Ab dem 50. Lebensjahr: Hörscreening soll Schwerhörigkeit früh erkennen
(Mannheim) - 30 Prozent der Erwachsenen in Deutschland sind schwerhörig. Das verminderte Hörvermögen werde oft erst spät bemerkt, berichtet PD Dr. Jan Löhler. Um schwerwiegende Folgen zu verhindern, sei ein reguläres Hörscreening ab dem 50. Lebensjahr erforderlich, betont der Direktor des Wissenschaftlichen Instituts für angewandte HNO-Heilkunde aus Bad Bramstedt. "Nur so können Hörprobleme rechtzeitig erkannt und vom Hals-Nasen-Ohren-Arzt behandelt werden."
Besonders ab der zweiten Lebenshälfte nehme die Anzahl Schwerhörender mit steigendem Lebensalter erheblich zu, erläutert Jan Löhler. Häufig sei hierfür eine Presbyakusis, also eine Altersschwerhörigkeit, verantwortlich. Durch sie komme es zu lebenszeitbedingten degenerativen Prozessen im Bereich des Innenohres, so der HNO-Arzt. Die Folgen der sinkenden Hörfähigkeit werden von den Betroffenen allzu oft nicht ernst genommen: "Schwerhörigkeit führt nicht nur zu Kommunikationsproblemen in akustisch schwierigen Situationen, wie z. B. in einer größeren Gesellschaft, bei Nebengeräuschen oder in großen, hallenden Räumen. Sie hat auch zur Folge, dass sich Betroffene häufig sozial isolieren."
Aufgrund komplexer Veränderungen im Bereich des Gehirns, die u. a. auf Kompensation und neuronaler Umprogrammierung beruhen, komme es zu einer Störung auf kognitiver Ebene, fährt Löhler fort: "Damit einhergehend sinkt die intellektuelle Leistungsfähigkeit des Gehirns. Zudem steigen die Risiken, an einer Demenz zu erkranken und eine Depression zu erleiden. Auch der Gleichgewichtssinn ist beeinträchtigt, sodass das Risiko, zu stürzen, steigt."
Problematisch sei, dass die Erkrankung oft zu spät erkannt werde, erklärt HNO-Experte Löhler: "Eine Schwerhörigkeit verläuft oft schleichend und wird von den Betroffenen lange nicht bemerkt. Eine aktuelle Untersuchung zeigt, dass bereits knapp 50 Prozent aller über 50-Jährigen und mehr als drei Viertel aller über 60-Jährigen von einer relevanten Hörminderung betroffen sind." Nur etwa ein Drittel aller Betroffenen seien sich ihrer Hörprobleme bewusst. Mit zunehmendem Lebensalter sinke paradoxerweise das Bewusstsein dafür, tatsächlich schwerhörig zu sein. Deswegen werde nur ein geringer Teil der Betroffenen adäquat, z. B. durch geeignete Hörgeräte, behandelt.
Um die schwerwiegenden Folgen der Schwerhörigkeit zu verhindern oder zumindest abzumildern, sei ein reguläres Hörscreening, beispielsweise mit einem einfachen, von jedem Arzt handhabbaren Fragebogen, ab dem 50. Lebensjahr erforderlich. Nur so können Schwerhörende rechtzeitig identifiziert und adäquat vom HNO-Arzt behandelt werden, so Löhler.
Die Erfolgsaussichten der Behandlung seien hoch. Oft könne die Schwerhörigkeit durch Hörgeräte ausgeglichen werden: "Die von den gesetzlichen Krankenkassen eigenanteilsfrei zur Verfügung gestellten Geräte ermöglichen in der Regel eine befriedigende Versorgung der Betroffenen. Gutes Hören ist also nicht vom persönlichen Geldbeutel abhängig," berichtet Löhler. Neben einer Hörgeräteversorgung können operative Verfahren in Betracht gezogen werden, ergänzt der HNO-Arzt: "Selbst hochgradig Schwerhörenden oder funktionell Ertaubten kann heute durch den Einsatz einer Innenohrprothese, eines sogenannten Cochlea Implants (CI), gut geholfen werden."
Aufgrund des chronischen Verlaufs der meisten Erkrankungen, die eine Schwerhörigkeit verursachen, müssen Schwerhörende wie Hypertoniker, Asthmatiker oder Diabetiker lebenslang HNO-ärztlich begleitet werden. Löhler: "Nur so können möglicherweise mit einer Schwerhörigkeit einhergehende und gefährliche Zweiterkrankungen, wie Akustikusneurinome oder Cholesteatome, rechtzeitig erkannt und behandelt werden." Außerdem sei es nur HNO-ärztlich möglich, bei einer fortschreitenden Schwerhörigkeit die individuell sehr unterschiedliche Abgrenzung von einer Hörgeräteversorgung zur möglichen CI-Implantation vorzunehmen. "Niedergelassene HNO-Ärztinnen und -Ärzte arbeiten hierbei eng mit den HNO-Kliniken zusammen."
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Thomas Hahn
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