Pressemitteilung | Verband Bildung und Erziehung e.V. (VBE)

7. Tutzinger Netzwerktagung: Lehrerbild in der Lehrerbildung anlegen

(Berlin) - „Die Lehrerbildung an den Universitäten darf nicht weiter ins Abseits gedrängt werden“, warnte der Bundesvorsitzende des Verbands Bildung und Erziehung (VBE) und BLLV-Vizepräsident Ludwig Eckinger auf der 7. Fachtagung des Tutzinger Netzwerks für Schule und Lehrer, die zum Thema „Was (können) Lehrer leisten“ bis heute (19. Oktober 2006) in der Evangelischen Akademie Tutzing stattfindet. „In der Lehrerbildung muss das Berufsverständnis der Lehrerinnen und Lehrer als Fachleute für Unterricht und Erziehung angelegt werden. Der Zopf gehört endlich abgeschnitten, Lehrer nur für Fächer auszubilden.“

Eckinger kritisierte, keine der Universitäten habe beim Exzellenzwettbewerb den Mut gehabt, ein Exzellenzvorhaben Lehrerbildung zu konzipieren und einzureichen. Er forderte erneut die Kultusministerkonferenz auf, sich für die Lehrerbildung auf nationale Qualitätsstandards zu einigen. „In Deutschland droht ein Missbrauch der Bologna-Vereinbarung. Ansätze, durch eine modische Strukturierung in Bachelor- und Masterstudiengänge womöglich ‚niedere’ und ‚höhere’ Lehrer für ‚niedere’ und ‚höhere’ Lehranstalten ausbilden zu wollen, lehnt der VBE grundsätzlich ab“, sagte der VBE-Bundesvorsitzende.

„Lehrerinnen und Lehrer leisten einen wesentlichen Beitrag zur Stärkung des demokratischen Gemeinwesens. Identität und Attraktivität des Lehrerberufes hängen eng mit der Lehrerbildung und den Rahmenbedingungen zusammen“, unterstrich Ludwig Eckinger. „Von einer wirklichen Reform der Lehrerbildung müssen vor allem kräftige Impulse für eine Schulkultur kommen, die das Gelungene betont, auf eine positive Fehlerkultur setzt und auf heterogenen Lerngruppen basiert. Wir brauchen eine gemeinsame universitäre Grundausbildung für Lehrer aller Schulstufen, die in einer stufenspezifischen Ausbildung fortgeführt werden muss.“

Roswitha Terlinden, Studienleiterin an der Evangelischen Akademie Tutzing, betonte das Ziel des Tutzinger Netzwerks, zur Wertschätzung der Arbeit der Lehrerinnen und Lehrer beizutragen. Sie kritisierte, zwischen den öffentlichen Bekundungen zur Bildung und den tatsächlichen Defiziten in Bezug auf die Rahmenbedingungen bestehe ein Widerspruch. Es müsse den Ländern klar sein, dass Verbesserungen nicht zum Nulltarif zu haben seien, so Terlinden. Joachim Kahlert, ebenfalls Gründungsmitglied des Tutzinger Netzwerks und Grundschulpädagoge an der Münchner Universität, bezeichnete es als „Auftrag an die Wissenschaft, den Realitätsgehalt von Anforderungen an Schule und Lehrer zu hinterfragen und notwendige Bedingungen zu entwickeln, damit Erwartungen realistisch werden“.
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Eiko Jürgens, Erziehungswissenschaftler an der Universität Bielefeld, sagte, das Berufsethos der Lehrerinnen und Lehrer sei nicht zu trennen von deren Menschenbild. Schüler seien nicht zuerst unterrichtsbedürftige Wesen, sondern Menschenkinder. Dies dürfe nicht aus dem Blick geraten, denn Schüler würden rund 15.000 Unterrichtstunden im Verlaufe der Pflichtschulzeit erleben. Jürgens verwies darauf, dass ein tendenziell pessimistisches Menschenbild verbunden sei mit der Orientierung an naturalistischen Begabungsvorstellungen, einem autoritativen Erziehungsstil und der Bejahung von Zensuren als Druckmittel. Bei einem tendenziell optimistischen Menschenbild hingegen, so Jürgens, würden die Menschen mit ihren Stärken und Schwächen gesehen und in hohem Maße für entwicklungsfähig gehalten, was mit einem schülerzentrierten Unterricht, individuellen Bezugsnormen bei der Beurteilung sowie mit weitgehendem Verzicht auf Druck und Strafen einhergehen würde.

Thomas Eckert, Erziehungswissenschaftler an der Münchner Universität, erklärte, die Unzufriedenheit mit der Schule werde weitgehend personalisiert auf die Lehrerinnen und Lehrer. Dies bestimme die öffentliche Wahrnehmung des Lehrerberufs. Zugleich würden fragwürdige Erwartungen an die Schule als kompensatorische Institution und an den Lehrerberuf als Vermittler arbeitsmarktrelevanter Qualifikationen gestellt. Die Professionalisierung des Lehrerberufes könne so nicht gelingen, betonte Eckert.

Das Tutzinger Netzwerk für Schule und Lehrer wurde im Mai 2000 ins Leben gerufen und ist eine Kooperation zwischen Verband Bildung und Erziehung (VBE), Bayerischem Lehrer- und Lehrerinnenverband (BLLV) und Evangelischer Akademie Tutzing. Es befördert den Dialog zwischen Lehrerinnen und Lehrern, Schulleitungen, Eltern, Erziehungswissenschaftlern, Lehrerbildnern und Bildungspolitikern. ­

Quelle und Kontaktadresse:
Verband Bildung und Erziehung e.V. (VBE) Mira Futász, Pressereferentin Behrenstr. 23-24, 10117 Berlin Telefon: (030) 7261966-0, Telefax: (030) 7261966-19

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