Aktuelle Zubau-Dynamik ist vom notwendigen Pfad noch weit entfernt
(Berlin) - Im ersten Halbjahr 2023 wurden in Deutschland 331 Wind-energieanlagen (WEA) an Land mit einer kumulierten Leistung von 1.565 Megawatt (MW) errichtet. Dies ist das Ergebnis der Auswertung der Deutschen WindGuard im Auftrag von BWE und VDMA Power Systems. Der Bruttozubau im ersten Halbjahr 2023 beträgt damit bereits 65 Prozent des Zubaus des Gesamtjahrs 2022. Trotz der bestehenden Herausforderungen wird damit voraussichtlich der obere Bereich der Verbändeprognose von 2,7 bis 3,2 GW erreichbar. Das ist eine starke Leistung der Branche. Allerdings bleibt der Zubau hinter den Erfordernissen für die sichere Erreichung eines Ausbauziels von 115 GW im Jahr 2030 zurück.
Die Verbände bewerten die bisherigen Maßnahmen der Bundesregierung sowie die aktuelle Dynamik beim Zubau und bei den Genehmigungen positiv. Sie betonen aber ausdrücklich, dass auch die deutlich steigenden Genehmigungszahlen bei Weitem noch nicht ausreichen, um den Ausbaupfad von jährlich 10 GW ab 2025 zu stemmen. Die Diskrepanz zwischen Realität und Zielsetzung ist derzeit noch zu hoch und kann nur durch die konsequente und zügige Umsetzung der auf Bundesebene - vor allem auf Betreiben des Bundeswirtschaftsministeriums - beschlossenen Maßnahmen reduziert werden. Hierfür braucht es intensive Anstrengungen anderer Ressorts, wie des Bundesverkehrsministeriums, der beteiligten Landesministerien und der Behörden vor Ort. Es ist unbedingt darauf zu achten, dass die Lücke zwischen Zubau und Ziel nicht größer, sondern kleiner wird.
Das Verfehlen der Ausbauziele der Windenergie an Land kann Auswirkungen auf Fortschritte in anderen Sektoren haben. Wärmepumpen, Elektromobilität und grüner Wasserstoff können nur zur Erreichung der Klimaziele beitragen, wenn insbesondere Onshore-Wind den Ausbaupfad erreicht und somit ausreichend grüner Strom zur Verfügung steht. Verfehlungen in jedem Jahr erhöhen den Druck in den folgenden Jahren und verstärken Herausforderungen bei der Umsetzung.
Neugenehmigungen steigen stark, bleiben aber noch zu niedrig
"Schlüsselwert sind und bleiben die Neugenehmigungen. Hieran wird sich der Erfolg der Bundesregierung messen lassen müssen. Der aktuelle Zubau speist sich vor allem aus den Genehmigungen vergangener Jahre. Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen führen die Zubau-Rangliste auf einem verhaltenen Niveau an und profitieren bei der Platzierung von der Ausbauschwäche anderer Bundesländer. Insbesondere in Süddeutschland stockt der Ausbau weiterhin, aber auch in den führenden Ländern besteht deutlich Luft nach oben. Der starke Anstieg der Genehmigungen stützt sich auf Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein, Niedersachsen und etwas reduziert auf Brandenburg. Dies sind zu wenige Länder! Es braucht jetzt in allen Ländern deutlich mehr Tempo. Um die angestrebten jährlich 10 GW Zubau zu erreichen, müssen mindestens 12 GW neu genehmigt werden", erläuterte Bärbel Heidebroek, Präsidentin des Bundesverbands WindEnergie BWE.
Hohe bürokratische Hindernisse bremsen Zubau aus
"Langwierige Planungs- und Genehmigungsverfahren sowie der Mangel an verfügbaren Flächen stellen weiter die größten Zubauhürden dar. Die Verfahrenslaufzeiten sind laut Fachagentur Wind an Land nach einem kurzen Rückgang im Jahr 2021 zuletzt sogar auf einen neuen Höchstwert angestiegen und liegen nun bei 24,5 Monaten. Beschlüsse und Ziele sind vorhanden. Bis die Bundesländer diese Regelungen schlussendlich umsetzen, darf nicht weiter wertvolle Zeit verstreichen. Mit dem derzeitigen Tempo werden die Ziele verfehlt", sagte Dr. Dennis Rendschmidt, Geschäftsführer VDMA Power Systems. Hersteller und Zulieferer brauchen die zügige Projektrealisierung, auch um Fertigungskapazitäten auszulasten und Wertschöpfung für künftige Investitionen in den Kapazitätsausbau zu sichern.
Auch die langwierigen Genehmigungsprozesse für die Transporte der Anlagen sind ein echter Flaschenhals für die Realisierung von Projekten und eine hohe Belastung für die Branche. Mit beschleunigten und verschlankten Genehmigungsverfahren muss die Zahl der Anträge deutlich verringert werden, die Branche und die Behörden müssen entlastet und die Genehmigungszeiten und Kosten deutlich gesenkt werden. Zudem sind Behelfsmaßnahmen im Infrastrukturbereich notwendig, um Transportengpässe zu verringern. Noch bevor der Zubau anzieht, muss die Situation auf der Straße schnell und bundeseinheitlich gelöst werden. Die Binnenschifffahrt wird voraussichtlich erst mittel- bis langfristig größere Anteile des Transports übernehmen können, wenn Zuwege, Häfen, Wasserstraßen und Schleusen ausgebaut sind. Auch hier muss die Lücke zwischen Realität und Zielen schnell geschlossen werden.
Erleichterung und Vereinfachung bei der Genehmigung von Repoweringprojekten
Die Verbände sehen beim beschleunigten Repowering einen wichtigen Hebel zum schnellen Erreichen der Ausbauziele. "Der Ersatz von Windenergieanlagen, die ihr Lebensende erreicht haben, durch moderne Anlagen steigert die Effizienz der Stromerzeugung, senkt die Kosten und unterstützt die Akzeptanz der Windenergie. Es gilt, Repoweringprojekte durch Beschleunigung in den Genehmigungsverfahren deutlich voranzubringen. Das Potential liegt bei rund 13.600 Anlagen mit einer Leistung von mehr als 18 GW bis Ende 2028. Hier schlummert kurz- bis mittelfristig ein Repowering-Potential von bis zu 54 GW", erläuterte Bärbel Heidebroek.
Hochlauf der Produktionskapazitäten braucht Wirtschaftlichkeitsperspektive
"Hersteller und Zulieferer benötigen eine marktliche Wirtschaftlichkeitsperspektive durch Projekte sowie durch den Abbau von Hemmnissen, um ihre Kapazitäten auszulasten und perspektivisch einen Hochlauf zu stemmen - ohne diese können notwendige Investitionen in Forschung, Standorte und Personal nicht stattfinden. Für die Stärkung der europäischen Lieferkette braucht es verbesserte Rahmenbedingungen und eine politische Flankierung des strategischen Wertes eines starken Anlagenbaus in Europa. Die bisherigen Ansätze zum Green Deal Industrial Plan reichen hierfür nicht aus", sagte Dr. Dennis Rendschmidt.
Prognose Welt
Laut Global Wind Energy Council (GWEC) liegt die durchschnittliche jährliche Wachstumsrate für Onshore-Wind in den nächsten fünf Jahren bei 12 Prozent, der erwartete durchschnittliche Zubau liegt bei jährlich 110 GW. Die Märkte in China, Europa und den USA werden das Rückgrat der weltweiten Entwicklung der Windenergie an Land in den nächsten fünf Jahren bilden. Insgesamt werden sie voraussichtlich mehr als 80 Prozent der gesamten zusätzlichen Kapazität in diesem Zeitraum ausmachen. 62 Prozent der Neuinstallationen werden laut GWEC im Jahr 2023 in China erfolgen.
Quelle und Kontaktadresse:
Bundesverband WindEnergie e.V. (BWE)
Frank Grüneisen, Pressereferent
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