ai: BGH-Entscheidung im Fall Varvarin verkennt Entwicklung des Völkerrechts
(Berlin) amnesty international (ai) hat die Entscheidung des Bundesgerichtshofes (BGH), die Klage gegen Deutschland im Fall Varvarin auch in dritter Instanz abzuweisen, als Missachtung der Entwicklung des Völkerrechts kritisiert. Angehörige der Opfer eines NATO-Luftangriffs auf eine Brücke im serbischen Varvarin am 20. Mai 1999 hatten auf Schadensersatz und Schmerzensgeld geklagt. Entgegen der Argumentation des BGH können bei Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit auch Einzelpersonen Schadensersatz geltend machen und nicht nur Staaten, sagte der ai-Völkerrechtsexperte Nils Geißler. Genau dafür ist zum Beispiel der Internationale Strafgerichtshof geschaffen worden, den die Bundesregierung seit vielen Jahren unterstützt.
Die Kläger hatten auch auf Schadensersatz nach dem deutschen Amtshaftungsrechts geklagt. Der BGH hat in seiner Urteilsbegründung offen gelassen, ob eine entsprechende Anspruchsgrundlage besteht. Mit Blick auf die zunehmenden Auslandseinsätze der Bundeswehr sollte alle diesbezüglichen Zweifel ausgeräumt werden", sagte Geißler.
Das Oberlandesgericht Köln hatte im Juli 2005 entschieden, dass bei Verstößen gegen das humanitäre Völkerrecht grundsätzlich Amtshaftungsansprüche gegen die Bundesrepublik Deutschland in Betracht kommen, die Klage jedoch abgewiesen, weil im konkreten Fall ein schuldhaftes Handeln der Bundesrepublik nicht nachgewiesen werden könne.
Flugzeuge der Bundeswehr waren an dem Angriff nicht unmittelbar beteiligt. Die Kläger argumentieren aber, Deutschland habe den Angriff mit den anderen NATO-Mitgliedsstaaten gemeinschaftlich beschlossen und ausgeführt. Von ihrem Vetorecht gegen die Auswahl der Brücke als militärisches Ziel habe die Bundesrepublik keinen Gebrauch gemacht. Außerdem habe Deutschland den Angriff unterstützt, indem es Begleitschutz, Aufklärung und Schutz des Luftraums grundsätzlich zugesagt und übernommen habe.
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