Auch nach Inkassoreform: Regelungen bieten keinen hinreichenden Verbraucherschutz
(Berlin) - Mehr als 12.000 Verbraucherbeschwerden sprechen für sich: Im Inkassorecht besteht weiterhin Handlungsbedarf. Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) hat gemeinsam mit weiteren Verbraucherverbänden überprüft, ob sich die neuen Regelungen seit der Inkassoreform im Jahr 2021 in der Praxis bewährt haben.
"Seit Januar 2022 wurden in den Verbraucherzentralen bundesweit über 12.000 Beschwerden zum Thema Inkasso erfasst. Die Inkassoreform hat nicht zu ausreichend verbraucherfreundlichen Regelungen geführt", sagt vzbv-Vorständin Ramona Pop. "Können Verbraucher:innen nicht sofort zahlen, werden sie schnell mit hohen Kosten konfrontiert. Darunter leiden insbesondere einkommensschwache und überschuldete Menschen."
Eine aktuelle Untersuchung der Praxis von Inkassounternehmen zeigt diverse Probleme auf. Bei einer stichprobenartigen Fallsammlung wurden etwa Inkassoschreiben mit erhöhten Kostensätzen gefunden. Ein Hinweis, dass eigentlich ein geringerer Kostensatz gelte, erfolgte mitunter in kleiner Schriftgröße oder auf einer anderen Seite des Schreibens. Auch kam es vor, dass auf einen möglichen geringeren Gesamtbetrag hingewiesen wurde, Verbraucher:innen diesen allerdings selbst ausrechnen mussten. Sehr kurze Zahlungsfristen waren ein weiteres Problem.
Ratenzahlungen nicht an nachteilige Bedingungen knüpfen
Besonders in der aktuellen Preiskrise kommt hinzu: Viele Verbraucher:innen können die Forderungen nur in Raten abzahlen. Dafür müssen sie aber Zugeständnisse machen, indem sie zum Beispiel ihre Lohnzahlung abtreten oder die Geldforderungen anerkennen. So können auch verjährte, unsichere oder unberechtigte Forderungen legitimiert werden.
"Ratenzahlungsvereinbarungen dürfen nicht an nachteilige Bedingungen gekoppelt werden", fordert Pop. Auch die Verbraucherschutzministerkonferenz stellte jüngst fest, dass die jetzige Regelung keinen wirksamen Verbraucherschutz gewährleisten könne.
Faire Kostenregelung für Inkasso gefordert
Der vzbv fordert das Bundesministerium der Justiz (BMJ) auf, klare Regelungen zu schaffen. "Es besteht zu viel Interpretationsspielraum, den Inkassounternehmen häufig zum Nachteil von Verbraucher:innen auslegen", sagt Pop.
Aus Sicht des vzbv muss das gesamte System reformiert werden. Bislang gibt es keinen eigenen Kostenrahmen für Inkasso. Stattdessen sind die Regelungen kompliziert und kaum verständlich für Verbraucher:innen. "Das Inkassorecht muss endlich fair und transparent gestaltet werden", sagt Pop. Um die Realisierung eines eigenen Kostenrahmens für Inkasso zu diskutieren, sollte das BMJ einen "Runden Tisch" mit den betroffenen Akteuren einberufen.
Methodik
Beschwerdestatistik: Ausgewertet wurden Beschwerden zum Thema Inkasso, die zwischen Januar 2022 und November 2023 erfasst wurden. Die Auswertungen der Beschwerdestatistik basieren auf der Vorgangserfassung aller 16 Verbraucherzentralen in den insgesamt rund 200 Beratungsstellen in Deutschland. Die Vorgangserfassung stellt die statistische Erfassung der Verbraucherkontakte im Beratungsalltag dar. Direkte Rückschlüsse auf die Häufigkeit des Vorkommens bestimmter Verbraucherprobleme in der Gesamtbevölkerung sind daraus jedoch nicht ableitbar.
Fallsammlung von Inkassoschreiben: Ausgewertet wurden 66 im Rahmen der Beratungstätigkeit eingegangene Inkassoschreiben, die von den Mitarbeiter:innen der Verbraucherzentralen als nach den Regelungen des Rechtsdienstleistungsgesetzes zu beanstandend eingestuft wurden. Die Inkassoschreiben stammen aus dem Zeitraum Dezember 2021 bis Mai 2023. Direkte Rückschlüsse auf die Häufigkeit des Vorkommens bei Inkassoschreiben sind daraus nicht ableitbar.
An der Stellungnahme beteiligte Verbraucherverbände:
Arbeitskreis InkassoWatch
Arbeitsgemeinschaft der Schuldnerberatungsstellen der Verbände
Bundesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung
Verbraucherzentrale Baden-Württemberg
Verbraucherzentrale Bayern
Verbraucherzentrale Bundesverband
Verbraucherzentrale Hessen
Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen
Verbraucherzentrale Schleswig-Holstein
Quelle und Kontaktadresse:
(vzbv) Verbraucherzentrale Bundesverband e.V.
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