35 Prozent bis 2035 - Was "Priorität für die Schiene" für die Politik bedeutet
(Berlin) - Güterverkehr und Verkehrswende haben im Wahlkampf kaum eine Rolle gespielt, dabei sind sie der Elefant im Raum: Der Lkw-Verkehr verursacht 96 Prozent der Treibhausgasemissionen des Güterverkehrs, doch Priorität für die klimafreundliche Schiene und mehr Wettbewerbsgerechtigkeit zwischen Straße und Schiene ließen auf sich warten. In einem Vorstoß, der sich vorrangig an die Spitzen der potenziellen Regierungsparteien richtet, haben die Güterbahnen nun ihren Masterplan für die beginnende Legislaturperiode vorgelegt. Gleichzeitig starten sie ein Format zur Erklärung wichtiger Fakten über den Schienengüterverkehr: Die "Zahl des Tages".
Intermodal - also übergreifend über mehrere Verkehrsmittel - schlagen die Güterbahnen 39 Einzelaktivitäten, davon 14 Sofortmaßnahmen für die nächste Legislaturperiode vor. Der Schiene soll endlich die Priorität eingeräumt werden, die nötig ist, um die Klimaschutzziele zu erreichen. Wenn die vier Handlungsfelder Infrastruktur, Rahmenbedingungen, Innovationsförderung und Bahnreform II gleichzeitig angepackt werden, wird in Zukunft der Transport von Gütern verkehrsmittelübergreifend, wirtschaftlich und klimafreundlich organisiert werden können. "Nach vier verlorenen Jahren muss die nächste Regierung endlich Ernst machen und Maßnahmen ergreifen, die die Schiene als Rückgrat intelligenter Logistikketten begreift. Dann ist das Ziel 25 Prozent Schienenanteil bis 2030, das vom BMVI ausgegeben wurde, nicht nur möglich, sondern locker zu schaffen. Dann ist auch noch mehr drin: Die Güterbahnen sehen sich in der Lage, bis 2035 sogar 35 Prozent abzuwickeln. Die nötigen Schritte dahin liegen auf dem Tisch, jetzt wollen die Güterbahnen mit einer neuen Regierung durchstarten", sagt Ludolf Kerkeling, Vorstandsvorsitzender des Netzwerks Europäischer Eisenbahnen (NEE).
Die Liste der Versäumnisse der letzten Jahre ist lang: So wurden beispielweise nur läppische gut 500 von 13.000 nicht elektrifizierten Streckenkilometern mit einer Oberleitung versehen, nur 15 von 75 geplanten Überholgleisen wurden auf die europäische Normlänge von 740 Metern gebracht, Lkw mit alternativen Antrieben wurden von der Maut befreit, Gas-Lkw gefördert und Lang-Lkw verbreitet, obwohl all dies nicht zur Entlastung des Straßennetzes beiträgt. Und auf die überfällige Bahnreform II warten die Güterbahnen nach wie vor vergeblich. Eine Satzungsänderung bei der DB Netz AG, mit der Gewinnabführungen an den DB-Konzern beendet würden, gehört daher zu den 14 Sofortmaßnahmen, die die Güterbahnen für die kommende Legislatur vorschlagen. Auch eine Förderung zur Nachrüstung kranbarer Lkw-Sattelauflieger (Trailer) und eine EU-Initiative, nur noch kranbare Trailer zuzulassen, ließen sich zügig umsetzen, ebenso ein Moratorium beim Autobahnneubau. Stattdessen fordern die Güterbahnen ein Sofortprogramm zum Ausbau der Schieneninfrastruktur, denn die von der bisherigen Regierung veranschlagten 2 Mrd. Euro pro Jahr bis 2025 reichen bei weitem nicht für den benötigten Investitionshochlauf. Finanziert werden sollen die zusätzlichen Ausgaben unter anderem durch Subventionsabbau, etwa bei der für 88 Prozent des Straßennetzes geltenden Mautbefreiung oder beim Dieselsteuerprivileg von 18 Cent pro Liter.
Westenberger: "Die nächste Regierung muss sich entscheiden: Möchte sie den Kurs von schwarz-rot fortsetzen und folgenlos über diverse theoretische Antriebstechnologien beim Lkw diskutieren, nur um eigentlich an den herkömmlichen Diesel-Lkw-abhängigen Logistikkonzepten festzuhalten und niemandem auf die Füße zu treten, oder möchte sie die gesetzlichen Klimaschutzziele erreichen und einen insgesamt zukunftsfähigen Güterverkehr auf den Weg bringen?". In der Ära Scheuer ist der Marktanteil der Schiene im Güterverkehr von 18,7 auf 18,0 Prozent gesunken. Der Koalitionsvertrag von 2018 hatte etwas anderes versprochen. Im intermodalen Wettbewerb kämpfen die Güterbahnen weiterhin täglich einen ungleichen Kampf in einem verzerrten Wettbewerb mit einem künstlich vergünstigten Lkw, der eine weit leistungsfähigere Infrastruktur nutzen kann - nach wie vor zwei schlagende Argumente für die Verlader.
Die Zielmarke "35/35" der Güterbahnen bildet gleichzeitig den Auftakt zu einem Format des NEE, das heute in seiner zweiten Auflage startet: Die Zahl des Tages. Ziel der Aktion ist es, wichtige Zahlen für die Zukunft des Schienengüterverkehrs bekannt zu machen. Damit sollen schlaglichtartig Themen im Güterverkehr beleuchtet werden, denn kaum jemand weiß beispielsweise, dass der Güterverkehr ein Drittel der Treibhausgasemissionen des Klimasorgenkindes Verkehr ausmacht. Fakten wie diese sollen mit der Aktion größere Bekanntheit erlangen. Vorgesehen ist, dass jede Woche zwei Zahlen des Tages an Interessierte versendet werden. Die heutige erste Zahl des Tages - 35 - gibt es hier.
Quelle und Kontaktadresse:
Netzwerk Europäischer Eisenbahnen e.V.
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