Pressemitteilung | (vzbv) Verbraucherzentrale Bundesverband e.V.

"Von-Wedel-Bericht greift zu kurz"

(Berlin) - Der Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. hat die am 10. Juli 2001 veröffentlichte Schwachstellenanalyse zum gesundheitlichen Verbraucherschutz der Bundesbeauftragten für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung als Ausdruck eines "rein kurzfristigen Krisenmanagements" kritisiert.

Der Bericht biete eine Reihe brauchbarer und sinnvoller Vorschläge, um Behördenabläufe im Bereich der Lebensmittelsicherheit zu verbessern. "Insgesamt aber ist er ein Symptom dafür, dass Verbraucherschutz noch nicht wirklich als politische Querschnittsaufgabe etabliert ist," sagte vzbv-Vorstand Prof. Dr. Edda Müller.

Als besonders kritisch wertete Müller die Verkürzung der Untersuchung der von-Wedel-Kommission auf die Lebensmittelsicherheit. "Das bedeutet, 90 % des Verbraucherschutzes von vornherein auszuklammern," so Müller. Auch der Aufbau zweier neuer Bundesbehörden allein für den Lebensmittelbereich greife zu kurz: "Sollen wir wieder zwei neue Behörden schaffen, wenn wir einen neuen Skandal bei Haushaltschemikalien oder in Zusammenhang mit Elektrosmog bei Handys haben ?", so Müller.

Stellenweise bedeuteten die Vorschläge von Rechnungshofpräsidentin von Wedel sogar einen Rückschritt gegenüber dem status quo. So habe das vor der BSE-Krise für den Verbraucherschutz zuständige Wirtschaftsressort teilweise größere Zuständigkeiten gehabt als das neue Verbraucherschutzministerium.

Als weitere Kritikpunkte nannte die vzbv-Vorsitzende:

- ein Fehlen konkreter Empfehlungen zur besseren Koordinierung der Bundesressorts;

- eine Vernachlässigung der Grundsatz- und Koordinierungsfunktion des Verbraucherschutzministeriums;

- eine mangelnde Berücksichtigung der "Unterstützungstruppen" im gesellschaftlichen Raum wie z.B. der Verbraucherverbände.

Die vorgeschlagene Aufteilung der Zuständigkeiten für das Risikomanagement und die Risikobewertung nannte Müller kontraproduktiv. "Die Unabhängigkeit wissenschaftlicher Beratung kann nicht durch verbeamtete Wissenschaftler mit Lebensbeschäftigungsgarantie gewährleistet werden, sondern muss durch Veröffentlichungsrechte und -pflichten garantiert werden," sagte Müller. Als Modell für die Verzahnung von Risikomanagement und Risikobewertung empfahl sie das Umweltbundesamt.

Für die Verbraucherverbände waren Frau Prof. Dr. Edda Müller vom vzbv und Dr. Karl-Heinz Schaffartzik, Vorstand der Verbraucherzentrale NRW im Beirat der von-Wedel-Kommission vertreten.

Verbraucherschutz ist mehr als Lebensmittelsicherheit - das wollen die Verbraucherverbände:

- die Einsetzung eines Bundestagsausschusses für Verbraucherfragen, um
die parlamentarische Kontrollfunktion zu stärken;

- die Ausstattung des Bundesministeriums für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft (BMVEL) mit wirksamen Einfluss- und Kontrollrechten sowie ausreichenden organisatorischen und personellen Kapazitäten, um seine Grundsatz-und Koordinierungsaufgaben bei verbraucherrelevanten Aufgaben anderer Ressorts erfolgreich wahrnehmen zu können;

- die Aufnahme eines suspensiven Vetorechts des BMVEL für verbraucherrelevante Beschlüsse im Kabinett in die Geschäftsordnung der Bundesregierung analog zum Recht des Finanzministers bei finanzwirksamen Entscheidungen;

- die Verankerung eines Initiativrechts des BMVEL in die Geschäftsordnung der Bundesregierung bei verbraucherrelevanten Zuständigkeiten anderer Ressorts entsprechend der Regelung in Frauenfragen;

- die Aufnahme einer Verpflichtung aller Ressorts in die Geschäftsordnung der Bundesregierung, die Auswirkungen von Gesetzesvorhaben und Programmen auf den Verbraucherschutz in den Begründungen für Kabinett und Bundestag darzustellen ("Verbraucherverträglichkeitsprüfung");

- rechtliche Regelungen zum öffentlichen Zugang zu relevanten Informationen und Daten z.B. der staatlichen Lebensmittelüberwachung durch ein Verbraucherinformationsgesetz;

- eine deutliche Stärkung der faktischen Mitwirkungsmöglichkeiten der unabhängigen Verbraucherorganisationen im politischen Prozess durch die Bereitstellung ausreichender Mittel.

Quelle und Kontaktadresse:
Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. Markgrafenstraße 66 10969 Berlin Telefon: 030/258000 Telefax: 030/2580018

NEWS TEILEN: