Aserbaidschan: Regierung bringt vor Europaspielen kritische Stimmen zum Schweigen - Amnesty-Mitarbeitern wird Einreise verweigert / Amnesty-Kurzbericht belegt Verfolgung und Folter von Journalisten, Politikern, Anwälten und Aktivisten
(Berlin) - In letzter Minute musste Amnesty International eine für den morgigen Donnerstag in Baku geplante Pressekonferenz zur Vorstellung eines Kurzberichts absagen. Die aserbaidschanischen Behörden teilten der Organisation mit, dass sie zum derzeitigen Zeitpunkt "eine Mission Amnesty Internationals nicht empfangen" könnten.
"Die entlarvende Reaktion der aserbaidschanischen Behörden dokumentiert einmal mehr das aggressive Vorgehen der Regierung gegen jegliche Kritik und bezeugt ihr verzweifeltes Bemühen, Aserbaidschan vor den Spielen zu einer kritik-freien Zone zu machen", sagt Marie Lucas, Aserbaidschan-Expertin von Amnesty International in Deutschland. "Präsident Alijew will die Europaspiele nutzen, um das Image Aserbaidschans aufzupolieren. Kritik an Menschenrechtsverletzungen im Land ist da unerwünscht."
Die systematische Unterdrückung der Zivilgesellschaft im Vorfeld der Europaspiele trübt die Hoffnung auf eine positive Wirkung der Spiele für die Menschenrechte im Austragungsland Aserbaidschan. "Es ist ein Rätsel, wie das Vorgehen der aserbaidschanischen Behörden mit den Zielen der Olympischen Charta, den Sport in den Dienst einer harmonischen Gesellschaft sowie der Pressefreiheit und der Achtung der Menschenwürde zu stellen, vereinbar ist. Diese Spiele werden nicht zu einer Stärkung der olympischen Werte führen. Sie werden im Gegenteil autoritäre Regierungen weltweit dazu ermutigen, mit der Austragung solcher sportlicher Großereignisse internationales Prestige und Anerkennung zu gewinnen", warnt Lucas.
Der aktuelle Kurzbericht Azerbaijan - The Repression Games dokumentiert die Drangsalierung, willkürliche Inhaftierung und Folter von Journalisten, Menschenrechtsverteidigern, Oppositionellen und Jugendaktivisten. Mindestens 20 gewaltlose politische Gefangene befinden sich derzeit in aserbaidschanischen Gefängnissen, nur weil sie auf friedliche Weise ihr Recht auf Meinungsfreiheit ausgeübt haben. In dem Versuch, kritische Stimmen mundtot zu machen, bedienen sich die aserbaidschanischen Behörden regelmäßig konstruierter Anschuldigungen und verurteilen Regierungskritiker in unfairen Verfahren zu langjährigen Haftstrafen. Aktivisten berichten zudem von Folter mit dem Ziel, falsche Geständnisse zu erpressen. Wer noch nicht verhaftet wurde, ist aus dem Land geflohen oder schweigt aus Angst vor Repressalien. Unabhängige Medien müssen ihre Arbeit einstellen, wie zuletzt der aserbaidschanische Zweig des Senders Radio Free Europe / Radio Liberty. Zeitungen und Fernsehsender sind im Besitz oder unter Kontrolle der Regierung und werden von den Behörden für Hetzkampagnen gegen Kritiker genutzt.
"Amnesty International ruft die aserbaidschanische Regierung dazu auf, alle gewaltlosen politischen Gefangenen freizulassen und die Rechte auf Meinungs-, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit zu garantieren. Die internationale Gemeinschaft einschließlich des Europäischen Olympischen Komitees und der deutschen Regierung müssen von den aserbaidschanischen Behörden endlich und unmissverständlich ein Ende der Menschenrechtsverletzungen einfordern", so Lucas. "Das Europäische Olympische Komitee und die internationale Gemeinschaft haben es versäumt, sich für diejenigen einzusetzen, die in Aserbaidschan noch den Mut haben, ihre Stimme zu erheben. Dieses Stillschweigen ebnet Präsident Alijew den Weg, die kritische Zivilgesellschaft nach und nach zu zerstören."
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