75 Jahre Bundestag: Parlamentarismus stärken
(Berlin) - Der Bundestag begeht seinen 75. Geburtstag. Der Deutsche Anwaltverein (DAV) betont anlässlich des Jubiläums die Bedeutung des Bundestags als Ort der demokratischen Auseinandersetzung. Parlamentarismus ist aber kein Selbstzweck und muss immer wieder neu verteidigt werden. So sieht der DAV eine Gefahr in zu kurzen Fristen bei der Gesetzgebung für die Abgeordneten. Sie haben oft zu wenig Zeit, die Entwürfe der Exekutive zu prüfen. Auch sieht die Anwaltschaft einen mangelhaft ausgestatteten Unterbau der legislativen Kontrolle, etwa bei der Überwachung der Geheimdienste.
"75 Jahre Bundestag - das ist ein Meilenstein der Demokratie in diesem Land, den es zu würdigen gilt", so Rechtsanwältin Dr. Sylvia Ruge, Hauptgeschäftsführerin des Deutschen Anwaltvereins. Dennoch sei Verbesserungspotenzial vorhanden, etwa im Austauschprozess mit gesellschaftlichen Akteuren. Noch immer gebe es häufig zu kurze Fristen in Gesetzgebungsprozessen. Dadurch bestehe die Gefahr einer Verschiebung bei der Gewaltenteilung. "Es darf nicht übersehen werden: der Gesetzgeber ist der Bundestag, nicht die Bundesregierung," sagt Ruge weiter. Bei vielen dränge sich der Eindruck auf, die Regierung "mache" die Gesetze.
Verbändebeteiligung ist keine bloße Formsache
"Gute Gesetzgebung fällt aber nicht vom Himmel. Das Parlament braucht ausreichend Zeit, die Entwürfe der Regierung zu prüfen und zu beraten", mahnt Ruge. Darüber hinaus seien nicht nur die Abgeordneten gefragt, wenn es um die Beschäftigung mit den Inhalten geht: "Die Beteiligung von Verbänden trägt entscheidend zur Praxistauglichkeit der Gesetze bei", so die DAV-Hauptgeschäftsführerin. Es sei wichtig, die Praxis zu hören. Wenn den Expert:innen allerdings teils nur wenige Wochen, Tage oder in Extremfällen sogar nur Stunden eingeräumt werden, um zu Gesetzentwürfen Stellung zu nehmen, sei keine tatsächliche Auseinandersetzung mit der Materie möglich. "Darauf haben wir und andere Verbände bereits häufig hingewiesen." Allen Beteiligten sollte klar sein, dass die Verbändebeteiligung ein unverzichtbarer Beitrag zum Gesetzgebungsprozess sei, der die Rückkopplung mit der Praxis und der gesellschaftlichen Realität gewährleiste.
Parlamentarische Kontrolle: Kampf mit ungleichen Waffen
Auch bei der Ausstattung der Bundestags-Gremien, die zum Beispiel die Nachrichtendienste kontrollieren sollen, herrsche ein Ungleichgewicht. "Aktuell sollen Abgeordnete, deren wenige Mitarbeiter verschiedene Themengebiete abdecken müssen, die Aktivitäten von BND, Verfassungsschutz und MAD kontrollieren, denen mehrere tausend Beamte und Mitarbeiter zur Verfügung stehen", bemängelt Sylvia Ruge. Der administrative Unterbau des Parlamentarischem Kontrollgremiums und der G10-Kommission, die Überwachungsmaßnahmen der Nachrichtendienste kontrolliert, sei dafür nicht ausreichend. Hier gelte es, die Ausstattung so zu gestalten, dass eine effektive Kontrolle durch die gewählten Volksvertreter:innen stattfinden könne.
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