Pressemitteilung | Bundesverband deutscher Banken e.V. (BdB)

Welche Zukunft hat der Mittelstand?

(Bremen) - Redetext des Hauptgeschäftsführers und Vorstandsmitgliedes des Bundesverbandes deutscher Banken Dr. Manfred Weber am 3. Mai in Bremen. > Es gilt das gesprochene Wort <.

Meine sehr geehrten Damen und Herren,
wenn die Mehrheit der Bürger Recht hat, dann steht es nicht gut um den Mittelstand: 69 Prozent der Deutschen meinen, der Mittelstand habe schlechte Zukunftsaussichten. 78 Prozent finden, der Staat benachteilige mittelständische Unternehmen. Ich bin sicher: Wir werden heute feststellen, dass die Realität des Mittelstandes besser aussieht. Aber: Das heißt nicht, dass es nichts zu korrigieren bzw. zu verbessern gibt. Und: Auch auf diesem Gebiet müssen wir unsere Zukunft beizeiten gestalten.

Damit heiße ich Sie herzlich willkommen zum Symposium des Bundesverbandes deutscher Banken und der Universität Bremen. Die eben genannten Zahlen stammen aus einer vom Bankenverband in Auftrag gegebenen Umfrage im März. Sie machen deutlich, wie wichtig es ist, dass wir uns heute mit so vielen Gästen aus Politik und Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft gemeinsam der Frage widmen: Welche Zukunft hat der Mittelstand?

Ganz besonders begrüße ich den Hausherrn, den Bürgermeister der Freien Hansestadt Bremen und Präsidenten des Senats, Herrn Dr. Henning Scherf. Herr Bürgermeister, ich bin Ihnen dankbar, dass wir heute in diesem schönen Rathaus Ihrer Stadt zusammenkommen können. Eine solche Umgebung kann unserer Diskussion nur förderlich sein. Ich bin Ihnen aber vor allem dankbar, dass Sie den Dialog mit der Wirtschaft, der Wissenschaft und den Banken suchen und uns Ihre Vorstellungen einer modernen Mittelstandspolitik darlegen werden.

Ich begrüße sodann Herrn Professor Dr. Jürgen Timm, den Rektor der Universität Bremen. Ein Schlüssel für den Erfolg des Mittelstandes liegt zweifellos in qualifiziertem Personal und damit auch in den Universitäten. Herr Professor Timm, ich möchte nicht versäumen, Ihnen ganz herzlich für die hervorragende Zusammenarbeit bei der Vorbereitung dieses Symposiums zu danken.

Es ist mir eine Freude, Ihnen ferner Herrn Dr. Arend Oetker anzukündigen. Herr Dr. Oetker ist Geschäftsführender Gesellschafter der Dr. Arend Oetker Holding GmbH & Co. in Köln. Als Vizepräsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie und als Vorsitzender des BDI-Mittelstandsausschusses kennt er die Praxis des deutschen Mittelstandes aus nächster Nähe. Herr Dr. Oetker wird darlegen, was die mittelständischen Unternehmen in einer Zeit großer Umwälzungen von der Politik erwarten.

Welchen Herausforderungen sieht sich der Mittelstand im globalen Wettbewerb gegenüber? Zu diesem Thema begrüße ich Herrn Professor Dr. Juergen Donges, den Direktor des Instituts für Wirtschaftspolitik an der Universität zu Köln. Als exzellenter Nationalökonom gibt Herr Professor Donges immer wieder wichtige ordnungspolitische Orientierung. Er ist langjähriges Mitglied des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung und seit einigen Wochen auch der Vorsitzende dieses Gremiums. Herr Professor Donges, ich darf Ihnen an dieser Stelle noch einmal herzlich zu Ihrer Wahl gratulieren

Für die Moderation des heutigen Abends haben wir einen ebenso kompetenten wie erfahrenen Journalisten gewinnen können. Ich freue mich, Herrn Ernst Elitz, den Intendanten von DeutschlandRadio, begrüßen zu können.

Meine Damen und Herren,
warum eine Diskussion über das Thema Mittelstand? Das Thema ist gewiss nicht neu, und zumindest die Vokabel "Mittelstand" kommt vielen, zumal in der Politik, immer wieder schnell über die Lippen. Wenn wir, der Bundesverband deutscher Banken und die Universität Bremen, uns trotz der Allgegenwart der Mittelstandsdiskussion mit diesem Thema beschäftigen, dann hat das zwei Gründe:

Zum einen stellt die Globalisierung nicht zuletzt auch den Mittelstand vor neue Herausforderungen. Man könnte zwar meinen, ausgerechnet hier in Bremen auf die Bedeutung der Globalisierung hinzuweisen hieße Eulen nach Athen zu tragen. Diese weltoffene Stadt mit Wirtschaftsbeziehungen rund um den Globus; diese Stadt, die sich ihren Traditionen ebenso bewusst ist wie sie es verstanden hat, innovative Industrien anzusiedeln, diese Stadt, die mit namhaften Forschungsinstituten im High-Tech-Bereich auf eine enge Verzahnung von Wirtschaft und Wissenschaft bauen kann - diese Stadt hat Erfahrung darin, sich im weltweiten Wettbewerb zu behaupten.

Doch mit der Globalisierung und Digitalisierung erleben wir zurzeit einen Strukturwandel, der über die Intensivierung des Handels weit hinaus geht und dessen Ausmaß und Tempo atemberaubend sind. Auch wenn die Größe eines Unternehmens in diesem Prozess sicher nicht allein entscheidend für den Erfolg ist, stellt sich die Frage: Wie kann sich ein kleines oder mittleres Unternehmen heute erfolgreich am Markt behaupten? Ich bin jedenfalls überzeugt: An der Globalisierung wird sich die Zukunft des Mittelstandes entscheiden.

Der zweite Grund hat mit uns Banken selbst zu tun. Auch die Banken stehen mit der Globalisierung vor großen Herausforderungen. Tiefgreifende Umbrüche in der Bankenlandschaft sind die Folge. In diesem Umfeld ändern sich auch die Beziehungen zwischen den Banken und ihren Kunden, gerade den mittelständischen Kunden. Deshalb ist für die Banken das Thema Mittelstand so wichtig.

Zum Mittelstand zählt man üblicherweise Unternehmen, die einen Jahresumsatz zwischen 1 und 100 Mio DM beziehungsweise zwischen 10 und 500 Beschäftigte haben. Eine solche rein quantitative Abgrenzung ist nicht unproblematisch. Man kann sie aber zugrunde legen, um eine Vorstellung von der Bedeutung des Mittelstandes für die deutsche Volkswirtschaft zu bekommen:

Mittelständische Unternehmen beschäftigen mehr als zwei Drittel aller Arbeitnehmer, bilden 80 Prozent der Auszubildenden aus und tragen jeweils rund die Hälfte zur Bruttowertschöpfung, den steuerpflichtigen Umsätzen und den Bruttoinvestitionen aller Unternehmen bei.

Die Bedeutung des Mittelstandes ist immens, und um so mehr muss der anfangs zitierte Pessimismus der Bevölkerung mit Blick auf die Zukunft des Mittelstandes uns Anlass zur Überprüfung sein. Ich darf die Zahlen noch einmal in Erinnerung rufen: Wenn fast sieben von zehn Deutschen der Ansicht sind, der Mittelstand habe schlechte Zukunftsperspektiven, und wenn fast acht von zehn Bürgern finden, der Staat benachteilige mittelständische Unternehmen, dann liegt eine große Herausforderung für uns alle darin, dieses Bild zu korrigieren

Meine Damen und Herren,
nicht nur die Politik ist der Kritik ausgesetzt, mangelndes Engagement für den Mittelstand zu zeigen. Auch die Banken, so heißt es immer wieder, vernachlässigten den Mittelstand. Lassen Sie mich gegen solche pauschale Vorhaltungen nüchterne Zahlen setzen.

Zunächst: Die Banken suchen nach wie vor ihre Chancen beim Mittelstand. Jüngst hat eine Erhebung unseres Verbandes ergeben, dass die Kredite, die die privaten Banken an kleine und mittlere Unternehmen bis 100 Mio DM Jahresumsatz vergeben haben, zwischen 1997 und 1999 von knapp 251 auf fast 280 Mrd DM gestiegen sind - ein Zuwachs von gut elf Prozent. Von einem Rückzug der privaten Banken kann keine Rede sein. Gewiss schließt das nicht aus, dass einzelne Institute im Rahmen ihrer Geschäftspolitik unterschiedliche Wege gehen.

Darüber hinaus gilt es zu differenzieren: Längst ist der Mittelstand kein homogener Block mehr; er enthält aufstrebende Start-Ups und Traditionsunternehmen, Publikumsgesellschaften im Neuen Markt ebenso wie vorsichtige Kleinunternehmer. Diesem diversifizierten neuen Mittelstand müssen die Banken, die selbst in einem verschärften Wettbewerb stehen, Rechnung tragen. Den Banken erwächst dabei neue Konkurrenz, etwa durch andere Finanzdienstleister und Versicherungen, und auf der Nachfrageseite steigen die Ansprüche der Kunden. In dieser Situation ist es nicht nur sinnvoll und notwendig, nein, es ist zwangsläufig, dass die Beziehungen zwischen Banken und Kunden neu geordnet und differenziert werden

Und das heißt zweierlei: Zunächst muss jedes Institut seine Strategie fortwährend überprüfen und gegebenenfalls Geschäftsfelder restrukturieren. Zum anderen ist jede Bank im Firmenkundengeschäft darauf angewiesen, mit den Kunden zusammenzuarbeiten, die erfolgversprechende Geschäftsvorhaben planen und eine gute Bonität mitbringen. Deshalb können gerade mittelständische, flexible, junge Unternehmen in zukunftsträchtigen Branchen mit der Unterstützung der Banken rechnen. Voraussetzung für ein Kreditengagement sind allerdings eine gründliche Marktanalyse, ein klares Investitionskonzept, Wirtschaftlichkeitsberechnungen, ein Worst-Case-Szenario - kurz: ein überzeugender Business-Plan. So führt der Wettbewerb zu maßgeschneiderten Lösungen für individuelle Bedürfnisse. Kredite "von der Stange" gibt es nicht mehr, sie dienen auch dem Kunden nicht.

Dieses Umdenken, meine Damen und Herren, hat bereits eingesetzt: Der alte Begriff der "Kreditgewährung" trifft die Realität nicht mehr. In einem Umfeld immer schärferen Wettbewerbs werden Kredite nicht gewährt, sie werden nachgefragt und nach wirtschaftlichem Kalkül angeboten. Und so schließt sich der Kreis: Was für eine Bank betriebswirtschaftlich geboten ist, lenkt das Kapital in die sinnvollsten Verwendungen. Das ist auch volkswirtschaftlich effizient – und damit im Interesse aller.

Die Kreditvergabe ist aber nur ein Baustein im Angebot der privaten Banken an den Mittelstand. Die Finanzierungskultur im Mittelstand befindet sich im Umbruch zu einer stärkeren Eigenkapitalorientierung. Größere Mittelständler finanzieren sich über die Emission von Aktien. Für diese Unternehmen sind die privaten Banken der wichtigste Partner beim Gang an die Börse. Den Unternehmen, für die ein Börsengang nicht in Frage kommt, geben die privaten Banken Hilfe bei der Beteiligungsfinanzierung. Sie stehen dem Mittelstand ebenso zur Seite, wenn es darum geht, Fragen der Unternehmensnachfolge zu klären, Auslandsmärkte zu erschließen oder den Weg ins Electronic Business zu ebnen.

Meine Damen und Herren,
so sehr wir Banken uns engagieren – so entscheidend sind für kleine und mittlere Unternehmen die von der Politik zu setzenden Rahmenbedingungen: in der Steuer- und Finanzpolitik, bei der Reform der sozialen Sicherung sowie der Deregulierung des Arbeitsmarktes und vor allem auch in der Bildungspolitik. Dies sind die Hürden, die es auf dem Weg in eine neue Kultur der Selbständigkeit zu überwinden gilt. Wir werden heute Abend hierauf sicher zu sprechen kommen.

Der Mittelstand, das Rückgrat der deutschen Wirtschaft, hat alle Chancen, auch in der Zukunft eine tragende Rolle zu spielen. Mit einer klaren Kundenorientierung und Aufgeschlossenheit für neue Technologien, mit Anpassungsbereitschaft und Mut wird der Mittelstand seine Vorteile nutzen - und dies um so besser, je günstiger die Rahmenbedingungen sind, die die Politik setzt. Zum Erfolg müssen alle beitragen.

Quelle und Kontaktadresse:
Quelle: Bundesverband deutscher Banken e.V.

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