AOK legt Sofortprogramm 2025 vor: Effizienzreserven von bis zu 35 Milliarden Euro bei Gesundheit und Pflege
(Berlin) - Drei Tage nach der Bundestagswahl schlägt die AOK ein Sofortprogramm zur Stabilisierung der Finanzen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und der Sozialen Pflegeversicherung (SPV) vor. In einem Papier mit dem Titel „Stabile Finanzen für Gesundheit und Pflege – jetzt!“ fordert der AOK-Bundesverband eine Rückbesinnung auf den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit. Die künftige Bundesregierung müsse den weiteren Anstieg der Ausgaben dringend abbremsen und wieder an die Einnahmeentwicklung koppeln. Dazu seien eine Reihe von Maßnahmen für mehr Effizienz noch in diesem Jahr anzustoßen und umzusetzen, damit sie im Laufe der Legislaturperiode noch spürbar Wirkung entfalten können. Die kurzfristig umsetzbaren Finanzierungs- und Sparvorschläge für beide Versicherungszweige haben ein Gesamtvolumen von bis zu 35 Milliarden Euro.
Mit Blick auf allgemein enger werdende Verteilungsspielräume, die stark gestiegenen Beitragssätze zum Jahreswechsel, das aktuelle GKV-Defizit von über sechs Milliarden Euro zum vierten Quartal 2024 sowie die weiterhin angespannte Finanzsituation der SPV trotz Beitragssatzsteigerung betont die Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes, Dr. Carola Reimann: „Die neue Regierung darf das nicht einfach so weiterlaufen lassen, sie muss jetzt gleich aktiv werden. Der Handlungsdruck ist inzwischen gewaltig, wir dürfen keine Zeit verlieren. Was wir brauchen, ist ein schnell wirksames Maßnahmenpaket, damit GKV und SPV finanziell wieder Boden unter den Füßen bekommen. Mögliche Stellschrauben haben wir in unserem Papier aufgelistet.“
Neben strukturellen Reformmaßnahmen wie einer konsequenten Umsetzung der Krankenhausreform sowie dem Nachholen einer Reform der Notfallversorgung enthält das Papier in Bezug auf die Einnahmeseite Forderungen wie die Refinanzierung von kostendeckenden Beitragspauschalen für Bürgergeldbeziehende in der Gesundheitsversorgung (10 Milliarden Euro). Für den Pflegebereich werden die Dynamisierung des Bundesbeitrags, eine Rückerstattung von Pandemiekosten und die Übernahme der Ausbildungsumlage gefordert (9,75 Milliarden Euro).
Zielgenauigkeit des Risikostrukturausgleichs erhöhen
Als „dringend angezeigt“ stuft die AOK-Gemeinschaft auch die Weiterentwicklung des Risikostrukturausgleiches (RSA) zwischen den Krankenkassen ein. Dessen Zielgenauigkeit müsse unbedingt erhöht werden, die Überdeckung von gesunden Versicherten einerseits und die Unterdeckung vulnerabler Gruppen andererseits müssten weiter abgebaut werden, damit wirtschaftlich handelnde Krankenkassen bedarfsgerechte Versorgungsangebote bereitstellen können.
Auf der Ausgabenseite sieht die Gesundheitskasse kurz- bis mittelfristige Effizienzreserven von rund 14 Milliarden Euro. Den größten Hebel bieten Maßnahmen im Arzneimittelbereich wie die Absenkung der Mehrwertsteuer auf Arzneimittel von 19 auf 7 Prozent (7 Milliarden Euro) sowie die Anhebung des allgemeinen Herstellerrabatts von 7 auf 16 Prozent (1,8 Milliarden Euro). Zusammen mit anderen Maßnahmen wie der Streichung der Umlage für pharmazeutische Dienstleistungen (150 Millionen Euro), der Rückwirkung des AMNOG-Erstattungspreises ab Marktzugang (100 Millionen Euro) oder Einsparungen im Hilfsmittelsektor (600 Millionen Euro) schlummert hier ein Effizienzpotential von über 9,7 Milliarden Euro.
Sparpotenzial von rund 3,5 Milliarden Euro im Krankenhausbereich
Für den stationären Bereich hat die AOK ein mögliches Sparvolumen von rund 3,5 Milliarden Euro errechnet. Dies könnte unter anderem über die Aufhebung von Prüfquoten bei Krankenhausabrechnungen beziehungsweise über eine bundeseinheitliche Prüfquote (1,1 Milliarden Euro), die Beendigung von Doppelfinanzierungen bei Pflegebudgets (500 Millionen) sowie die Aufhebung der automatischen vollen Tarifrefinanzierung für Personal (500 Millionen Euro) erzielt werden.
Reimann: Honorargeschenke ohne Versorgungs-Mehrwert zurücknehmen
Für den ambulanten Bereich regt die AOK die Rücknahme der Entbudgetierung der hausärztlichen Vergütung (500 Millionen Euro) sowie der kinderärztlichen Honorare (270 Millionen Euro) an, außerdem die Streichung der Zuschläge für Terminvermittlung (150 Millionen Euro). „Gerade die Honorargeschenke, die vor der Wahl an die Ärzteschaft gemacht worden sind, schaffen keinerlei Mehrwert für die Versorgung. Niemand wird dadurch besser oder schneller behandelt. Daher fordern wir eine Rücknahme dieser Maßnahmen, die mit der aktuellen Finanzsituation der GKV einfach nicht zusammenpassen“, so AOK-Vorständin Carola Reimann. „Auf der anderen Seite müssen die immer wieder versprochenen, aber nie umgesetzten Entlastungen der GKV und der SPV von versicherungsfremden Leistungen jetzt endlich umgesetzt werden, um kurzfristig die Einnahmen zu erhöhen.“
Neben den kurzfristig greifenden Maßnahmen des Sofortprogramms hat die AOK-Gemeinschaft bereits Anfang Januar ein umfassendes Positionspapier veröffentlicht, das zahlreiche Vorschläge zur Weiterentwicklung und finanziellen Stabilisierung von Gesundheitsversorgung und Pflege in der neuen Legislaturperiode enthält.
Quelle und Kontaktadresse:
AOK - Bundesverband, Kai Behrens, Pressesprecher(in), Rosenthaler Str. 31, 10178 Berlin, Telefon: 030 34646-0