Auch Verdächtige müssen anonymisiert werden / Presserat rügt zwei Fotoveröffentlichungen
(Bonn) - Auf seiner Sitzung am 27. September in Bonn rügte die Kammer 2 des Beschwerdeausschusses zwei Boulevardzeitungen wegen Persönlichkeitsrechtsverletzungen und vorverurteilender Berichterstattung. Die BILD-Zeitung erhielt eine öffentliche Rüge wegen einer Prozessberichterstattung mit der Überschrift "Kannibale grillte seine Cousine im Backofen". Diese Überschrift ist eine Tatsachenbehauptung. Da der mutmaßliche Täter noch nicht verurteilt ist, ist diese Vorverurteilung nicht akzeptabel. Die Kammer sah hier einen Verstoß gegen die Ziffer 13 des Pressekodex:
Die Berichterstattung über schwebende Ermittlungsverfahren, Strafverfahren und sonstige förmliche Verfahren muss frei von Vorurteilen erfolgen. Die Presse vermeidet deshalb vor Beginn und während der Dauer eines solchen Verfahrens in Darstellung und Überschrift jede präjudizierende Stellungnahme. Ein Verdächtiger darf vor einem gerichtlichen Urteil nicht als Schuldiger hingestellt werden. Über Entscheidungen von Gerichten soll nicht ohne schwerwiegende Rechtfertigungsgründe vor deren Bekanntgabe berichtet werden.
Zudem wurde ein Foto des vermeintlichen Täters veröffentlicht, auf dem er klar erkennbar ist. Dadurch wurden die Persönlichkeitsrechte des Betroffenen verletzt. Dies ist nach Ziffer 8 des Pressekodex nicht zulässig:
Die Presse achtet das Privatleben und die Intimsphäre des Menschen. Berührt jedoch das private Verhalten öffentliche Interessen, so kann es im Einzelfall in der Presse erörtert werden.[...]
Eine nicht-öffentliche Rüge, die aus Gründen des Opferschutzes nicht abgedruckt werden muss, erhielt die B.Z. (Berlin). Sie hatte in identifizierender Weise über eine Frau berichtet, die ihr Kind so geschüttelt hatte, dass es ins Koma fiel. Das Gesicht der Frau war auf dem Foto zwar mit einem Balken versehen, dennoch war sie für einen bestimmten Personenkreis identifizierbar. Auch hier sah die Kammer einen schwerwiegenden Verstoß gegen Ziffer 8 des Pressekodex.
Straftaten nicht in allen Details beschreiben – Presserat ruft zu zurückhaltender Berichterstattung auf
Der Presserat stellt in letzter Zeit eine Zunahme an Beschwerden über detaillierte Beschreibungen von Straftaten fest, bei denen es um eine unangemessen sensationelle Berichterstattung geht. So werden immer wieder Einzelheiten aus Geständnissen und Gerichtsprotokollen zu den furchtbarsten Verbrechen detailliert wiedergegeben. Auch in dieser Sitzung der Beschwerdekammer missbilligte der Presserat ein Wochenmagazin, das die Taten eines vierfachen Mörders in allen Einzelheiten beschrieb und zudem noch dessen grauenhafte Visionen wiedergab. In Ziffer 11 des Pressekodex heißt es:
Die Presse verzichtet auf eine unangemessen sensationelle Darstellung von Gewalt und Brutalität. Der Schutz der Jugend ist in der Berichterstattung zu berücksichtigen.
Der Presserat empfiehlt den Zeitungen und Zeitschriften, Einzelheiten aus Prozessen nur dann zu erwähnen, wenn dies für das Verständnis von Belang ist. Beschriebene Details von Vergewaltigungen, Morden und bei Kindesmissbrauch wirken häufig unangemessen sensationell.
Insgesamt behandelte die Kammer 40 Beschwerden. Neben einer öffentlichen und einer nicht-öffentlichen Rüge sprach die Kammer 14 Missbilligungen und sechs Hinweise aus. 14 Beschwerden wurden als unbegründet beurteilt, eine Beschwerde war nicht aufklärbar, da hier Aussage gegen Aussage stand. In drei Fällen hatten sich mehrere Beschwerdeführer gegen dieselbe Veröffentlichung gewandt.
Quelle und Kontaktadresse:
Deutscher Presserat
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