Pressemitteilung | Deutscher Bühnenverein - Bundesverband der Theater und Orchester

Angespannte Finanzlage / Über Lohnerhöhungen am Theater

(Köln) - Die angespannte Situation der Theater und Orchester vor allem in den neuen Bundesländern führt immer wieder zu einer Debatte über die Personalkosten an den deutschen Bühnen. Insbesondere durch die regelmäßigen tariflichen Lohnerhöhungen stoßen die Theater und Orchester zunehmend an ihre finanziellen Grenzen. Im Folgenden sollen deshalb einige grundlegende Aspekte dieses Themas erläutert werden, deren Kenntnis für eine fundierte Diskussion wichtig ist.

Wie entstehen Lohnerhöhungen für nichtkünstlerisches und künstlerisches Personal?

Die Verpflichtung, Lohnerhöhungen zu zahlen, ergibt sich bei öffentlichen Theaterbetrieben daraus, dass sie Teil des öffentlichen Dienstes sind. Die nichtkünstlerischen Mitarbeiter (also Techniker, Verwaltung etc.) sind städtische Angestellte oder Landesbedienstete, für die automatisch die mit ver.di vereinbarten Tariferhöhungen des öffentlichen Dienstes gelten. Auch bei einer Änderung der Rechtsform, z.B. in eine GmbH, besteht diese Verpflichtung durch sogenannte Überleitungsvereinbarungen in der Regel fort (vgl. Theaterbrief 2/2002 unter www.buehnenverein.de).

Der Bühnenverein hat mit den Künstlergewerkschaften (GDBA, VdO, DOV) Tarifvereinbarungen abgeschlossen, dementsprechend die Lohnerhöhungen des öffentlichen Dienstes sinngemäß auf die künstlerischen Mitarbeiter zu übertragen sind. Aus dieser Anpassungsklausel folgt, dass Künstler die gleiche Lohnerhöhung wie die nichtkünstlerischen Mitarbeiter erhalten. Als Grund für diese Entscheidung galt und gilt immer noch die Überlegung: Künstler, die das Theater nach außen prägen, dürfen nicht schlechter behandelt werden als die nichtkünstlerischen Mitarbeiter im gleichen Betrieb.


Wie wurden die Lohnerhöhungen bis jetzt ausgeglichen?

Früher stiegen die öffentlichen Zuschüsse im gleichen Maße wie die vereinbarten Tariferhöhungen. Die schwierige Haushaltslage der Träger, also der Länder und Städte, führt heute dazu, dass die Lohnsteigerungen vielerorts nicht mehr durch eine Erhöhung der öffentlichen Zuschüsse aufgefangen werden können. Die Zuschüsse werden also auf dem gleichen Niveau belassen oder sogar heruntergefahren. Sie bleiben dadurch hinter den Kostensteigerungen zurück. Die meisten Theater haben solche Kürzungen der Zuschüsse bisher durch betriebsinterne Maßnahmen auffangen können. Einerseits wurde eine Kostensenkung durch Abbau von ca. 5.600 Arbeitsplätzen und Reduzierung von Vorstellungen erreicht. Aber auch die Steigerung der Eigeneinnahmen durch Einführung moderner betriebswirtschaftlicher Strukturen hat zu einer Finanzierung der Lohnerhöhungen beigetragen. Schließlich haben die vom Bühnenverein mittlerweile durchgeführten Reformen der von ihm verhandelten Künstlertarifverträge, in denen die Arbeitsbedingungen der künstlerischen Mitarbeiter geregelt werden, ihren Beitrag zur Kostendämpfung geleistet.

Insbesondere für kleine und mittlere Theater in den neuen Bundesländern reichten diese Maßnahmen jedoch nicht aus. Daher haben Bühnenverein und Künstlergewerkschaften bisher über 60 Haustarifverträge abgeschlossen, mit denen die Mitarbeiter ganz oder teilweise auf das 13. Monatsgehalt über mehrere Jahre verzichteten. Die abgeschlossenen Haustarifverträge dienten dem Zweck, die oben bereits erwähnten Strukturveränderungen in einem einigermaßen planungssicheren Zeitraum durchführen zu können. In Einzelfällen haben die Theaterträger mit ver.di für das nichtkünstlerische Personal ähnliche Tarifverträge abgeschlossen. Dies ging jedoch regelmäßig mit einer Verkürzung der wöchentlichen Arbeitszeit einher. Hinzu kam eine Bestandssicherung dahingehend, dass betriebsbedingte Kündigungen der Arbeitsverhältnisse ausgeschlossen wurden.

Weitere Kostensenkungen sind jedoch bei gleichbleibender Qualität der Produktionen an vielen Bühnen kaum mehr möglich, und auch die Steigerung der Eigeneinnahmen stößt vielerorts an ihre Grenzen. Wie sich tarifliche Lohnerhöhungen für Theater und Orchester auswirken, verdeutlicht in diesem Zusammenhang ein Rechenbeispiel: Um eine einprozentige Lohnerhöhung im Theater auszugleichen, ist eine Erhöhung der Eigeneinnahmen um etwa fünf Prozent nötig. Bei einer regelmäßigen, eher zu gering angenommenen Lohnerhöhung von zwei Prozent müssten also die Eigeneinnahmen jährlich um 10 Prozent gesteigert werden. Eine solche Steigerung ist aus eigener Kraft nicht zu verwirklichen.


Wie können Lohnerhöhungen auch in Zukunft finanziert werden?

Lohnerhöhungen für Theater-Mitarbeiter wird es auch zukünftig geben müssen. Andernfalls wird sich die Qualität der hochspezialisierten Theater- und Orche-stermitarbeiter nicht sichern lassen. Fraglich ist, wie die Lohnerhöhungen finanziert werden können. Die oben skizzierten Probleme zeigen, dass das jetzige System auf Dauer nicht ohne tiefgreifende Veränderungen der Theaterlandschaft beibehalten werden kann. Für eine Umgestaltung kommen verschiedene tarifliche Szenarien in Betracht. Die Verwirklichung der hier dargestellten Varianten hängt allerdings von der Zustimmung der Arbeitnehmerseite ab.


Variante 1: Haustarifverträge mit Streichung von 13. Monatsgehalt und Urlaubsgeld

Gefährdete Bühnen schließen weiterhin Haustarifverträge mit Übergangscharakter ab. In diesen werden als direkte Einsparmaßnahmen tarifliche Zuwendungen wie Urlaubsgeld oder 13. Monatsgehalt gestrichen. Nach Auslaufen des Vertrages werden jedoch wieder die vollen Vergütungen gezahlt. Die Zwischenzeit wird zu strukturell verbessernden Maßnahmen genutzt. Bleiben solche Maßnahmen aus, sind gerade kleine und mittlere Theater nicht in der Lage, wieder in die vollen Vergütungssätze einzusteigen. So haben beispielsweise mehrere Haustarifverträge, die der Deutsche Bühnenverein für Theater im Land Brandenburg abgeschlossen hat, nicht zu einer dauerhaften Lösung der dort bestehenden Probleme beitragen können.
Diese Variante hat daher letztlich nur Aufschubcharakter.


Variante 2: Haustarifverträge mit Aussetzung der Lohnerhöhung

Eine weitere Variante ist ein Haustarifvertrag, bei dem die Lohnerhöhungen ausgesetzt werden. Hierbei gibt es zum einen nach dem Auslaufen des Haustarifvertrages nach einigen Jahren die Möglichkeit, auf Basis des "eingefrorenen" Gehalts wieder mit den aktuellen Tariferhöhungen einzusteigen. Dies hätte jedoch zur Folge, dass das Theater sein bisheriges Gehaltsniveau absenkt, gegebenenfalls sich sogar vom bundesweiten Gehaltsgefüge abkoppelt. Eine Lösung ist dies also nur für Theater, die zu der Erkenntnis kommen, dass ihre Vergütungen angesichts der wirtschaftlichen Leistungskraft der Träger dauerhaft zu hoch sind.

Die Alternative ist das vollständige Nachholen der ausgesetzten Erhöhung mit der Konsequenz, dass die Vergütungen nach Auslaufen des Haustarifvertrages häufig um zweistellige Prozentpunkte angehoben werden müssten. Dafür fehlt regelmäßig das Geld.


Variante 3: Finanzierbare Lohnerhöhungen im öffentlichen Dienst

Ein grundsätzlicherer Lösungsweg setzt bereits bei den Tarifverhandlungen des öffentlichen Dienstes an. Die Theater können – wie oben bereits dargestellt – aus eigener Kraft weitere Lohnerhöhungen nicht finanzieren. In der Lohnrunde des öffentlichen Dienstes dürfen daher nur Vergütungserhöhungen vereinbart werden, die die Theaterträger durch eine Zuschusserhöhung auffangen können. In diesem Zusammenhang ist daran zu erinnern, dass eine einprozentige Lohnerhöhung im gesamten öffentlichen Dienst soviel kostet wie die gesamte öffentliche Theater- und Orchesterfinanzierung in Deutschland, nämlich etwa 2 Milliarden Euro.


Variante 4: Branchen-Tarifvertrag

Eine andere Möglichkeit ist die Fortführung der vom Bühnenverein eingeleiteten Tarifreform bis hin zu einem Branchentarifvertrag, der auch theaterspezifische Regelungen für das nichtkünstlerische Personal umfasst. Die für dieses Personal weitgehend uneingeschränkte Geltung der Tarifverträge des öffentlichen Dienstes mit ihren zum Teil starren Regelungen der Arbeitsbedingungen werden den Anforderungen des Kunstbetriebes nicht gerecht. Hinsichtlich der Gestaltung der Arbeitszeit und der Tätigkeitsbereiche der nichtkünstlerischen Mitarbeiter bedarf es besonders flexibler Regelungen, die auf die Produktionsweise eines Kunstbetriebes Rücksicht nehmen. Die Vergütung dieser Mitarbeiter muss stärker leistungsbezogen erfolgen. Der Bühnenverein hat eine solche Tarifreform durch den neuen, zum 1. Januar 2003 in Kraft tretenden NV Bühne für das künstlerische Personal weitgehend realisiert. Offen sind noch einige Veränderungen des Orchestertarifvertrages, der jedoch ebenfalls schon in wesentlichen Teilen reformiert wurde. Für das nichtkünstlerische Personal hat der Bühnenverein ein entsprechendes Modell vorgelegt, das nun von den theatertragenden Ländern und Städten mit ver.di verhandelt werden muss. Das allein löst jedoch nicht das Problem Lohnerhöhungen. Solange die öffentliche Hand Lohnerhöhungen vereinbart, die sie nicht für alle Theater und Orchester finanzieren kann, müssten deshalb Öffnungsklauseln in den Tarifverträgen vereinbart werden. Den einzelnen Theater- und Orchesterbetrieben würde so erlaubt, die Vergütungen je nach finanzieller Leistungskraft des Trägers stärker zu variieren. Entsprechende Regelungen bestehen bereits in den vom Bühnenverein abgeschlossenen Künstlertarifverträgen.



Was muss passieren?

Der Bühnenverein fordert nach wie vor, dass die Lohnerhöhungen des öffentli-chen Dienstes nur in finanzierbarem Umfang vorgenommen werden dürfen (Variante 3). Darüber hinaus setzt er vor allem auf die Reform der Tarifverträge (Variante 4) und hat in seinem Bereich gehandelt. Der vereinheitlichende NV Bühne für die Künstler ist aber nur ein erster wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Ob dieser vom Bühnenverein eingeschlagene Reformweg erfolgreich weitergegangen werden kann, hängt von der Bereitschaft der Gewerkschaften ab, ihn mitzugehen. In dieser Veränderung liegt das Bewahren des erfolgreichen deutschen Ensemble- und Repertoiretheaters.

Quelle und Kontaktadresse:
Deutscher Bühnenverein - Bundesverband deutscher Theater St.-Apern-Str. 17-21 50667 Köln Telefon: 0221/208120 Telefax: 0221/2081228

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