Abschied von Milliarden-Forderungen, fixe Quote für serielles Bauen
(Berlin) - Der Spitzenverband der Deutschen Immobilienwirtschaft will angesichts einer Zuspitzung der Wohnungsnot neue Wege gehen. Der ZIA gab gestern seinen Abschied von Forderungen nach neuen Milliarden-Subventionen bekannt. Zugleich fordert er einen Verzicht von Ländern und Kommunen auf das Abschöpfen von Mitteln beim Bau von Wohnungen.
Der ZIA setzt auf eine gemeinsame Kraftanstrengung von Bund, Ländern, Kommunen und der Immobilienwirtschaft selbst.
"Die staatlichen Akteure müssen der Immobilienwirtschaft größtmögliche Freiheiten geben, damit sie selbst aktiv werden kann", sagte ZIA-Präsident Dr. Andreas Mattner bei der Vorstellung der Initiative. "Im Laufe der Jahre ist die Staatsquote am Gut Wohnen auf etwa 37 Prozent gestiegen. Explodierende Grunderwerbsteuern, Gebühren, Gewinnabschöpfungsmodelle sowie Vorgaben und Restriktionen verursachen weit mehr als ein Drittel der Kosten. Genau hier sind die Hebel, wenn eine Wende am deutschen Wohnungsmarkt realistisch sein soll."
Grunderwerbsteuer runterfahren
Der ZIA schlägt daher den Ländern vor, bis 2025 die Grunderwerbsteuer für Wohnimmobilien generell und ohne Einschränkungen auf 3,5 Prozent zu senken oder ganz fallen zu lassen. Auch sollten die Kommunen auf alle Formen der Gewinnabschöpfung verzichten.
"Der Alternative sollte man ins Auge sehen: Wenn jetzt der Wohnungsbau nahezu komplett zum Erliegen kommt, wird auf nichts Steuern zu erheben und von nichts Gewinn abzuschöpfen sein. Vor allem gibt es eine weit dramatischere Leerstelle: keine neuen Wohnungen", kommentiert Mattner die Lage.
Deutschland lebe beim Wohnungsbau von Rahmenbedingungen der Vergangenheit. Noch immer würden unter alten Bedingungen finanzierte und genehmigte Wohnungen gebaut, sagte Mattner. Dies laufe zum Ende dieses Jahres und im Laufe des Jahres 2024 aus. Dann stehe man vor dem Nichts. Mattner: "Wenn die Wohnungsbaurenditen bei zwei bis drei Prozent stehen, die Kreditzinsen aber bei vier Prozent, kann niemand bauen. Daher müssen wir die Rahmenbedingungen radikal ändern."
Kreditprogramm mit zwei Prozent Zinsen
Der ZIA fordert stattdessen ein großvolumiges Kreditprogramm vom Bund mit zwei Prozent Zinsen. Die Gelder würden zurückgezahlt ohne mittelfristige oder langfristige Belastung des Haushalts. Die Immobilienwirtschaft warnt: Werde der Weg zu Krediten verbaut, bedeute das nicht nur deutlich weniger Wohnungen, sondern auch Steuerausfälle, weil zum Beispiel keine Umsatzsteuer durch Bautätigkeit mehr anfällt. Erst kürzlich hatten die Weisen des Gutachtens der Immobilienwirtschaft zur konjunkturellen Lage vor einer sich verschärfenden Baukrise und ihren Folgen für die Staatseinnahmen gewarnt.
Anders als andere Verbände glaubt der ZIA nicht mehr an die Wirkung von 10 Milliarden Euro aus der Kasse des Bundesfinanzministers. Diese Summe sei angesichts der Löcher in den Wirtschaftlichkeitsrechnungen der Bauherrinnen und Bauherren ohnehin nur "ein Tropfen auf den heißen Stein", so Mattner. Und Forderungen nach Programmen mit 50 oder mehr Milliarden verlorener Zuschüsse seien angesichts des Bundeshaushaltes unrealistisch.
ZIA-Vizepräsident Jan-Hendrik Goldbeck nannte ein weiteres Problem, dessen Dramatik zunehmend deutlich werde: Keines der jetzt neu angefangenen Projekte könne angesichts der deutschen Regularien und technischen Herausforderungen bis 2025 fertiggestellt werden.
Um die schon heute fehlenden 400.000 und im Jahr 2025 fehlenden 700.000 Wohnungen rechtzeitig zu erstellen, sieht Goldbeck vor allem einen Weg: freie Bahn für serielles und modulares Bauen. Alle im Bündnis bezahlbarer Wohnraum vorgeschlagenen Erleichterungen im Bauordnungsrecht seien "richtig und gut" nur mittlerweile "nicht mehr ausreichend". Seriell oder modular könnten Wohnungen in sechs Monaten geliefert werden.
Hauptproblem hier: "Es gibt zwar ein klares und breites Bekenntnis zu diesem Verfahren. In der Praxis aber werden kaum Genehmigungen erteilt", so Goldbeck. Nach Expertenschätzung kommt Deutschland auf einen Anteil von etwa fünf Prozent seriell/modular gebauter Wohnungen. Als Ursachen werden Vorurteile wie eine vermeintlich mindere Bauqualität oder der Hang zu flächendeckender hochindividualistischer Bauweise auf Seiten der Verwaltung genannt. Goldbeck: "30 Prozent des erforderlichen Zubaus einer Stadt sollte sofort für serielles und modulares Bauen ausgewiesen werden. Dabei sollen sowohl konventionelle als auch Lebenszyklus-orientierte Baustoffe wie Holz zum Einsatz kommen." So bliebe genug Raum für individuelle Bauweise in einem Quartier - aber eben auch die Chance auf bezahlbaren nachhaltigen Wohnraum binnen kürzester Zeit.
Damit die Wege zum beschleunigten Wohnungsbau möglichst früh "mitgedacht" werden können, fordert der ZIA, das serielle und modulare Bauen bei der Abwägung im Bundesbaugesetz gesondert zu berücksichtigen. Damit sind alle Beteiligten aufgefordert, sehr frühzeitig abzuwägen, ob dieser Weg gangbar ist. Zudem gehöre in jede Architektenjury ein Experte oder eine Expertin für serielles und modulares Bauen.
Auf Grundstücken der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben kann nötigenfalls nach § 37 BauGB ein BImA-eigenes Sofortprogramm für serielles und modulares Bauen quasi vom Bund selbst genehmigt werden. Auch braucht es die erneute Nachschärfung und Erweiterung des § 246 BauGB. Es gilt, neben den Flüchtlingsunterkünften auch Mietwohnungsbau über die Sondervorschrift zu erleichtern.
Der ZIA will einen Mentalitätswechsel: Weitere Verschärfungen des Mietrechts verbieten sich. Insbesondere mit Blick auf das frei finanzierte Segment braucht es ein Akzeptieren der Tatsache, dass Mieten auch steigen können, wenn die Rahmenbedingungen es erforderlich machen. Die Mietpreisbremse darf nicht verlängert werden.
Dieses Thema hat auch gesellschaftspolitisch hohe Relevanz und erfordert das Einsetzen eines "Baukabinetts" unter Leitung des Bundeskanzlers mit weiteren zuständigen Ressorts. "Bauen muss Chefsache werden. Olaf Scholz hat in Hamburg seine Kompetenz dazu bewiesen", sagt Mattner. Auch schlägt der ZIA ergänzend ein übergreifendes System von Wohnungsbeauftragten vor, damit Initiativen von Bund, Ländern bis in die Kommunen, koordiniert das Wohnungsproblem lösen können.
"Die Immobilienwirtschaft setzt auf das Allerwichtigste in diesem Prozess: Bauen statt Stillstand", sagt Mattner. Der ZIA nimmt dabei auch die Branche selbst in die Pflicht. "Wenn Bund, Länder und Gemeinden tatsächlich in einer konzertierten Aktion Wohnen agieren, bedarf es zugleich einer Selbstverpflichtung der Bauindustrie als Teil der Immobilienwirtschaft, bis 31. Dezember 2024 auf Entlassungen weitestgehend zu verzichten." So könne dem Risiko begegnet werden, dass nach Erholung der Baukonjunktur keine Kapazitäten zur Verfügung stünden.
Dem Verzicht auf weitere Mietregulierung von Seiten staatlicher Stellen stellt der ZIA eine Selbstverpflichtung auf den Wohnungskodex der Immobilienwirtschaft entgegen, der viele partnerschaftliche Regelungen zwischen Mieter und Vermieter proklamiert.
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