Aktionstag Suchtberatung am 14.11.2024 Versorgung Suchtkranker in Haft nicht mehr gesichert
(Stuttgart) - Der Bedarf an Suchtberatung in den Justizvollzugsanstalten im Land ist laut Suchthilfestatistik für Baden-Württemberg 2023 gegenüber dem Vorjahr um acht Prozent auf 4.232 Fälle gestiegen. Hauptdiagnosen waren Probleme mit Betäubungsmitteln (83,3 Prozent), Alkoholprobleme (15,5 Prozent) und Probleme mit pathologischem Glückspiel (1,2 Prozent). Trotz deutlichem Anstieg an Beratungsbedarf sind im aktuellen Entwurf für den Landeshaushalt 2025/2026 keine zusätzlichen Mittel für weitere Fachkräftestellen vorgesehen.
Suchthilfeverbände und der Paritätische Wohlfahrtsverband Baden-Württemberg warnen vor einer drastischen Unterversorgung bei der Beratung suchtkranker Menschen in Haft. Lohnkostensteigerungen und Inflation haben die Eigenmittelanteile der Träger ohnehin massiv erhöht und seien nicht mehr finanzierbar. Ohne eine Erhöhung der Landesmittel für die externe Suchtberatung in Justizvollzugsanstalten um mindestens eine halbe Millionen Euro sei ein Stellenabbau und damit Angebotseinschränkungen unvermeidbar, so die Verbände. Anlass ist der bundesweite Aktionstag Suchtberatung am 14. November 2024.
Ulf Hartmann, Vorstand des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Baden-Württemberg betont:
„Rund ein Drittel der Haftinsassen haben Probleme mit Suchtmitteln bis hin zu Abhängigkeitserkrankungen. Durch die Tätigkeit der externen Suchtberatung erhalten Betroffene Unterstützung, ihre Suchtprobleme zu überwinden und im Bedarfsfall in passende Rehaeinrichtungen vermittelt zu werden. Eine Einschränkung des Angebots von Suchtberatung in den Haftanstalten hätte enorme Folgekosten für die öffentliche Hand zur Folge, die entstehen, wenn bei Abhängigkeitsstörungen keine frühzeitige Beratung stattfinden kann. Allein 2023 wurden durch die externe Suchtberatung in Baden-Württemberg 534 Häftlinge in eine Suchtbehandlung vermittelt und dadurch im Schnitt rund 521 Hafttage eingespart. Dadurch werden beim öffentlichen Haushalt Gelder in Millionenhöhe eingespart – ganz zu schweigen davon, dass eine Suchtbehandlung für viele Betroffene ein entscheidender Faktor zur Resozialisierung ist."
Oliver Kaiser, Geschäftsführer des Baden-Württembergischen Landesverbandes für Prävention und Rehabilitation (bwlv) erklärt:
„Es ist für mich als Geschäftsführer des größten Suchthilfeträgers im Land aber auch als Steuerzahler absolut unverständlich, warum das Land die Mittel für die externe Suchtberatung nicht erhöht. Die Mitarbeiter*innen, die jetzt wegen einer Finanzierungslücke in Höhe von 612.000 Euro nicht weiter beschäftigt werden können, sparen dem Land jährlich 4 Millionen Euro durch eingesparte Hafttage. Als Kaufmann muss ich da nicht überlegen.“
Bernd Klenk, Hauptamtlicher Vorstand Release Stuttgart e.V. erläutert:
„In der JVA Stuttgart wurde die Anzahl der Inhaftierten seit Anfang des Jahres 2024 von ca. 650 auf über ca. 950 Inhaftierte gesteigert – ohne dass die geförderten Personalkapazitäten für die externe Suchtberatung auch nur um ein paar Stellenprozente angehoben wurde. Und das soll jetzt durch fehlende Haushaltsmittel zum Dauerzustand werden? Wartezeiten von mehreren Monaten für ein Erstgespräch bei der Suchtberatung, unzureichende Kapazitäten für die psychosoziale Begleitung von Substituierten, zu Recht unzufriedene Angehörige und Anwälte und überlastete Mitarbeitende sind das Ergebnis. So kann man eine bisher sehr gute und erfolgreiche Arbeit auch an die Wand fahren.“
Hanga Gelli, Fachbereichsleitung Sucht bei der Sozialberatung Schwäbisch Gmünd e. V. und Vertreterin der externen Suchtberatung in den Vollzugsanstalten Baden-Württemberg ergänzt:
"Die geänderten sozialversicherungsrechtlichen Bedingungen haben es drogenabhängigen Inhaftierten extrem erschwert, die Strafvollstreckung zugunsten einer Rehabilitationsmaßnahme zurückzustellen also "Therapie statt Strafe" durchzuführen. Selbstverständlich unterstützt die externe Suchtberatung in Haft weiterhin Suchtkranke mit allem was in unserer Macht steht dabei, dennoch in adäquate Suchttherapien vermittelt zu werden. Allerdings hat sich unser Arbeitsaufwand massiv erhöht. Darüber hinaus werden Substituierte psychosozial begleitet, alkoholabhängige und spielsüchtige Gefangene betreut. Wir arbeiten am Limit und benötigen dringend Unterstützung."
Quelle und Kontaktadresse:
Der Paritätische Wohlfahrtsverband - Landesverband Baden-Württemberg e.V., Hina Marquart, Leiter(in), Hauptstr. 28, 70563 Stuttgart, Telefon: 0711 2155-0, Fax: 0711 2155-215
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