Pressemitteilung | Institut Arbeit und Technik

IAT untersuchte Vergabegesetze in den USA und ihre Auswirkungen

(Gelsenkirchen) - Vergabegesetze, die öffentliche Ausschreibungen an örtliche Tariflöhne binden, haben weit weniger Einfluss auf den Kostenauftrieb der öffentlichen Hand als vermutet. Amerikanische Erfahrungen zeigen übereinstimmend, dass man durch Abschaffung von Vergabegesetzen zwar Löhne und Lohnnebenkosten senken kann. Die gewünschten Folgewirkungen – niedrigere Baukosten – treten aber nicht ein. Das zeigen Untersuchungen des Instituts Arbeit und Technik (IAT/Gelsenkirchen) über die Auswirkungen von Vergabegesetzen in den USA. "Lohnsenkungen wirken sich auch auf alle anderen Parameter des Bauprozesses aus. In den USA hat man in der Folge weniger in Ausbildung investiert und die Innovationstätigkeit hat nachgelassen. Das hinterlässt unweigerlich Spuren in der Produktivität und der Qualität," stellt der IAT-Arbeitsmarktexperte Prof. Dr. Gerhard Bosch, Vizepräsident des Instituts, fest.

Tariftreuegesetze, wie sie in den USA schon vor den 30er Jahren des vorigen Jahrhunderts galten, werden für die deutsche Bauwirtschaft seit ca. 1990 gefordert, da durch die Zunahme von Entsendungen billiger ausländischer Arbeitskräfte – legal wie illegal – die tariftreuen Unternehmen bei öffentlichen Ausschreibungen oft den Kürzeren zogen. Durch das geplante, im Bundesrat derzeit gescheiterte, Vergabegesetz sollen nunmehr die ortsüblichen Tariflöhne Basis der Kalkulationen bei öffentlichen Ausschreibungen werden.

Ein Blick über den Atlantik kann hilfreich sein, die Auswirkungen abzuschätzen: In den USA gelten auf Bundesebene und in rund 60 Prozent der Staaten sogenannte Prevailing Wage Laws. Sie besagen, dass die Angebote bei Ausschreibungen von öffentlichen Aufträgen mit den jeweiligen ortsüblichen Löhnen der Bauwirtschaft kalkuliert werden müssen. In den letzten Jahrzehnten sind die Vergabegesetze in einigen Staaten stark unter Beschuss geraten. Durch ihre Abschaffung wurden Preissenkungen von 20 bis 30 Prozent erwartet. Bei Preissenkungen in solchen Dimensionen könnte man z.B. fünf Schulen für den Preis von vieren bauen. Aus diesen Gründen wurden in den USA in einer Reihe von Staaten die Vergabegesetze abgeschafft und dann nach enttäuschenden Erfahrungen zum Teil wieder eingeführt, z.B. in Michigan.

Analysen dieser "realen Experimente" zeigen übereinstimmend, dass die Löhne und Lohnnebenkosten mit der Aufhebung der Vergabegesetze zurückgehen. In Kansas fielen z.B. nach der Aufhebung des Vergabegesetzes 1987 die Löhne um rund 10 Prozent und die Beiträge der Unternehmen für Alters- und Krankenversicherungen gingen um 17 Prozent zurück. Der gewünschte kurzfristige Effekt, Senkung der Löhne, trat also ein. Hinzu kamen aber andere unerwartete Sozialkosten; die Zahl der ernsthaften Unfälle stieg um 21 Prozent. In anderen Staaten, die Vergabegesetze aufhoben, waren die Folgen vergleichbar.

Die Lohnsenkungen sollten Mittel zu einem anderen Zweck, Senkung der Baukosten, sein. "Eine solche Verschlechterung der Sozialbedingungen lässt sich nur – wenn überhaupt – rechtfertigen, wenn ihnen bedeutende ökonomische Vorteile gegenüberstehen", so der Arbeitsmarktforscher Bosch.

Dass Lohnsenkungen nicht zu geringeren Baukosten führten, zeigt eine Studie der Universität Salt Lake City über drei Staaten, nämlich Kentucky, Ohio und Michigan, die in mehrfachem Wechsel Vergabegesetze eingeführt und abgeschafft haben. In diesen drei Staaten wurden zwischen 1991 und 2000 391 Schulen gebaut. Die Kosten wurden getrennt nach ländlichen und städtischen Gebieten erhoben, es waren ausschließlich kalkulierte "Startkosten" eines Bauwerkes, ohne alle weiteren Ausgaben (Zusatzkosten, spätere Instandhaltung). Die Ergebnisse des Kostenvergleichs sind überraschend: Trotz erheblicher Lohndifferenzen unterscheiden sich die Baukosten pro Quadratfuß bei Schulen, die mit und ohne Vergabegesetz gebaut wurden, nicht. In ländlichen Gebieten gibt es einen geringen Unterschied (98 $ bei 104 Schulen mit Vergabegesetz, 96 $ bei 161 Schulen ohne Vergabegesetz). In städtischen Gebieten sind die Durchschnittskosten sogar gleich. Zum gleichen Ergebnis kommen andere Studien etwa über Kansas, Maryland, British Columbia (Kanada) oder Utah. Für Utah wurden zusätzlich die Endkosten berechnet, die Zusatzkosten im Laufe des Bauprojekts (cost overruns) einschließen. Vor der Aufhebung des Vergabegesetzes machten diese Zusatzkosten beim Straßenbau 2 Prozent aus, danach beliefen sie sich auf 7,3 Prozent. Da die Preise der akzeptierten Angebote nur um 2 Prozent gesunken waren, ergab das einen Anstieg der Endkosten um 3,3 Prozent.

Die Aufhebung von Vergabegesetzen und die Flucht aus den Tarifverträgen hat in den USA zu einem besorgniserregenden Fachkräftemangel geführt. Ohne Vergabegesetze sparen Unternehmen bei der Berufsausbildung, um Aufträge zu bekommen. Der nicht tariflich gebundene Teil der Bauwirtschaft beschäftigt zwar 70 Prozent der Arbeitskräfte, aber nur 20 Prozent der Lehrlinge. In Staaten mit einem Vergabegesetz liegt die Ausbildungsquote deshalb höher als in Staaten ohne Vergabegesetz, da die Facharbeiterausbildung durch eine tarifvertraglich vereinbarte Umlage finanziert wird. In Staaten, die ihr Vergabegesetz aufgehoben haben, hat sich die Ausbildungsquote mehr als halbiert.

Auch die Auswirkungen eines Vergabegesetzes auf die Innovationstätigkeit sind deutlich erkennbar. Die Produktivität der Beschäftigten ist in Unternehmen, die einem Tarifvertrag unterliegen, deutlich höher, die Kapitalausstattung besser. In der hochzyklischen Baubranche mit vielen Klein- und Mittelunternehmen ist es für einzelne Unternehmen sehr schwierig, Investitionen in langfristige Innovationen zu tätigen, wenn Konkurrenten Aufträge unter Verzicht solcher Investitionen bekommen können. Vergabegesetze sind daher eine Voraussetzung dafür, das Qualitätsorientierung nicht am Markt bestraft wird.
Die Kritiker des Vergabegesetzes sehen darin ein Kartell der Bauunternehmer und Gewerkschaften auf Kosten der Allgemeinheit. Der Preiswettbewerb werde eingeschränkt und der Steuerzahler müsse in Form höherer Baukosten die Zeche bezahlen. Offenbar glaubt man, das man die gleiche Bauqualität auf Dauer auch zu niedrigeren Preisen erhalten könne. Die Befürworter eines Vergabegesetzes argumentieren, dass die Unternehmen nicht mehr über die niedrigsten Löhne, sondern den effektiveren Einsatz ihrer Arbeitskräfte, Termintreue, Qualität sowie neue Produkte und Dienstleistungen miteinander konkurrieren.

Langfristig ist die deutsche Bauwirtschaft nur durch eine solche Innovationsorientierung überlebensfähig. Dazu gehört auch ein qualifizierter Fachkräftestamm, der man zum Teil nur durch die umlagefinanzierte Berufsausbildung ausbilden und durch die verschiedenen Leistungen der Sozialkassen auch in Krisenzeiten an die Branche binden kann.

Quelle und Kontaktadresse:
Institut Arbeit und Technik Munscheidstraße 14 45886 Gelsenkirchen Telefon: 0209/17070 Telefax: 0209/1707110

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