"Asylrecht ist Teil des Völkerrechts" / Debatte muss sich auf Fluchtgründe konzentrieren
(Bonn) - Führende Flüchtlings- und Menschenrechtsorganisationen setzen mit einem gemeinsamen Memorandum ein positives Zeichen in der aktuellen Asyldebatte. Anlässlich der Vorstellung des Memorandums vor dem diesjährigen "Tag des Flüchtlings" erklärt Barbara Lochbihler, Generalsekretärin der deutschen Sektion von amnesty international, in Berlin: "Das Wort "Asyl" ist durch die Diskussionen der vergangenen Jahre in Europa zu einem negativ besetzten Begriff geworden. Hier wollen wir entgegenwirken: Asylrecht und Flüchtlingsschutz haben sich zu einem bedeutenden Teil präventiver Menschenrechtsarbeit entwickelt. Indem wir Asylsuchenden und Flüchtlingen Schutz gewähren, verhindern wir in vielen Fällen, dass sie Opfer von Menschenrechtsverletzungen werden. Dieser Schutz darf auf keinen Fall durch Quoten begrenzt werden."
Die meisten Asylsuchenden im ersten Halbjahr 2000 kamen aus Jugoslawien, dem Irak, der Türkei, Afghanistan und Iran. Amnesty international hat im Jahresbericht 2000 ausführlich die zum Teil dramatische Menschenrechtssituation in diesen Ländern aufgezeigt. Das gilt auch für die in der Statistik der Asylsuchenden folgenden Staaten Russland und Syrien. "Natürlich gibt es aus allen diesen Ländern auch Asylsuchende, die nicht die Flüchtlingskriterien erfüllen. Aber die Menschenrechtssituation in diesen Ländern stellt nach wie vor einen wichtigen Fluchtgrund dar", macht Barbara Lochbihler deutlich.
Reinhard Marx, Rechtsanwalt und Autor des Memorandums, ergänzt: "Flüchtlingsschutz ist ein integraler Bestandteil des universellen Menschenrechtsschutzes. Asylrecht ist ein Teil des Völkerrechts." Er erinnert an die Entwicklung des Flüchtlingsschutzes in den vergangenen 50 Jahren. Die Genfer Flüchtlingskonvention verbietet die Abschiebung, Ausweisung, Zurückweisung und Auslieferung von Flüchtlingen: "Dieses Verbot gilt auch für Asylsuchende, solange nicht in einem fairen Verfahren festgestellt worden ist, dass sie die Flüchtlingseigenschaft nicht erfüllen. Im internationalen Flüchtlingsrecht ist darüber hinaus mittlerweile auch anerkannt, dass abgelehnte Asylsuchende gegen die Ablehnung Rechtsmittel bei einer zweiten Instanz, die von der ersten unabhängig sein soll, einlegen können." Erfüllen Asylsuchende die Flüchtlingseigenschaft, dann steht ihnen Abschiebungsschutz zu. "Die jüngsten Überlegungen, den Rechtsschutz von Asylsuchenden in der Bundesrepublik abzuschaffen und durch eine Gnadenregelung zu ersetzen, sind mit internationalem Flüchtlingsrecht nicht vereinbar."
Angesichts der jüngsten Debatten warnt Barbara Lochbihler: "Eine undifferenzierte Verknüpfung mit dem Thema Einwanderung fördert populistische Tendenzen. Hier wollen wir entgegenwirken. Es geht nicht an, die Asyldebatte weiterhin unter dem Gesichtspunkt der Abwehr von und der Abschottung gegenüber Flüchtlingen und Asylsuchenden zu führen. Die Debatte muss sich wieder auf die Fluchtgründe konzentrieren."
Die Unterzeichner des Memorandums, amnesty international, Arbeiterwohlfahrt, Deutscher Anwaltverein, Diakonisches Werk, Deutscher Caritasverband, Deutscher Gewerkschaftsbund, Deutsches Rotes Kreuz, Neue Richtervereinigung, Paritätischer Wohlfahrtsverband und Pro Asyl, haben sich zu einem losen Aktionsbündnis zusammengeschlossen. Sie werden das gemeinsame Memorandum unter anderem der Zuwanderungskommission der Bundesregierung unter Vorsitz von Rita Süssmuth übergeben. In mehreren regionalen Konferenzen in den kommenden Monaten und in einer großen Tagung in Berlin zum 50. Jahrestag der Genfer Flüchtlingskonvention am 28. Juli 2001 wollen sie eine breite Öffentlichkeit für die Thematik sensibilisieren.
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amnesty international
Bonn
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