AOK zu Digitalgesetzen: Lob für grundsätzliche Weichenstellungen, Kritik im Detail
(Berlin) - Anlässlich der Anhörung zu den beiden Digitalgesetzen im Gesundheitsausschuss hat der AOK-Bundesverband die "Schlüsselrolle" der elektronischen Patientenakte (ePA) betont und die Pläne zur systematischen und effektiven Nutzung von Gesundheitsdaten ausdrücklich begrüßt. Die Gesetzentwürfe der Ampel enthalten aus Sicht der AOK wichtige Weichenstellungen für die Digitalisierung des Gesundheitswesens, sind allerdings im Detail noch an zahlreichen Stellen nachzubessern.
Der Ausbau der ePA zur zentralen Versichertenplattform ermögliche den Versicherten einen transparenten Zugang zu den eigenen Gesundheitsdaten und erleichtere den behandelnden Ärztinnen und Ärzten den digitalen Austausch behandlungsrelevanter Informationen, betont Jens Martin Hoyer, stellvertretender Vorstandsvorsitzender des AOK-Bundesverbandes und Teilnehmer der morgigen Anhörung. "Damit können Behandlungsprozesse stärker aufeinander abgestimmt und belastende Mehrfachuntersuchungen vermieden werden", so Hoyer. Allerdings sollte aus Effizienzgründen künftig auf die doppelte Speicherung von Notfalldaten in der ePA und auf der elektronischen Gesundheitsakte (eGK) verzichtet werden. Schon heute werde von der Speichermöglichkeit auf der eGK kaum Gebrauch gemacht.
Als "folgerichtig" begrüßt die AOK, dass das Gesetz zur Beschleunigung der Digitalisierung des Gesundheitswesens (DigiG) auch die Übertragung der ePA beim Kassenwechsel regelt. "So kann die die Krankengeschichte ohne Brüche über den Lebensverlauf hinweg abgebildet werden", lobt Hoyer. Ähnliche Vorgaben sollten allerdings auch für die Übermittlung vorliegender Widerspruchsbekundungen zwischen den Krankenkassen geschaffen werden. "Sonst werden unnötige Hürden für diejenigen geschaffen, die von ihrem Opt-Out-Recht bei der ePA Gebrauch machen wollen", so Hoyer.
Kritik an DiGA-Erweiterung auf höhere Risikoklassen
Der AOK-Bundesverband befürwortet zudem die mit dem DigiG geplante Aufhebung der bestehenden pauschalen Begrenzung für ärztliche Videosprechstunden. Der damit verbundene Auftrag an den Bewertungsausschuss zur Definition von Regeln und Rahmenbedingungen könne die Inanspruchnahme der digitalen ärztlichen Versorgung für Patientinnen und Patienten vereinfachen und gleichzeitig die nötige Qualität und Kontinuität der Versorgung sicherstellen. Kritisch sieht der Verband die Pläne zur Erweiterung des Leistungsanspruches bei den Digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGAs): Die Ausweitung auf höhere Risikoklassen sei im Sinne des Patientenschutzes "nicht zu verantworten", kritisiert Jens Martin Hoyer. Die vorgesehene Regelung berge zudem ein enormes Kostenrisiko für die gesetzlichen Krankenkassen, ohne dass ein äquivalenter Nutzennachweis im Vergleich zur Standardtherapie vorgesehen sei. Die AOK fordert zudem eine grundsätzliche Reform der Preisbildung der DiGAs. Künftig sollten Preisverhandlungen direkt bei Markteintritt stattfinden. "Die freie Preisbildung führt gegenwärtig zu einem enormen Missverhältnis zwischen Innovation und Wirtschaftlichkeit in der Versorgung und ist für die GKV mit einem hohen Ausfallrisiko bei eintretender Insolvenz der Hersteller verbunden", so Hoyer.
AOK begrüßt erweiterte Möglichkeiten zur Datennutzung für Kassen
In seiner Stellungnahme zum Gesetz zur verbesserten Nutzung von Gesundheitsdaten (GDNG) begrüßt der AOK-Bundesverband vor allem die Möglichkeit für Krankenkassen, datengestützte Auswertungen zum individuellen Gesundheitsschutz und zur Verbesserung der Versorgung vorzunehmen und ihre Versicherten auf dieser Basis individuell anzusprechen. "Krankenkassen verfügen zum Beispiel über Informationen zu allen Arzneimitteln, die von unterschiedlichen Leistungserbringern verordnet werden. Auf Basis dieser Daten können wir unsere Versicherten auf mögliche schwerwiegende Wechselwirkungen hinweisen", so Hoyer. Neben Krankheitsrisiken lasse sich auf Basis der vorhandenen Daten auch das Eintrittsrisiko von Pflegebedürftigkeit auswerten und für zielgerichtete Informationen nutzen.
Auch die vorgesehen Regelungen zur Verknüpfung von Daten aus dem geplanten Forschungsdatenzentrum mit jenen aus den Krebsregistern werden von der AOK ausdrücklich befürwortet. "Diese Zusammenführung der Daten kann einen wichtigen Beitrag zur Erforschung und Entwicklung neuer Therapieformen bei Krebserkrankungen leisten", betont AOK-Vorstand Jens Martin Hoyer.
Bereitstellung von Daten für kommerzielle Forschung kann Vertrauen gefährden
An anderen Stellen hält die AOK-Gemeinschaft substanzielle Nachbesserungen im GDNG-Entwurf für nötig. Das gilt zum Beispiel für die Vorabübermittlung der Kassendaten für den Forschungsdatensatz. "Sie bedeuten in erster Linie ein deutliches Mehr an bürokratischem Aufwand für die Kassen, ohne im Gegenzug einen äquivalenten Nutzen zu bieten", kritisiert Hoyer. Zudem sollte es aus Sicht der AOK keine uneingeschränkte Öffnung des Nutzerkreises für die Daten des Forschungsdatenzentrums geben, um die Privilegierung der wissenschaftlichen Forschung zu erhalten. Insbesondere die mögliche Bereitstellung von Daten für die kommerzielle Forschung sehe die AOK kritisch, betont Hoyer. "Sie kann das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Digitalisierung des Gesundheitswesens gefährden."
Quelle und Kontaktadresse:
AOK - Bundesverband
Dr. Kai Behrens, Pressesprecher
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