Arme bezahlen Regelsatzerhöhung selbst
(Berlin) - "Der Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Ermittlung der Regelsätze bei Hartz IV räumt den Verdacht nicht aus, dass es sich um eine politisch willkürliche Berechnung handelt und nicht primär um die vom Bundesverfassungsgericht geforderte Sicherung eines menschenwürdigen Existenzminimums." Dies erklärte der Präsident des Sozial- und Wohlfahrtsverbandes Volkssolidarität, Prof. Dr. Gunnar Winkler, am Freitag (3. Dezember 2010).
"Die Erhöhung des Regelsatzes für die Grundsicherung von 359 auf 364 Euro vermeidet weder Armut noch stärkt sie die Kaufkraft von Langzeitarbeitslosen. Es bleiben erhebliche Zweifel, dass das von der Bundesregierung vorgelegte Ergebnis den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichtsurteils vom 9. Februar 2010 genügt. Im Übrigen ist diese Erhöhung auch keine großzügige Wohltat. Denn der Bundeshauhalt sieht im Hartz-IV-Bereich höhere Einsparungen vor, als für die Regelsatzerhöhung und das Bildungspaket aufgewendet werden sollen. Unter dem Strich spart der Bundesfinanzminister 2011 bei den Ärmsten sogar noch über drei Milliarden Euro ein."
Winkler verwies darauf, dass schon der 7. Existenzminimumsbericht der Bundesregierung 2008 für 2010 einen Betrag von 364 Euro vorsah. Mit einer trickreichen Methodik komme man nun zum gleichen Ergebnis. Dies könne kein Zufall sein. Der Regelsatz werde heruntergerechnet, indem man die Bezugsgruppe auf die ärmsten 15 Prozent der Einkommensbezieher schrumpft, so genannte Aufstocker und verdeckt Arme nicht konsequent herausrechnet und teilweise willkürlich Bedarfsgruppen eliminiert oder kürzt. Im Ergebnis liegt der Regelsatz für Erwachsene mindestens um 50 bis 70 Euro zu niedrig.
Auch die Ermittlung der Regelsätze für Kinder, die nicht angehoben werden, sei als nicht hinreichend transparent einzuschätzen.
Das Bildungspaket für Kinder und Jugendliche sei ein Schritt in die richtige Richtung, betonte der Verbandspräsident. "Dabei darf man aber nicht stehen bleiben. Das Bildungspaket greift in vielen Fällen zu kurz, um für alle Kinder und Jugendlichen wirklich gleiche Chancen zu sichern. Die Einführung von Gutscheinen ist mit einem hohen Verwaltungsaufwand verbunden und kein Vertrauensbeweis für Eltern. Vor allem brauchen wir mehr Ganztagsbetreuung in Kitas und Schulen. Wir wollen, dass alle Kinder und Jugendlichen - egal, ob sie am Bodensee oder auf Rügen leben - beste Chancen für ihre Entwicklung erhalten. Die Volkssolidarität unterstützt nach wie vor den Vorschlag des PARITÄTISCHEN Gesamtverbandes, im SGB VIII einen individuellen Rechtsanspruch auf Förderung in der Kinder- und Jugendhilfe zu verankern, der auch die Nutzung von Kultur-, Sport- und Freizeitangeboten einschließt.
Dazu müssen Bund, Länder und Kommunen gemeinsam entsprechende Verbesserungen in der lokalen Infrastruktur ermöglichen, damit dieser Rechtsanspruch eingelöst werden kann. Ferner dürfen die Jobcenter nicht in Aufgabenbereiche gedrängt werden, für die die Kinder- und Jugendhilfe originär zuständig und fachlich kompetent ist."
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