Agenda 2010: Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe verschärft Armutsproblem
(Hannover) - Statement des Präsidenten des Deutschen Kinderschutzbundes, Heinz Hilgers vom 31. Juli 2003:
Der Deutsche Kinderschutzbund (DKSB) warnt eindringlich davor, die Situation von Kindern und Familien, die in Deutschland in Armut leben, noch zusätzlich zu verschlechtern. Die politisch Verantwortlichen sollten mit einem Blick in die Sozialhilfestatistiken endlich zur Kenntnis nehmen, dass schon jetzt jeder dritte Sozialhilfeempfänger ein Kind ist. Nach vorliegenden Gutachten waren im Jahre 2002 37 Prozent aller Sozialhilfeempfänger Kinder. Das sind über eine Million Kinder (1.039.000). Die Sozialhilfequote von Kindern ist mit 6,7 Prozent fast doppelt so hoch wie der Gesamtdurchschnitt (3,4 Prozent) und ist von Mitte der 80er Jahre bis heute kontinuierlich gestiegen, gerade unter den Kleinkindern bis 7 Jahren. Vor allem die Kinder von Alleinerziehenden sind von Armut betroffen. Mehr als die Hälfte der Kinder, die Sozialhilfe beziehen, wachsen bei Alleinerziehenden auf.
31 Prozent aller Alleinerziehenden sind einkommensarm und die Abschaffung der Steuerklasse II wird ihre Einkommenssituation noch einmal deutlich verschlechtern. Arbeitslosigkeit gehört dabei mit zu den Gründen, warum Familien in die Sozialhilfe abrutschen. Im Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung ist dokumentiert, dass besonders arbeitslose Paarhaushalte mit Kindern überdurchschnittlich von Armut betroffen sind. Kinder zu haben bedeutet in Deutschland nach wie vor das größte Armutsrisiko. Selbst Familien, die zwar über ein normales Einkommen verfügen, aber mehr als vier Kinder haben, brauchen ergänzende Sozialhilfe. Das liegt eindeutig am ungerechten Familienleistungsausgleich und der völlig unzureichenden Förderung von Familien. Eine Absenkung der Arbeitslosenhilfe wird zu noch mehr Kinderarmut führen. Es zu befürchten, dass etwa 500.000 Kinder zusätzlich auf Sozialhilfeniveau leben werden müssen. Ihre Lebenssituation wird sich dadurch drastisch verschlechtern und damit erhebliche negative Auswirkungen auf ihre Lebenswelt, insbesondere für ihre Zukunftschancen haben.
Arme Kinder sind häufiger krank: Sie leiden wesentlich häufiger unter Kopfschmerzen und Rückenschmerzen, ihr Immunsystem ist geschwächt und sie sind schlechter ernährt. Sie haben eine geringere Lebenszufriedenheit, stärkere Einsamkeitsgefühle und massivere Ängste und Sorgen, da das Zusammenleben und die Atmosphäre in armen oder arbeitslosen Familien von extremem Stress und Druck geprägt ist. Außerdem sind arme Kinder von Ausgrenzung betroffen und Anfeindungen ausgesetzt, da sie in der Konsumgesellschaft nicht mithalten können. Ihre Familien können sich viele Freizeitaktivitäten oder gar Urlaube nicht leisten. Ihnen steht nur ein sehr begrenztes Budget für Bekleidung zur Verfügung und sie wohnen oft in vernachlässigten und unterversorgten Stadtvierteln.
Nicht erst die Ergebnisse der PISA-Studie haben gezeigt, dass im Bildungsbereich arme Kinder besonders benachteiligt sind, denn in kaum einem anderen Land bestimmt die soziale Lage der Kinder so sehr ihre Bildungschancen wie in Deutschland. Nahezu 80 Prozent der Hauptschüler haben bis zum Verlassen der Schule mindestens einmal in ungesicherten wirtschaftlichen Verhältnissen gelebt, was nicht einmal bei jedem zweiten Real- oder Gymnasiumsschüler der Fall ist. Ist das Kind erst mal auf der Hauptschule, bleibt es auch dort, denn im deutschen Schulsystem wird vornehmlich nach unten selektiert und nicht nach oben hin gefördert. Da aber Bildung und fachliche Qualifikation heute Grundvoraussetzung sind, um am gesellschaftlichem Leben und Wohlstand teilzuhaben, werden so die Chancen der armen Kinder drastisch gemindert und Armut vererbt sich in die nächste Generation.
Der Deutsche Kinderschutzbund fordert die Bundesregierung auf, endlich ein Programm zur Bekämpfung der Kinderarmut vorzulegen und vor allen Dingen umzusetzen. Dazu gehören der Ausbau von Betreuungsangeboten, insbesondere für Kinder unter drei Jahren, Einrichtung von kindgerechten Ganztagsschulen und eine individuelle Förderung von Kindern. Als mittelfristige Maßnahme zur finanziellen Unterstützung von Familien fordert der Kinderschutzbund eine Erhöhung des Kindergeldes auf 300 Euro.
Aktuell unterstützt der Kinderschutzbund die Forderung des PARITÄTISCHEN und der Bundestagsfraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN nach einer Kindergrundsicherung bzw. den Vorschlag der Bundesfamilienministerin, Renate Schmidt, einen Zuschlag auf das Kindergeld zu zahlen. Dringend aufgefangen werden müssen die Nachteile für Alleinerziehende, die durch die Streichung des Haushaltsfreibetrages ab 1. Januar 2004 entstehen und diese Gruppe noch stärker benachteiligt.
Quelle und Kontaktadresse:
Deutscher Kinderschutzbund Bundesverband e.V. (DKSB)
Hinüberstr. 8, 30175 Hannover
Telefon: 0511/304850, Telefax: 0511/3048549