Pressemitteilung | Berufsverband der Augenärzte Deutschlands e.V. (BVA)

Wenn die Brille krank macht...

(Düsseldorf) - Schulschwierigkeiten können viele Ursachen haben. Gemeinsam ist allen, dass Kinder mit zu wenig Erfolgserlebnissen leicht die Lust am Lernen verlieren und dass sich ihre Eltern Sorgen machen. In solchen Fällen mangelt es nicht an "guten Ratschlägen". Leider sind sie aber nicht immer gut. Es gibt auch solche, deren Befolgen verhängnisvolle Auswirkungen haben kann. So müssen beinahe 30% der Kinder, die nach der fast ausschließlich von Optikern angewandten MKH (Mess- und Korrektionsmethodik nach H.J.Haase) mit Prismenbrillen versorgt wurden, nach einigen Jahren an den Augen operiert werden. Die gesetzlichen Krankenversicherungen wissen das und lehnen daher die Kostenübernahme für Brillengläser mit Prismenzusatz ab, sofern sie nicht vom Augenarzt verschrieben sind.

Den Versuch, Eltern zu überreden, die Brillengläser ihres Kindes zusätzlich mit Prismen zu versehen, unternehmen längst nicht alle Augenoptiker. Es ist nur ein relativ kleiner Kreis, der zum Beispiel auch eine Lese-Rechtschreib-Schwäche (Legasthenie) mit Prismengläsern "heilen" will. Diese Optiker vertreten den längst durch Wissenschaftler widerlegten Standpunkt, Legasthenie müsse durch eine Fehlfunktion der Augen bzw. durch einen "Fehler" in der Zusammenarbeit beider Augen hervorgerufen sein. Diese Fehlfunktion bezeichnen sie als "Winkelfehlsichtigkeit", und das ist ein Begriff, den es in der wissenschaftlich fundierten medizinischen Optik nicht gibt. Ein Optiker hat ihn erfunden und damit ein Gesetz umgangen, das Optikern lediglich erlaubt, Fehlsichtigkeiten auszumessen und zu korrigieren, also Kurzsichtigkeit (Myopie), Übersichtigkeit (Hyperopie), Stabsichtigkeit (Astigmatismus) und Altersweitsichtigkeit (Presbyopie). Alle anderen Abweichungen bedürfen der augenärztlichen Diagnose und Behandlung. Dazu gehört u.a. Schielen und auch das verdeckte Schielen, die Heterophorie. Und die wird von Optikern in "Winkelfehlsichtigkeit" umbenannt, womit der Anschein erweckt wird, dass es sich um eine Fehlsichtigkeit handelt, die sie vermeintlich "legal" mit Prismengläsern korrigieren dürfen. Prismengläser haben aber nicht wie Plus- oder Minusgläser eine korrigierende Wirkung; sie greifen in das Augenmuskelgleichgewicht ein - und das ist "Therapie" und zwar eine, bei der man unter Umständen mit ganz erheblichen unerwünschten Nebenwirkungen rechnen muss.

Der MKH-Polatest - oft der erste Schritt zur späteren Augenoperation
Optiker bieten diesen Test nicht nur bei Lese-/Rechtschreib-Schwächen an, sondern bei allen möglichen Beschwerden unklaren Ursprungs, wie häufig auftretende Kopfschmerzen, Konzentrationsmangel, Verspannungen der Halswirbelsäule. Unter diesem Test können die Sehachsen der Augen voneinander abweichen, wodurch oftmals falsche Testergebnisse produziert werden, da die Testbedingungen nicht denen des natürlichen beidäugigen Sehens entsprechen. Das wird zwar von den Anwendern der Methode behauptet, ist aber durch wissenschaftliche Untersuchungen zweifelsfrei widerlegt worden. Hinzu kommt, dass eine Heterophorie keineswegs grundsätzlich einer Behandlung bedarf. Im Gegenteil: Man findet sie bei 70 bis 80% aller Menschen; zu Beschwerden führt sie jedoch nur bei den allerwenigsten.

Das Polatest-Gerät wurde von einem Optiker namens Haase entwickelt. Die nach ihm benannte Messmethodik heißt MKH. Da die mit ihr zu gewinnenden Ergebnisse allein nicht zuverlässig sind, wird sie von Augenärzten - wenn überhaupt - nur in Verbindung mit anderen Diagnosemethoden angewandt. Bei den auf MKH eingeschworenen Optikern stellt sie das einzige Verfahren zur Ermittlung des Prismenzusatzes dar. Das hat zur Folge, dass die erforderlich scheinende Stärke der Prismen von Test-Situation zu Test-Situation wechseln kann, denn das Messergebnis beruht auf den subjektiven Angaben des Getesteten. Wenn Kinder Probleme haben, die möglicherweise auf einer fehlerhaften oder nicht entspannten Zusammenarbeit der Augen beruhen, ist es unbedingt erforderlich, die Augen nach Gabe von Tropfen zu untersuchen, die die inneren Augenmuskeln entspannen und die Naheinstellung (Akkommodation) vorübergehend aufheben. Nur so kann man den Brechungszustand der Augen und damit die Werte einer eventuell notwendigen Brille genau ermitteln. Wenn man bei einem Test gegen diese Regel verstößt und den innigen Zusammenhang zwischen Naheinstellung und Einwärtsdrehung der Augen (Konvergenz) vernachlässigt, dann können in der Tat alle möglichen "Stellungsfehler" hineinmanipuliert werden. Gerade bei Kindern kann die Höhe des mit dem Polatest gemessenen Prismenbedarfs von mal zu mal drastisch zunehmen bis zu einem Zustand, bei dem der Prismenzusatz nicht mehr in eine Brille eingeschliffen werden kann. In solchen Fällen hilft nur noch eine Schieloperation - eine Augenoperation, die Eltern ihrem Kind ersparen können, wenn sie darauf bestehen, dass jede seiner Brillen vom Optiker exakt nach augenärztlicher Verordnung angefertigt wird.

Quelle und Kontaktadresse:
Berufsverband der Augenärzte Deutschlands e.V. (BVA) Tersteegenstr. 12 40474 Düsseldorf Telefon: 0211/4303700 Telefax: 0211/4303720

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