Pressemitteilung | Gesellschaft für deutsche Sprache e.V.

"Altes Europa" ist neues Wort des Jahres

(Wiesbaden) - Im Rahmen einer Pressekonferenz gab die Gesellschaft für deutsche Sprache die Wörter des Jahres 2003 bekannt und informierte über den Deutschen Sprachrat sowie über Resultate einer aktuellen Untersuchung zu den Schwerpunkten ihrer Sprachberatungstätigkeit.

Der Deutsche Sprachrat ist eine Gesellschaft mit dem Ziel der Förderung der Sprachkultur im Inland und der Festigung der deutschen Sprache im Ausland.

Diesem Gremium, das im Jahre 2003 gegründet wurde, gehören an:

die Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS),
das Goethe-Institut (GI),
das Institut für Deutsche Sprache (IDS).

"Wo drückt die Deutschen sprachlich der Schuh?" – so ließe sich die Leitfrage der Untersuchung formulieren, die die GfdS jüngst – im Rahmen der Arbeit des Deutschen Sprachrats – durchführte. Grundlage der Auswertung waren aktuelle Daten aus der telefonischen und schriftlichen Sprachberatung der GfdS, die mit Befunden aus früheren Jahren verglichen wurden.

Wie die Untersuchung belegt, stehen viele Anfragen bei der GfdS im Zusammenhang mit der Namenwahl für ein neugeborenes Kind: Erkundigungen von Eltern oder Standesämtern, die Informationen zur Bedeutung oder Zulässigkeit einzelner Vornamen wünschen, machten in diesem Jahr 30 Prozent der telefonischen und ca. 45 Prozent der schriftlichen Anfragen aus. Ca. 6 Prozent der schriftlichen Anfragen bezogen sich auf Familiennamen.

Bei den übrigen Sprachanfragen stehen drei Gebiete im Zentrum: Orthographie, Grammatik und Wortschatz.

Fragen zum Wortschatz werden primär im Rahmen der schriftlichen Sprachberatung gestellt: Rund 13 Prozent der Ratsuchenden wollten im Jahre 2003 Allgemeines über die deutsche Lexik oder Genaueres über einzelne Wörter wissen, etwa über das Zustandekommen des Wortes "Hundstage", die Herkunft der Wendung "nicht wirklich" oder die Bedeutung des jugendsprachlichen Adjektivs "grenzdebil".

Fragen zur Orthographie bilden den Schwerpunkt der telefonischen Sprachberatung (2003: 33 Prozent aller Anrufe). Besonders häufig werden dabei – wie bereits vor der Rechtschreibreform – Probleme mit der Getrennt- und Zusammenschreibung sowie mit der Groß- und Kleinschreibung von Wörtern angesprochen.

Unter den Fragen zur Grammatik, die gegenwärtig 9 Prozent der schriftlichen und 14 Prozent der telefonischen Sprachanfragen ausmachen, dominieren Probleme mit der Kongruenz (Beispiel: "von Ihnen als Vorsitzender" oder "von Ihnen als Vorsitzendem"?), der Rektion (Beispiel: "wegen dem Wetter" oder "wegen des Wetters"?) und der Flexion (Beispiel: "im Juni diesen Jahres" oder "im Juni dieses Jahres"?).

Ein in der Sprachberatung nur selten angesprochenes Sachgebiet sind die Anglizismen (rund 1 Prozent der schriftlichen und 1,6 Prozent der mündlichen Anfragen). Gemessen an der Bedeutung, die Anglizismen in der sprachkritischen Diskussion zugeschrieben wird, scheint also der alltägliche Umgang mit entsprechenden Wörtern – zumindest in der Wahrnehmung der Ratsuchenden – eher unproblematisch zu sein.

Ebenfalls eine untergeordnete Rolle spielt das Bedürfnis, allgemeine Sprachkritik (etwa Bedenken wegen eines angeblichen "Sprachverfalls") zu äußern: Der Anteil entsprechender Anschreiben und Anrufe liegt gegenwärtig bei unter 1 Prozent.

Die Wörter des Jahres 2003:

Übersicht:
1. das alte Europa
2. Agenda 2010
3. Reformstreit
4. SARS/Sars
5. eingebettete Journalisten
6. Maut-Desaster
7. Steuerbegünstigungsabbaugesetz
8. Jahrhundertglut
9. googeln
10. Alcopops

Satz des Jahres: Deutschland sucht den Superstar (DSDS)


Auf Platz 1 wählte die GfdS eine Wendung, die weltpolitische Dimensionen eröffnet: "das alte Europa". Der vom amerikanischen Verteidigungsminister Rumsfeld gebrauchte Ausdruck war ursprünglich polemisch gemeint, erfuhr dann eine Umdeutung und steht heute für ein neu gewonnenes positives Selbstverständnis der Europäerinnen und Europäer.

In Deutschland beschäftigte die Bevölkerung vor allem ein Thema: die Diskussion um das anstehende Reformwerk. Das grundlegende Dokument, die "Agenda 2010", schaffte es auf Platz 2 der Liste. Als Titel des Reformprogramms bekam das Wort "Agenda", das vorher nur eine Liste zu erledigender Aufgaben bezeichnete, eine neue Gewichtung. Die ergänzende Ziffer war anfangs als vorwärtsweisende Jahreszahl [zweitausendzehn] gedacht, wurde dann formal in der Regel als [zwanzig-zehn] gesprochen.

Auf Platz 3 folgt der lang anhaltende "Reformstreit"; damit wird der Prozess beschrieben, der kürzlich im Vermittlungsausschuss zu einer Einigung über politische Grenzen hinweg führte.

Weltweit sorgte die Krankheit "SARS/Sars" (Severe Acute Respiratory Syndrom/Schweres Akutes Atemnotsyndrom) für große Beunruhigung und für ein neues Wort in deutschen wie internationalen Pressetexten. Die Abkürzung (Platz 4) wurde zuerst getrennt gesprochen [s-a-r-s], seit Ende April in der zusammengezogenen Form [sars].

Platz 5 belegte die Wortgruppe "eingebettete Journalisten", die als Übersetzung aus dem Englischen ("embedded") die in amerikanischen Militärkonvois mitreisenden Presseleute bezeichnet und damit auf die Probleme einer tendenziösen Berichterstattung über den Irak-Krieg verweist.

Als verlorene Einnahmequelle erwies sich die mehrmalige Verschiebung einer Straßenbenutzungsgebühr in Deutschland; die negative Außenwirkung dieses gescheiterten Vorhabens kommt in dem oft zu vernehmenden "Maut-Desaster" (Platz 6) zum Ausdruck.

In die Gruppe der finanziellen Reformvorschläge gehört das auf Platz 7 gewählte Wort "Steuerbegünstigungsabbaugesetz", das wieder einmal die Fähigkeit der deutschen Sprache belegt, ganze Prozesse in ein mehrfach zusammengesetztes Wort zu fassen.

Nach dem Hochwasser, der Jahrhundertflut 2002, machte uns allen in diesem Jahr mit Temperaturen über 40 Grad die "Jahrhundertglut" zu schaffen (Platz 8).

Auf Platz 9 steht mit "googeln" ein Verb, das – abgeleitet vom Namen der weltweit verbreiteten Suchmaschine – die beliebte Tätigkeit der Materialsuche im Internet bezeichnet.

Besonders Minderjährige sollten vor den Gefahren der "Alcopops" – harmlos scheinenden, tatsächlich aber hochprozentigen Mixgetränken – geschützt werden. Aufgrund der Diskussionen über ein entsprechendes Gesetz kam diese neue "poppige" Bezeichnung auf Platz 10 der Liste. Am Schluss steht ein Satz, der eine Fernsehaktion bezeichnete, die in diesem Jahr insbesondere bei Jugendlichen erstaunliche Begeisterung auslöste: "Deutschland sucht den Superstar (DSDS)".

Quelle und Kontaktadresse:
Gesellschaft für deutsche Sprache e.V. Spiegelgasse 13, 65183 Wiesbaden Telefon: 0611/999550, Telefax: 0611/9995530

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