Pressemitteilung | Deutscher Caritasverband e.V.

Anerkennung für den Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung

(Freiburg) - Der Deutsche Caritasverband begrüßt den nationalen Bericht über Lebenslagen der Bürgerinnen und Bürger in Deutschland, den die Bundesregierung erstmals vorgelegt hat. Die Forderung, die Lebenslagen in Deutschland umfassend darzustellen, waren durch den Deutschen Caritasverband und das Diakonische Werk der EKD im Rahmen ihrer Armutsuntersuchungen seit 1992 wiederholt erhoben worden; auch in dem Sozialwort der katholischen und evangelischen Bischöfe zur wirtschaftlichen und sozialen Lage in Deutschland von 1997 wurde sie zum Ausdruck gebracht. Dieser Forderung ist nun Rechnung getragen worden. Der Bericht macht den Riss im sozialen Gefüge unserer Gesellschaft deutlich, der durch ein krasses Gefälle zwischen Reichen und Armen bedingt ist und eine schwere Belastung des sozialen Friedens darstellt. Der Deutsche Caritasverband bietet der Bundesregierung bei ihren Bemühungen, die Lebenslagen benachteiligter Menschen zu verbessern, seine durch langjährige Erfahrung und fachliche Kompetenz geleitete Unterstützung an.

Unbeschadet der grundsätzlichen Zustimmung zu zentralen Anliegen des Berichts der Bundesregierung bleiben nach Ansicht der Caritas wichtige Fragen offen und ist eine gewisse Zwiespältigkeit nicht zu übersehen. So wird in dem Regierungsdokument die Aufmerksamkeit auf Lebenslagen von Menschen gerichtet, die nicht im Blick der Öffentlichkeit sind und sich eher bedeckt halten. Das gilt zwar für Arme ebenso wie für Reiche, der Bericht aber sowie die sozialpolitischen Vorhaben und Konsequenzen, die darin favorisiert werden, beziehen sich überwiegend auf Menschen in benachteiligten Lebenslagen. Es ist verdienstvoll, dass es mit diesem Bericht erstmals möglich wird, defizitäre Lebenslagen wie Langzeitarbeitslosigkeit, Obdachlosigkeit oder Sozialhilfebedürftigkeit in der Vielzahl ihrer Dimensionen und in ihren Wirkungszusammenhängen einzuschätzen. Bislang waren sie lediglich in Einzeldokumenten wie Statistiken oder Parlamentsdrucksachen dargestellt gewesen.

Allerdings sind die Darstellung von Besitz und Reichtum und die Möglichkeiten politischer Einflussnahme in diesem Zusammenhang erheblich zu kurz gekommen. Das mag eine Folge davon sein, dass hohe Einkommen und große Vermögen statistisch schwer zu erfassen sind. Es fehlt aber nicht nur eine entsprechende Dokumentation; vermisst werden auch politische Initativen oder zumindest Vorstellungen darüber, wie die Sozialpflichtigkeit von Eigentum nach Artikel 14, Abs. 2 des Grundgesetzes umgesetzt werden und Besitz dem Gemeinwesen dienen kann. Es ist als Konsequenz zu wenig, dass für benachteiligte Menschen Beteiligungsgerechtigkeit über Bildung gefordert wird, Verteilungsgerechtigkeit aber außen vor bleibt.

Der Deutsche Caritasverband anerkennt den ernsthaften Willen der Bundesregierung, der in dem Bericht zum Ausdruck kommt, endlich Klarheit über die Existenz von existenzbedrohender und absoluter Armut zu erhalten und damit zur Abhilfe beizutragen. Er bedauert jedoch, dass eine glaubhafte Einschätzung der verdeckten Armut fehlt. Die Wohlfahrtsverbände betonen seit Jahren, dass auf jeden Sozialhilfeempfänger noch einmal eine Person kommt, die Anspruch auf Sozialhilfe hätte, aber diesen Anspruch nicht einlöst. Diese Menschen leben unter dem durch die Sozialhilfe abgesicherten Existenzminimum. Dieses nach wie vor bedrängende sozialpolitische Problem wird in dem Bericht eher heruntergespielt. Dringend erforderlich aber wären Initiativen, Menschen den Zugang zu sozialen Leistungen zu ermöglichen und ihren Sozialschutz zu garantieren. Über das Gesetz über eine bedarfsorientierte Grundsicherung im Alter hinaus müssen erhebliche weitere Anstrengungen unternommen werden, um der verdeckten Armut entgegenzuwirken.

Gemeinsam mit dem Lebenslagenbericht der Bundesregierung widerspricht der Deutsche Caritasverband entschieden den immer wieder von Politikern geäußerten Behauptungen, Armut sei selbstverschuldet, Sozialhilfe werde der Arbeitsaufnahme vorgezogen und Arbeitslosigkeit bedeute ein Ausruhen in der sozialen Hängematte. Er erwartet von den Mitgliedern der Bundesregierung, dass sie Aufklärung über die Zusammenhänge von Armut in der Öffentlichkeit fördern und nicht durch anderslautende Äußerungen zu einer pauschalen Diffamierung der betroffenen Personengruppen beitragen.

Die Aussagen des Armuts- und Reichtumsberichtes über die Lage vieler Familien in den unteren Einkommensbereichen decken sich mit den Erkenntnissen der Wohlfahrtsverbände. Der Deutsche Caritasverband sieht einen dringenden Handlungsbedarf, Familien künftig stärker zu fördern, insbesondere durch ein bedarfsdeckendes Kindergeld. Mit mehr Kindergeld könnten viele Familien einen oft erheblichen Nachholbedarf aufholen und so zur Belebung der wirtschaftlichen Binnenkonjunktur beitragen. Besonders aber wären sie besser in der Lage, eine aktive Zukunftssicherung zu betreiben. Oft können die entsprechenden Angebote der privaten Zukunfts- und Altersvorsorge nicht wahrgenommen werden, weil alle verfügbaren finanziellen Mittel für die unmittelbare Existenzsicherung eingesetzt werden müssen.

Eine dunkle Ecke unserer Gesellschaft bedarf nach Ansicht des Deutschen Caritasverbandes dringend der Aufhellung, die der Bericht der Bundesregierung schuldig bleibt. Gemeint ist die häufig katastrophale Situation von Menschen mit illegalem Aufenthaltsstatus. Dass sie oft in krasser Armut leben, im Krankheitsfall kaum Hilfe in Anspruch nehmen können oder aber ohne rechtlichen Schutz auf dem grauen Arbeitsmarkt als billige Arbeitssklaven ausgebeutet zu werden, ist ein menschlich und sozial untragbarer Zustand, dem unbedingt entgegengewirkt werden muss.

Quelle und Kontaktadresse:
Deutscher Caritasverband e.V. Karlstr. 40 79104 Freiburg Telefon: 0761/2000 Telefax: 0761/200541

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