51 Akteure aus Zivilgesellschaft und Wissenschaft fordern gemeinsam: Haltung zeigen gegenüber Kindern, Jugendlichen und Familien, die Armut erfahren
(Berlin) - Ein breites Bündnis von 51 Verbänden, Organisationen und Einzelpersonen fordert anlässlich des heutigen Treffens des "Ratschlag Kinderarmut" mehr Solidarität, Wertschätzung, Unterstützung und Chancengerechtigkeit für von Armut betroffene Kinder, Jugendliche und ihre Familien.
Dafür sollten aus Sicht der Organisationen die Ursachen von Armut vorurteilsfrei in den Blick genommen werden, um die Kinderarmut in Deutschland nachhaltig zu bekämpfen. "Der Alltag von Kindern, die in Armut leben, ist von Verzicht und vielfach von Scham geprägt. Armut wirkt sich auch negativ im Bildungsbereich und auf die Gesundheit der Kinder aus. Deshalb brauchen wir armutssensible Fachkräfte in allen Bereichen von Politik, Verwaltung, Rechtsprechung und Gesellschaft. Notwendig ist auch eine armutssensible Arbeitsweise aller Institutionen und Einrichtungen, die Entscheidungen für das Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen treffen. Wir brauchen schnellstmöglich eine Kindergrundsicherung und eine ressortübergreifende Gesamtstrategie gegen Kinderarmut, die neben monetären Leistungen auch ein starkes Augenmerk auf infrastrukturelle Bedingungen zur Unterstützung von Familien und ihren Kindern legt. So wie die Ursachen und Folgen von Kinderarmut mehrdimensional sind, müssen dabei alle politischen, staatlichen und zivilgesellschaftlichen Akteure armutssensibel bei der umfassenden Bekämpfung von Kinderarmut und sozialer Exklusion zusammenarbeiten", betont Thomas Krüger, Präsident des Deutschen Kinderhilfswerkes.
Im Appell "Haltung zeigen gegenüber Kindern, Jugendlichen und Familien: Menschen in Armutslagen vorurteilsfrei begegnen!" des Ratschlag Kinderarmut (https://t.ly/oPLCe) heißt es wörtlich: "Wir fordern, die Ursachen von Armut vorurteilsfrei in den Blick zu nehmen, um Kinderarmut nachhaltig zu bekämpfen! Betroffene Familien kämpfen mit schlechten Rahmenbedingungen auf dem Arbeitsmarkt wie niedrigen Löhnen und prekären Beschäftigungsverhältnissen. Dazu kommt eine oft mangelhafte Vereinbarkeit von Familie und Beruf und eine Kinderbetreuung, die tatsächliche Bedarfe nicht abdeckt. Lebensereignisse wie Arbeitslosigkeit, Trennung, Krankheit, Migration und Flucht steigern das Armutsrisiko erheblich. Die Konsequenz: Nicht jedes Kind startet mit den gleichen Grundvoraussetzungen ins Leben - die Chancen sind extrem ungleich verteilt. Statistisch betrachtet überdauert Armut in Deutschland aktuell sechs Generationen. Das heißt umgekehrt, dass trotz größter eigener Bemühungen fünf Generationen aus eigener Kraft nicht den Aufstieg in die Mitte der Gesellschaft schaffen.
In der aktuellen Diskussion um eine Kindergrundsicherung nehmen wir die von manchen Medien und politischen Entscheidungsträger*innen gezeichneten Bilder von Misstrauen als höchst problematisch wahr. Vorurteile gegenüber einkommensarmen Eltern, sie würden die für ihre Kinder gedachten Geldleistungen für Alkohol, Tabak und elektronische Konsumgüter zweckentfremden, sind schlicht falsch. Sie verzerren den Blick auf die tatsächlichen Belastungen in prekären Lebenslagen sowie die gravierenden Folgen von Armut. Studien für Deutschland belegen dahingegen, dass Eltern aus einkommensschwachen Familien eher bei sich selbst als bei ihren Kindern sparen und in Relation zum verfügbaren Einkommen genauso viel Geld für die Bildung ihrer Kinder verwenden wie einkommensstärkere Eltern. Es sind diese stigmatisierenden Denkweisen, falschen Armutsbilder und irreführenden Informationen, die dringend notwendige politische Reformen und Lösungen verhindern. Von Armut betroffene Kinder, Jugendliche und ihre Familien brauchen Solidarität, Wertschätzung, Unterstützung und Chancengerechtigkeit."
Der Appell wird unterstützt von: Arbeiter-Samariter-Bund Deutschland e.V., Arbeitsgemeinschaft der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege des Landes NRW, Arbeitslosenverband Deutschland Landesverband Brandenburg e.V., Armut und Gesundheit in Deutschland e.V., AWO Bundesverband e.V., AWO Bezirksverband Niederrhein e.V., Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte e.V. (BVKJ), Bundesforum Männer e.V., Bundesjugendwerk der AWO e.V., Bundesverband der Familienzentren e.V., Bundesverband der Mütterzentren e.V., Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung, Der Kinderschutzbund Bundesverband e.V., Der Kinderschutzbund Landesverband Rheinland-Pfalz e V., Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband - Gesamtverband e.V., Deutscher Bundesjugendring e.V., Deutscher Caritasverband e.V., Deutsches Kinderhilfswerk e.V., DGSF - Deutsche Gesellschaft für Systemische Therapie, Beratung & Familientherapie e.V., Diakonie Deutschland Evangelisches Werk für Diakonie und Entwicklung e.V., DIE LINKE. Stadtverband Kaiserslautern, Diözesan-Caritasverband für das Erzbistum Köln e.V., Erwerbslosengruppe ver.di Mittelbaden-Nordschwarzwald, evangelische arbeitsgemeinschaft familie e.V., Evangelischer Bundesfachverband Existenzsicherung und Teilhabe e.V. (EBET), Familienbund der Katholiken - Bundesverband, Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik e.V., Internationaler Bund (IB) e.V., KINDERVEREINIGUNG e.V., Landesarmutskonferenz Rheinland-Pfalz, Landesvereinigung für Gesundheit und Akademie für Sozialmedizin Niedersachsen Bremen e.V., LIGA der Freien Wohlfahrtspflege in Rheinland-Pfalz e.V., Nationale Armutskonferenz, National Coalition Deutschland - Netzwerk zur Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention, Nestwärme e.V. Deutschland, PEKiP e.V., Präventionsketten Niedersachsen: Gesund aufwachsen für alle Kinder!, Save the Children Deutschland e.V., Selbstvertretung wohnungsloser Menschen e.V., SOS-Kinderdorf e.V., SoVD Sozialverband Deutschland e.V., Sozialverband VdK Deutschland e.V., Stiftung SPI, Verband alleinerziehender Mütter und Väter e.V., Verband binationaler Familien und Partnerschaften, iaf e.V., Volkssolidarität Bundesverband e.V., Zukunftsforum Familie e.V.
Darüber hinaus wird der Appell mitgetragen von: Dr. Irene Becker - Empirische Verteilungsforschung, Gerda Holz - Politikwissenschaftlerin und Sozialarbeiterin, Dr. Maksim Hübenthal - FU Berlin, Dr. Gisela Notz - Sozialwissenschaftlerin und Historikerin
Information zum Ratschlag Kinderarmut: Auf Initiative der Nationalen Armutskonferenz (nak) trafen sich 2016 zahlreiche bundesweit agierende Organisationen, um gemeinsam Perspektiven der Bekämpfung von Kinderarmut zu diskutieren. Die erste gemeinsame Erklärung "Keine Ausreden mehr: Armut von Kindern und Jugendlichen endlich bekämpfen!" mit konkreten Forderungen zur Bundestagswahl wurde im Juni 2017 unter breiter medialer Beachtung veröffentlicht. Es folgten gemeinsame Erklärungen im Jahr 2018 und 2020. Kurz nach der Bundestagswahl im Jahr 2021 veröffentlichte der Ratschlag die Erklärung "Vier Jahre Zeit, um Kinderarmut endgültig zu beseitigen!" und rief die Kampagne #4JahregegenKinderarmut ins Leben. Daran schloss sich im November 2022 die gemeinsame Erklärung "Solidarität mit armutsbetroffenen Kindern, Jugendlichen und ihren Familien - besonders in der Inflationskrise!".
Quelle und Kontaktadresse:
Deutsches Kinderhilfswerk e.V.
Uwe Kamp, Pressesprecher
Leipziger Str. 116-118, 10117 Berlin
Telefon: (030) 3086930, Fax: (030) 2795634
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