Pressemitteilung | Photoindustrie-Verband e.V. (PIV)

175 Jahre Fotografie - Ein Geschenk an die Welt

(Frankfurt am Main) - Am 19. August 1839 machte der französische Staat der Menschheit eines der schönsten Geschenke ihrer Geschichte: Er kaufte seinem Bürger, dem Erfinder, Künstler und Physiker Louis Jaques Mandé Daguerre die Rechte an dem von ihm entwickelten Verfahren zur Herstellung von Fotografien ab und gab es zur kostenlosen Nutzung für jedermann frei. Seither gilt dieses Datum als die Geburtsstunde der Fotografie.

Die älteste noch erhaltene Daguerreotypie entstand bereits 1837. Doch damals hielt der Perfektionist Daguerre das von ihm gemeinsam mit dem wohlha-benden Privatier und Wissenschaftler Joseph Nicéphore Niépce entwickelte Verfahren noch nicht für ausgereift. Als es dann schließlich zwei Jahre später am 7. Januar vom Leiter des Pariser Observatoriums François de Arago in der Französischen Akademie der Wissenschaften erstmals vorgestellt wurde, begeisterte es die geladenen Wissenschaftler derart, dass sie den französischen Staat dazu bewogen, den Erfindern die Rechte daran abzukaufen.

Am 19. August des gleichen Jahres wurde das zugrunde liegende Verfahren schließlich der Öffentlichkeit vorgestellt. Der französische Staat erwarb die Rechte daran und schenkte sie der Welt zur freien Nutzung. Joseph Nicéphore Niépce, der mit seinen vorangegangenen fotografischen Experimenten maßgeblich zu Daguerres Erfolgen beigetragen hatte, konnte den Erfolg nicht mehr miterleben. Er war sechs Jahre zuvor verstorben. Sein Sohn Isidore Niépce erhielt jedoch vom Staat - ebenso wie Daguerre - eine lebenslange Rente. Seither gilt die Fotografie als das wohl größte Geschenk, das je ein Staat der Welt gemacht hat. Sie hat sich in den 175 Jahren rasant weiterentwickelt und erneuert. Heute gibt es kaum einen Lebensbereich, der nicht mehr oder weniger durch bildgebende Verfahren geprägt ist. Ganz zu schweigen von den Kameras, die heute nahezu jeder Bürger in seinem Smartphone mit sich herumträgt. Die Fotografie hat, wie kein anderes Medium, die Kommunikation der Menschheit verändert und geprägt. Sie ist allgegenwärtig - es gibt nichts, von dem wir uns nicht irgendwie ein Bild machen könnten.

Dauerten Aufnahmen in den ersten experimentellen Phasen der Fotografie zunächst Stunden und auch bei der Einführung der Daguerreotypie, dem ersten, kommerziell nutzbaren fotografischen Verfahren noch etliche Minuten, so können die Hochgeschwindigkeitskameras von heute jede noch so schnelle Bewegungsphase gestochen scharf im Bruchteil einer Sekunde erfassen und Dinge sichtbar machen, die dem Auge sonst verborgen blieben.

Waren die Daguerreotypie Unikate, so hatte nahezu zeitgleich der Engländer William Henry Fox Talbot ein Negativ-Positiv-Verfahren entwickelt, mit dem von einer Aufnahme mehrere Abzüge hergestellt werden konnten. Daguerre und Niépce nutzten als Träger zur Fixierung ihrer Aufnahmen Zinn- beziehungsweise Kupferplatten und verwendeten als fotoempfindliche Schichten Asphalt, Jod und Silber. Lange Belichtungen waren auch für Talbots Positiv-Negativ-Verfah-ren notwendig. Aber er setzte Papier als Träger ein.
Immer mehr Wissenschaftler und Forscher erkannten das große Potenzial der Fotografie und suchten nach besseren und einfacheren fotografischen Methoden und Medien. Lange Zeit dienten Glasplatten, die der Fotograf selbst beschichtete und vor Ort entwickelte, als der praktikabelste Weg zum Foto. Immer empfindlichere Emulsionen wurden gemixt, die immer kürzere Belichtungen ge-statteten und nun auch Bewegungen festhalten konnten. Erst 1869 begann die industrielle Fertigung von Trockenplatten, mit denen die frühe Reisefotografie einen deutlichen Schub bekam.

Noch bequemer und flexibler wurde das Fotografieren mit der Einführung von Trägermaterialien für die lichtempfindlichen Emulsionen, die sich rollen ließen. Die erste Kamera für Kassetten mit rollbaren Aufnahmematerial hat Leon Warneke in London entwickelt. Sie verwendete ein Negativpapier auf Basis von Kollodium, das später durch Gelatine ersetzt wurde. Dieser flexible Bildträger ermöglichte es, die Kamera gleich für mehrere Aufnahmen zu laden.

Fast 50 Jahre nach der Vorstellung der Daguerreotypie brachte Eastman Kodak die erste mit einem Rollfilm bestückte Kamera auf den Markt. Unter dem Motto "You press the button - we do the rest" eröffnete das Unternehmen, das bis dahin vor allem mit fotografischen Trockenplatten seine Geschäfte gemacht hatte, der Fotografie den breiten Massenmarkt. Die Kodak 1 Kamera war mit einem Film für 100 Aufnahmen vorgeladen. Sie wurde zum Entwickeln an Kodak geschickt und kam zusammen mit den runden Abzügen und neu geladen innerhalb von etwa vier Wochen wieder zurück.
Mit der Erfindung des Rollfilms auf einem flexiblen Zelluloid-Träger gewann der Fortschritt in der Fototechnik weiter an Fahrt. Sie eroberte schon bald den Massenmarkt. War die Kodak 1 noch etwa halb so groß wie ein Schuhkarton, so wurden die Kameras immer handlicher, kleiner und einfacher zu bedienen. Die steigende Qualität und Empfindlichkeit der Filme führte schließlich zu klei-neren Aufnahmeformaten, was durch weitere Fortschritte bezüglich der Leistung von Kameraobjektiven gestützt wurde.

Die deutsche Kameraindustrie eroberte den Weltmarkt. Der Wunsch, auch Bewegungen einzufangen und wiedergeben zu können, wurde stärker. Schon vor der Erfindung der Fotografie hatte man, durch in schneller Folge präsentierte Bildfolgen, Bewegungen simuliert. Fotografisch ist dies erstmals Eadweard Muybridge gelungen, der Einzelaufnahmen eines galoppierenden Pferdes so präsentierte, dass der Eindruck einer Bewegung entstand. Zahlreiche Erfindungen folgten, die aber alle nur Stationen auf dem Weg zum Kinofilm darstellten. Wieder war es ein Franzose, nämlich Louis Le Prince, der 1888 - allerdings in Leeds, England - die erste Filmkamera für Bewegtbilder entwickelte und einsetzte. Eine der ersten Kinovorführungen, die als Geburtsstunde des Stummfilms gilt, fand im Berliner Variété Wintergarten statt. Dort projizierten die Brüder Skladanowsky 1895 zum ersten Mal in Europa vor einem größeren Publikum Filme auf eine Leinwand. Später verhalfen die Brüder Lumière in Europa dem Kino zum Durchbruch. Anfang bis Mitte der 1890-er Jahre konkurrierten die Systeme von Thomas Alva Edison und den Brüdern Lumière im Wettlauf um eine gewinnversprechende Kinotechnik.

In Deutschland bauten Zeiss und Leitz Kinoprojektoren. Zeiss hatte früh das Potenzial der Fotografie und des Kinos erkannt und zahlreiche Firmen der Branche, die sich mit der Herstellung von Kameras, Projektoren und auch Filmen befassten, unter dem Firmenkonglomerat Zeiss Ikon zusammengeführt und versucht, einen Fotomarkt beherrschenden Kamerakonzern zu schaffen.
Einer der berühmtesten Mitarbeiter des Konzerns war Oskar Barnack, der sich damals schon mit einer Kleinkamera für Kinofilm befasste, doch offensichtlich bei seinen Chefs kein Interesse fand. Später bei Leitz konstruierte er die Leica, die mit ihrem Erscheinen 1925 die Fotografie revolutionieren sollte.
Seither wurde das Fotografieren für private Zwecke und für die normale Dokumentation immer einfacher und die Abbildungsqualität der Bilder immer besser. Vor allem aber wurde das Fotografieren flexibler und mobiler. Waren früher tiefgreifende Kenntnisse Voraussetzung, Fotografien in professioneller Qualität herzustellen, so ist dies heute für jedermann auf Knopfdruck möglich.

Mit dem Übergang zur Digitalfotografie in den 1990-er Jahren und der Entma-terialisierung der Aufnahmen, wurden die Grenzen der Fotografie kontinuierlich erweitert. Der Film wurde überflüssig. Das Bild wird in Form von mathematischen Formeln aufgezeichnet, wiedergegeben, aufbewahrt und weitergeleitet - in wählbaren Stilrichtungen, Empfindlichkeiten, Farbcharakteristika und mit zahlreichen, einfach einzusteuernden Effekten. Längst ist die Fotografie in ihren unendlichen Wahrnehmungsmöglichkeiten dem menschlichen Auge weit voraus. Andererseits geraten handwerklich anspruchsvolle Techniken der Bildproduktion, die ganze Fotografen-Epochen prägten, mehr und mehr in Vergessenheit oder werden in Museen als historische Highlights oder Fotokunst gefeiert: Die großartigen Schwarzweiß-Ausarbeitungen eines Ansel Adams, die hochwertigen Vergrößerungen von Diapositiven nach dem Dye-Transfer-Verfahren oder auf hochglänzenden Cibachrome Papieren gehören dazu. Belichtung und Schärfe werden heute perfekt automatisch gesteuert, wie alle anderen erforderlichen Voreinstellungen einer Kamera auch. Beabsichtigte Bildwirkungen können auf Knopfdruck abgerufen werden und jeden bewährten Bildstil kopieren, ohne dass sich der Fotograf den Kopf zerbrechen muss, wie sie realisierbar sind.

Doch gleichzeitig wurden die bildgebenden Techniken nicht nur einfacher zu handhaben, sondern auch immer leistungsstärker und komplexer. In Wissen-schaft und Technik sind fotografische Methoden in der Forschung, Dokumentation, Analyse oder Steuerung unverzichtbar. Kameras steuern Autos vollautomatisch, helfen beim Einparken, analysieren die Verkehrslage. Sie helfen bei der Vermessung der Erde ebenso wie bei medizinischen Diagnosen. Sie liefern uns Bilder von fernen Planeten und dienen in kamerabestückten Drohnen dazu, archäologisch interessante Regionen zu entdecken und zu erschließen. Integriert im Smartphone gehören sie zu den Utensilien, die uns ständig begleiten wie der Hausschlüssel und das Portemonnaie. Bilder sind das wichtigste Werkzeug geworden, um unsere Erlebnisse mit anderen zu teilen und unser Leben in ihnen festzuhalten. Die Weiterentwicklung der Fototechnik hat und wird auch weiterhin unsere Art zu kommunizieren verändern und bestimmen. So wie Kameras dazu dienen, uns ein Bild von der Welt zu machen und es zu verbreiten, so formen sie auch unser Weltbild. Alle zwei Jahre trifft sich seit 1950 in Köln die internationale Fotoindustrie und -szene zur Bestandsaufnahme und den Austausch von Visionen für die Zukunft. Der Pflichttermin für alle, die sich für das gesamte Spektrum der Fotografie interessieren, gibt umfassend Auskunft über die aktuellsten Entwicklungen und Fortschritte des sich seit seiner Geburtsstunde im Jahre 1839 mit großer Dynamik verändernden Mediums. In diesem Jahr findet die photokina vom 16. bis 21. September statt.

Quelle und Kontaktadresse:
Photoindustrie-Verband e.V. Pressestelle Mainzer Landstr. 55, 60329 Frankfurt am Main Telefon: (069) 25561410, Fax: (069) 236521

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