 Prozent) und zusätzlichen (12,6 Prozent) Überstunden, Werkbankaufbau (15,5 Prozent), Schichtaufbau (13,8 Prozent) macht deutlich, dass die wvib-Unternehmer an stabiles, nachhaltiges Wachstum (vor allem in neuen und angestammten Exportmärkten) glauben.
Zumindest unter Konjunkturfachleuten gilt: Kein Himmel ohne Wölkchen. Die Investitionstätigkeit hat ihren Gipfel überschritten. Nach den ersten 6 Monaten wollen noch immer 26 Prozent aller Unternehmen mehr investieren als Sie für 2006 geplant haben, 61 Prozent halten das sehr hohe Niveau, 12,4 Prozent reduzieren geplante Investitionen. Das sind noch immer gute Werte. Denn sie zeigen die positive Grundhaltung der Unternehmer. Wer in Deutschland investiert macht klar, dass er an die Zukunft seines Betriebs, die Qualität und Motivation seiner Mitarbeiter glaubt, sagte Dr. Münzer. An den Investitionen zeigt sich die Wettbewerbsfähigkeit eines Landes. Investiert wird stärker in den Bau, aber auch in Ersatz und Erweiterungen.
Ein gutes Viertel (27,6 Prozent) der Unternehmen bezeichnen ihre Ertragslage als gut, über die Hälfte (58,1 Prozent) als befriedigend, der Rest (14,3 Prozent) als unbefriedigend. Das sind gemessen an der eigenen Vergangenheit gute bist sehr guter Werte, heißt aber auch, dass jeder siebte Unternehmer nicht das erwirtschaftet, was er für Investitionen in neue Produkte oder Mitarbeiter zwingend braucht. Ähnlich zufrieden waren die Unternehmer mit ihrer Ertragslage zum letzten Mal im 2. Halbjahr 2000. Gemessen an der Ertragslage des europäischen, vor allem aber außereuropäischen Auslands sind unsere Werte noch immer eher unterdurchschnittlich.
Der sonnige Konjunkturhimmel droht einzutrüben. In die Erwartungen der Unternehmer an die Märkte mischt sich leichte Skepsis. Nach 49 Prozent zum Jahreswechsel rechnen jetzt nur noch 27 Prozent der wvib-Unternehmer damit, dass es zukünftig besser wird, 68 Prozent damit, dass die Lage gleich bleibt. Nur 4,8 Prozent erwarten für die Zukunft Verschlechterungen. Das sind natürlich noch immer tolle Werte, aber die Vorperiode war eben noch besser.
Fazit: Es geht für die meisten Unternehmen weiter nach oben. Seit zwei Jahren verzeichnen wir einen relativ nachhaltigen Aufschwung, wie wir ihn in dieser Solidität lange nicht hatten. Die Unternehmen haben ihre Hausaufgaben in den Bereichen Technologie, Logistik und Prozessverbesserung gemacht, der Weltmarkt für Investitionsgüter wächst mit auch wieder in Deutschland selbst.
Die Rahmenbedingungen sind gut. Jetzt müssen wir dranbleiben: Subventionen streichen, die Fesseln des Arbeitsmarkt weiter lockern, die Sozialsysteme reformieren, uns bei der Steuerreform wieder an Prof. Kirchhoff erinnern, unsere Menschen entwickeln und qualifizieren, auf deren Eigeninitiative setzen.
wvib-Präsident, Peter Pfeiffer
Tue Gutes!
Meine Damen und Herren,
Als ich vor knapp vier Jahren das Amt des Präsidenten des wvib übernommen habe, war mir eines wichtig: Dass nicht nur die Zahlen stimmen, sondern dass es auch im Bereich Werte in unseren Betrieben stimmt. Das klingt natürlich immer etwas fromm und ich will Ihnen - als hart gesottene Medienmenschen natürlich keine tränenreiche Predigt fürs journalistische Sommerloch halten, aber ich will doch mal sehen, ob man beim weichen Thema Werte nicht etwas erreicht, wenn man hart bleibt.
Ich bleibe also dran beim Thema Werte und habe zwei Themen für Sie.
1. Unser wvib-Impuls-Leitbild für 1.000 Unternehmen und 150.000 Arbeitsplätze
2. Die Ergebnisse unserer aktuellen Umfrage zum Thema Werte, die wir zusammen mit Professor Dietz von der
Evangelischen Fachhochschule entworfen haben.
Impuls-Leitbild
Vor ca. einem Jahr haben wir gefragt, welche Unternehmen bereits Leitbilder, ausformulierte Visionen haben, werteorientiert führen und kommunizieren. Das Ergebnis war ermutigend. Über 300 Unternehmen hatten bereits etwas unternommen, viele davon schriftlich. Die zugesandten Materialien haben wir gesammelt und ausgewertet. Es liest sich so, als würden die Unternehmen sich alle gut kennen. Es gibt so etwas wie einen süddeutschen way of life in den Unternehmen. Dann haben wir gesagt, nun machen wir daraus ein komprimiertes Konzept, ein Impuls-Leitbild, ein Vorschlag zur Diskussion in den Unternehmen, ein typisches Beispiel für einen guten Betrieb.
Das Ziel: Auf nur zwei Seiten soll das Wesentliche stehen, auf Deutsch, für jeden verständlich, ohne Weihrauch. Als Verpflichtung und Selbstverpflichtung, ehrgeizig, aber ohne Überforderung. Ohne abgegriffene Gutmenschen-Rhetorik! Ohne Marketing-Hintergedanken!
Diese zwei Seiten sind in Zusammenarbeit mit vielen entstanden. Dr. Münzer und ich haben den ersten Entwurf gemacht. Die Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände in Berlin, das Walter-Eucken-Institut Freiburg, einige Unternehmensberater und Kommunikationsfachleute waren dabei, die Kirchen werden gerade angefragt. Natürlich haben wir auch den eigenen Sachverstand genutzt: wvib-Ehrenpräsidenten, die wvib-Gremien, Präsidium, Vorstand, Beirat haben diskutiert, umformuliert und den Entwurf als solchen verabschiedet.
Übrigens: Auch die 30 Mitarbeiter in der Geschäftsstelle haben den Text gelesen und kommentiert. Auch wvib-Hausmeister Kwasniok ist mit im Boot und freut sich darüber.
Diese Woche ging das Dokument an unsere 1.000 Mitgliedsfirmen heraus, mit der Bitte um Zuspruch oder Einspruch. In den nächsten Monaten werden wir den Entwurf intensiv in den 31 Chef-Erfa-Gruppen mit über 500 Unternehmensführern diskutieren. Unsere Arbeitskreise Personal werden eingebunden. Zum Schluss macht ein Journalist die Endredaktion und wir stellen das Papier auf unserer Hauptversammlung am 10. November in Baden-Baden im Rahmen einer prominent besetzten Podiumsdiskussion vor. So viel Mobilisierung zu diesem Thema haben wir noch nie erreicht. Und das ist gut so.
Was steht auf diesen zwei Seiten werden Sie sich fragen? Wir haben lange überlegt, ob wir es Ihnen heute vorstellen sollen. Geheim ist es eigentlich nicht mehr. Sie bekommen es natürlich - mit einer Bitte: Drucken Sie es nicht komplett ab und weisen Sie darauf hin, dass es ein Entwurf, ein living document ist, wie es im Brüsseler Amts-Englisch heißt. Es darf und soll bis zum 10.11. noch daran gefeilt werden.
Die Gedankenführung ist klar:
- Verantwortung braucht Freiheit im unternehmerischen Handeln. Freiheit zieht Verantwortung nach sich. Dies gilt für unsere Marktwirtschaft, dies gilt für jedes Unternehmen.
- Das Leistungsprinzip ist ein faires Prinzip.
Wir leben in einer Marktwirtschaft, nicht in einer Marktgesellschaft. Aber wer die Wirtschaft schwächt, wird die Gesellschaft nicht stärker.
- in gutes Unternehmen braucht eine klare Vision und Strategie.
In einer Welt des schnellen Wandels sind diejenigen Organisationen erfolgreich und glaubwürdig, die sich klare strategische Ziele setzen, offen und vertrauensvoll informieren und führen, transparent kontrollieren und gerecht entlohnen. Wenn der Beitrag jedes einzelnen zum Gesamtergebnis klar ist, kann er sich unternehmerisch besser verhalten.
- Motivierte Menschen führen zum Erfolg.
- Ein gutes Unternehmen braucht eine gute Führungsmannschaft. Wenn die Führung nicht stimmt, wenn sie in fachlicher und menschlicher Hinsicht keine hohen Ansprüche an sich stellt, dann kann sie keine Ansprüche an andere stellen. Ein gutes Unternehmen braucht leistungsfähige und engagierte Mitarbeiter, die mitdenken, mitarbeiten, mitfühlen. Ein gutes Unternehmen braucht Mitunternehmer, die sich darauf verlassen können, dass unternehmerische Erfolge und Misserfolge allen gehören und von allen geteilt werden.
- Werte sind wertvoll.
- Wir unterstützen Mut, Zivilcourage und Kreativität. Wir erwarten Ehrlichkeit, Fleiß, Leistungsbereitschaft, Engagement, Ordentlichkeit und Termintreue. Wir schätzen Bescheidenheit, Loyalität und Klarheit im Auftreten.
- Wir streben einen offenen und respektvollen Umgangston an, der berechtigte Kritik und beherrschte Gefühle zulässt und die Sache nicht aus den Augen verliert. Wir wollen Freude an der Arbeit ermöglichen, uns gegenseitig fordern und fördern. Fairness ist unser oberstes Gebot.
- Gewinn und Arbeitsplätze sind Ergebnis nicht Ziel, erfolgreichen Handelns.
- Wer Kunden zufrieden und Mitarbeiter dauerhaft stark macht, wird auch betriebswirtschaftlich nachhaltigen Erfolg haben.
- Ein gutes Unternehmen braucht ausreichend Gewinn, sonst kann es weder investieren noch auf Dauer überleben.
- Ein erfolgreiches Unternehmen bezahlt Steuern, Löhne und Gehälter, bildet aus und weiter, schafft Innovationen und Wohlstand, stiftet Sinn und Gemeinschaft. Erfolgreiche Unternehmen teilen ihren Erfolg mit ihrer nahen und fernen Umwelt. Je mehr erfolgreiche Unternehmen ein Land hat, desto besser für Fortschritt, Arbeitsmarkt und sozialen Zusammenhalt. Erfolgreiche Unternehmen sind der Kern der sozialen Marktwirtschaft.
Welche Werte interessieren die Menschen in den Unternehmen?
Diese Fragen haben wir in Zusammenarbeit mit der Evangelischen Fachhochschule, Professor Dietz, unseren Unternehmern gestellt.
Auf die Frage Werte in Gesellschaft und Wirtschaft haben 408 geantwortet.
Vertrauen (79,7 Prozent), Ehrlichkeit (78,9 Prozent), Fairness (65,7 Prozent) sind unsere Spitzenreiter. Soziale Verantwortung (62,7 Prozent), Menschwürde (44,6 Prozent) und Toleranz (39 Prozent) folgen nach mit deutlichem Abstand. Interessant ist: Umweltverantwortung (34,1 Prozent), Pünktlichkeit (30,9 Prozent), Freiheit (35,5 Prozent) schlägt Gleichheit (4,4 Prozent) um das neunfache. Es freut mich persönlich, dass die Mitarbeiter offenbar freiheitsliebender sind als die Politik dies oft denkt.
Auf die Frage, wie Werte intern gelebt bzw. am Standort des Unternehmens nach außen kommuniziert werden, antworten 407 Unternehmen wie folgt: (Anmerkung: Es konnten 5 Werte angekreuzt werden) Werte brauchen Beispiele. Und Beispiele können nur Vorbilder sein. Am guten Beispiel wollen sich 72,5 Prozent orientieren. Geschätzt werden Mitarbeiter-(Jahres)gespräche (65,4 Prozent), da es in vielen Unternehmen nicht immer leicht ist, dass sich Vorgesetzte für eine gute Stunde oder mehr mit der Entwicklung des Mitarbeiters zu befassen. Gut die Hälfte der Unternehmen haben ein schriftlich fixiertes Unternehmensleitbild (53,6 Prozent). 45,2 Prozent geben die Antwort, dass Werte auch in die Geschäftsbeziehungen einfließen, ähnlich viel sehen Veranstaltungen/Betriebsfeiern (43,7 Prozent) als Möglichkeit Werte zu dokumentieren. Ein gutes Drittel der Unternehmen (35,6 Prozent) fördern soziale Einrichtungen, ein knappes Viertel (22,6 Prozent) fördern den Sport. 15 Prozent kommunizieren Werte mit ihrer Produktwerbung. Danach folgen Engagement in Vereinen und Verbänden (13,5 Prozent) und die Förderung Bereich/Kultur (11,5 Prozent). Am Schluss rangiert die Förderung von Kirchen (5,2 Prozent), wohl weil man glaubt, dass mit der Kirchensteuer bereits ein Beitrag geleistet wurde.
Auf die Frage, welche Institutionen positive Werte heutzutage am glaubwürdigsten vermitteln, antworteten 391 Unternehmen.
Trotz aller Diskussion um den Werteverfall in der Familie macht der Klassiker Familie das Rennen mit 91,8 Prozent. Völlig abgeschlagen, aber immer noch überraschend die Kirchen mit knapp 50 Prozent. Kurz danach folgen die Unternehmen (45,8 Prozent), die Schulen und Bildungseinrichtungen (34,5 Prozent), dann die Verbände (33,2 Prozent), die Medien sorry (5,6 Prozent), der Staat/die Verwaltungen (1,3 Prozent) und zum Schluss folgen wenig überraschend Politik und Parteien (0,5 Prozent).
Aus meiner Sicht ist dies ein verheerendes, leider aber kein überraschendes Bild. Vertrauen haben die Institutionen, die etwas konkret gestalten können. Je abstrakter und allumfassender die Heilsbringer auftreten, natürlich mit Ausnahme der Kirche, desto weniger glaubt man ihnen. Die Politik, die vorgibt, dass sie für alles eine Lösung hat, hat sich als komplette Enttäuschung erwiesen. Erfreulich ist auch, dass Verbände eine relativ hohe Glaubwürdigkeit genießen. Ich führe dies darauf zurück, dass ausschließlich wvib-Unternehmen geantwortet haben.
Quelle und Kontaktadresse:
WVIB Wirtschaftsverband Industrieller Unternehmen in Baden e.V.
Dr. Christoph Münzer, Hauptgeschäftsführer
Merzhauser Str. 118, 79100 Freiburg
Telefon: (0761) 45670, Telefax: (0761) 4567599