Pressemitteilung | Bundesverband deutscher Banken e.V. (BdB)

Medienwirkung: Die Macht des Fernsehens

(Berlin) - Das Fernsehen schafft sich seine eigene Realität. Dies gilt nicht nur für die Sparte Fiction, sondern bisweilen auch für die wirtschaftspolitische Berichterstattung. Dabei sollte sich das Fernsehen eigentlich seiner Verantwortung bewusst sein: Die Darstellung der Wirtschaftslage in den Fernsehnachrichten hat entscheidenden Einfluss auf deren Wahrnehmung in der Bevölkerung.

Wie sich die wirtschaftliche Lage eines Landes darstellt, ist gewiss kein unwichtiges Datum: Es gibt Auskunft über die Wohlstandsentwicklung einer Volkswirtschaft und beeinflusst nicht nur das Kauf- und Investitionsverhalten von Konsumenten und Anlegern, sondern auch -als Maßstab für Regierungsleistungen, Parteien und Kandidaten -politische Einstellungen sowie das Wählerverhalten.

Doch die Beurteilung der Wirtschaftslage ist selbst für Experten kein leichtes Unterfangen. Zu zahlreich sind die Faktoren, die einbezogen

werden müssen: die Entwicklung des Sozialprodukts, die Zahl der Erwerbstätigen, die Arbeitslosenquote, die Handelsbilanz, die Zahl der Konkurse und der Firmengründungen, die Inflationsrate und vieles mehr.

Für eine Beurteilung der allgemeinen Wirtschaftslage sind die Bürger daher im wesentlichen auf die Berichterstattung der Medien angewiesen.

Doch werden die Medien ihrer hohen Verantwortung, die daraus erwächst, auch gerecht? Um dieser Frage nachzugehen, wurde in einer jetzt vorliegenden Studie die Wirtschaftsberichterstattung in den Fernsehnachrichten der öffentlich-rechtlichen und der privaten Sender untersucht. Wie häufig wird in den Fernsehnachrichten über die allgemeine Wirtschaftslage in Deutschland berichtet? Wird die Wirtschaftslage eher positiv oder eher negativ dargestellt, und besteht ein Zusammenhang zwischen der Darstellung der Wirtschaftslage in den Fernsehnachrichten und der Wahrnehmung der Wirtschaftslage durch die Bevölkerung? Als Grundlage der Untersuchung dienten Inhaltsanalysen der wichtigsten TV-Nachrichtensendungen in der Zeit von August 1994 bis Dezember 2000 sowie in diesem Zeitraum erhobene Umfragedaten zur Wahrnehmung der Wirtschaftslage in der Bevölkerung. Die Inhaltsanalysen stammten von Institut "Medien Tenor", die Umfragedaten von der Mannheimer "Forschungsgruppe Wahlen".

Die Ergebnisse der Studie fallen für die Fernsehsender nicht gerade schmeichelhaft aus. Zunächst: Meldungen über die allgemeine Wirtschaftslage fristen in den Fernsehnachrichten ein trauriges Schattendasein. Innerhalb der Nachrichtensendungen von ARD und ZDF entfallen nur etwa zehn Prozent der Meldungen auf Wirtschaftsthemen, bei den Privatsendern sind es sogar weniger als fünf Prozent. E-Commerce führt bei vier Arten von Geschäftsbeziehungen zu Veränderungen: den Geschäftsbeziehungen zwischen Unternehmen und Konsumenten (Business-to-Consumer, kurz B2C, und umgekehrt Consumer-to-Business, C2B), zwischen verschiedenen Unternehmen (Business-to-Business, B2B) und schließlich der Konsumenten untereinander (Consumer-to-Consumer, C2C).

Zwar schwankt der Umfang der Wirtschaftsberichterstattung im Untersuchungszeitraum zum Teil beachtlich, doch ist dieses Auf und Ab vor allem auf die unterschiedliche Aufmerksamkeit zurückzuführen, die Journalisten dem Thema "Arbeitsmarkt" zukommen ließen. So geht der Zuwachs der Berichterstattung über die Wirtschaftslage in den Jahren 1996 und 1997 entscheidend auf die Hinwendung der Journalisten zum Problem der Arbeitslosigkeit zurück. Betrug der Anteil des Themas "Arbeitsmarkt" 1995 noch 28 Prozent, so waren es 1996 bereits 36 Prozent. Und 1997 basierten 40 Prozent aller Darstellungen der Wirtschaftslage auf Aussagen über den Stand und die Entwicklung von Arbeitslosigkeit in Deutschland. Mit der nachlassenden Berichterstattung über die Wirtschaftslage insgesamt sank dann auch der Anteil, den das Thema "Arbeitsmarkt" in ihr einnimmt, auf 27 Prozent 1998 und 22 Prozent 1999. Auch im Jahr 2000 hatte das Thema keine "Konjunktur".

Mit der zeitweisen Verengung auf einige wenige Themen -vor allem die Arbeitslosigkeit -wird die Wirtschaftsberichterstattung der Komplexität der ökonomischen Realität nicht gerecht. Statt die Wirtschaftslage anhand zahlreicher Indikatoren darzustellen, wird sie meist nur an einem Datum festgemacht. Wirtschaftliche Zusammenhänge -etwa zwischen Inflation, Arbeitslosigkeit, Wirtschaftswachstum und Exportrate -werden kaum erläutert.

Doch damit nicht genug. Die schon in früheren Studien gewonnene Erkenntnis, dass "Realität" und Medienrealität aufgrund der Nachrichtenselektion der Journalisten und ihrem Hang zum Negativismus häufig auseinander klaffen, bestätigt sich erneut: Nicht nur zwischen der Entwicklung der Arbeitslosenquote und der Berichterstattung über Arbeitslosigkeit besteht eine gewisse Diskrepanz, sondern auch bei der Berichterstattung über Firmengründungen und Firmenpleiten. So sind Konkursmeldungen ein beliebtes Dauerthema der Berichterstattung. Alleine zwischen Januar 1998 und Mai 1999 stand die Entwicklung der Unternehmenszahl im Mittelpunkt von 28 Nachrichtenbeiträgen. In 24 Beiträgen ging es um Konkurse, in vier um Firmengründungen -ein Verhältnis von sechs zu eins. Mit der Realität hat diese Gewichtung aber wenig zu tun. Denn nach Angaben des Statistischen Bundesamtes kamen zwischen Januar und September 1998 auf einen Konkurs etwa vier Firmenneugründungen. Auch über das steigende Wirtschaftswachstum sowie die rückläufigen Inflationsraten wurde 1996 und 1997 selten berichtet. Erst 1999 kam der bereits 1997 einsetzende Wirtschaftsaufschwung auch in den Nachrichtenredaktionen an.

Dass die Wirtschaftsberichterstattung der realen Wirtschaftslage oft nicht gerecht wird, wäre weniger schlimm, wenn die "Medienrealität" nicht tatsächlich die Vorstellungen der Bürger von der Wirklichkeit stark prägen würde. Doch wie der Vergleich zwischen der Medienberichterstattung und den aus Umfragedaten ersichtlichen Einschätzungen der Wirtschaftslage durch die Bevölkerung zeigt, besteht zwischen beidem ein unübersehbarer Zusammenhang.

So zeigen die Daten, dass sich die Medienberichterstattung unmittelbar sowie mit einer zeitlichen Verzögerung von maximal einem Monat in der Wahrnehmung der Wirtschaftslage durch die Bevölkerung niederschlägt. Die negative Berichterstattung wirkt sich dabei selbst dann aus, wenn die Bevölkerung ihre eigene wirtschaftliche Situation mehrheitlich positiv einschätzt. Im Zweifelsfall orientieren sich die Menschen damit also eher an der Medienrealität als an der persšnlich erlebten, eigenen "Wirklichkeit".

Wollen die Fernsehsender der damit verbundenen Verantwortung gerecht werden, müssen sie ihre Wirtschaftsberichterstattung verbessern. Insbesondere erscheint es angebracht, ein umfassenderes und facettenreicheres Bild von der Wirklichkeit zu zeichnen.

Es ist aber auch das Bildungssystem gefordert, die Wirtschaftskompetenz der "Marktbürger" zu stärken. Denn wer Kenntnisse Über volkswirtschaftliche Zusammenhänge hat, wird sich gegenüber dem mediengezeichneten Bild eine kritische Distanz bewahren können und ihm nicht auf Gedeih und Verderb ausgeliefert sein.

Quelle und Kontaktadresse:
Bundesverband deutscher Banken e.V. (BdB) Burgstr. 28 10178 Berlin Telefon: 030/16630 Telefax: 030/16631399

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