Pressemitteilung | Institut Arbeit und Technik

IAT-Studie: Neben Schule und Studium wird immer mehr gejobbt

(Gelsenkirchen) - Immer mehr Schüler und Studenten gehen neben ihrer Ausbildung einem mehr oder weniger einträglichen Job nach. Zwischen 1995 und 1999 wuchs die Zahl der erwerbstätigen Schüler und Studierenden um 89 Prozent auf knapp 700.000. Als Gruppe auf dem Arbeitsmarkt sind sie mit einem Anteil von 2 Prozent an allen Erwerbstätigen noch vergleichsweise klein, gewinnen aber zunehmend an Bedeutung. Die Arbeitgeber schätzen Schüler und Studenten als Aushilfskräfte, sie bringen nützliche Kenntnisse mit und sind auch zu unbequemen Zeiten am Abend oder an Wochenenden einsatzbereit. Auch die erwerbstätigen Jugendlichen aus Schule und Uni profitieren von der Verbindung von Lernen und Berufspraxis - wenn sie nicht aus Zeitnot in ein "Bildungsdilemma" geraten.

Das Institut Arbeit und Technik (IAT/Gelsenkirchen) hat die Schüler- und Studentenarbeit in Deutschland in einer Sonderauswertung des Mikrozensus untersucht. "Der Anteil der Schüler und Studierenden, die neben dem Besuch einer Bildungsinstitution einer Erwerbstätigkeit nachgehen, hat stark zugenommen", stellt die IAT-Arbeitsmarktforscherin Dorothea Voss-Dahm fest. Die absolute Zahl der erwerbstätigen Schüler und Schülerinnen stieg im Verlauf von nur fünf Jahren von 55.000 auf 131.000 und damit fast um 138 Prozent. Innerhalb der Gruppe der Studierenden sorgen die erwerbstätigen Hochschüler für eine hohe Veränderungsdynamik: Während im Jahr 1995 erst 16,5 Prozent der Studenten erwerbstätig waren, waren es bereits 31 Prozent im Wintersemester 1999/2000. Die Zahl der erwerbstätigen Studierenden stieg damit um 306 000 oder 80 Prozent auf 551 000. Studierende gehen also immer selbstverständlicher einer Erwerbstätigkeit nach.

Bemerkenswert ist, dass es in manchen Sektoren nicht unerhebliche Anteile von Vollzeitbeschäftigten gibt, die zugleich als Studierende eingeschrieben sind. Dabei ist das Bild in einzelnen Wirtschaftszweigen sehr unterschiedlich: Vergleichsweise hohe Vollzeitanteile finden wir in den Wirtschaftsbereichen "Erziehung und Unterricht", "Gesundheits- und Sozialwesen", und "Unternehmensnahe Dienstleistungen". Das spiegelt sich natürlich auch im Einkommen wider: Während 1999 das Einkommen von 76 Prozent der erwerbstätigen Schülerinnen und Schüler allgemeinbildender Schulen unter 600 DM lag, befanden sich nur 16 Prozent der erwerbstätigen Studierenden in dieser Einkommenskategorie. Dagegen hatten am anderen Ende des Spektrums mehr als 16 Prozent der erwerbstätigen Studierenden ein Einkommen von 2.200 DM und mehr.

Die Branchen, in denen die Schüler beschäftigt sind, konzentrieren sich auf den Dienstleistungssektor. Gerade Branchen, in denen sogenannte einfache Dienstleistungstätigkeiten ausgeführt werden und die Beschäftigten sehr flexibel sein müssen, haben die Schüler als Zielgruppe entdeckt. Dies gilt z.B. für das Auffüllen von Regalen im Selbstbedienungs-Einzelhandel, für das Austragen von Druckerzeugnissen im Druck- und Verlagsgewerbe, für Kellnertätigkeiten sowie für einfache Putztätigkeiten in der Gebäudereinigung.

Ein nicht unbeträchtlicher Teil der Erwerbstätigkeit von Studenten erfolgt im universitären und sonstigen Wissenschaftsbereich selbst. Aber auch die hohen Anteile des Gesundheits- und Sozialwesens und der unternehmensnahen Dienstleistungen deuten darauf hin, dass viele Studierende neben dem Besuch der Hochschule bereits fachbezogen arbeiten und praktische Erfahrungen in ihrem zukünftigen Berufsfeld sammeln.

Doch auch in Wirtschaftszweigen wie dem Einzelhandel, in dem die Akademikerdichte nicht sehr hoch ist, hat die Beschäftigung von Studierenden stark zugenommen. Während im Jahre 1995 nur 21.000 Studierende in diesem Sektor beschäftigt waren, davon 62 Prozent als geringfügig Beschäftigte, verdoppelte sich die Zahl auf 44.000 studierende Erwerbstätige im Einzelhandel bis zum Jahr 1999.

In anderen Forschungszusammenhängen konnte das IAT analysieren, weshalb Studierende für den Einzelhandel eine attraktive Zielgruppe auf dem Arbeitsmarkt darstellen: Personalmanager schätzen die schnelle Auffassungsgabe der Studierenden. Betriebliche Abläufe seien ihnen schnell vertraut, und auch die Handhabung der elektronischen Kassensysteme stelle kein Problem für sie dar. Zudem seien sie in der Regel gerade zu solchen Zeiten einsetzbar, zu denen eine weitere Zielgruppe im Verkaufsbereich des Handels, nämlich teilzeitbeschäftigte (Haus-) Frauen, kaum verfügbar ist: Am Abend und am Wochenende. "Aus arbeitsmarktpolitischer Sicht zeigt sich hier, dass die Ausdifferenzierung von Beschäftigungsformen und die Berücksichtigung heterogener Erwerbs- und Arbeitszeitpräferenzen zu einer Erhöhung der Beschäftigungsquote führt", so die Arbeitsmarktforscherin Voss-Dahm.

Doch eine Erhöhung der Beschäftigungsquote um jeden Preis kann gesellschaftspolitisch kein erstrebenswertes Ziel sein. Es stellen sich kritische Fragen: Ist ein Nebeneinander von theoretischen und praktischen Lernerfahrungen wirklich sinnvoll und sollten daher praktische Erfahrungen in der Erwerbsarbeit theoretisch begleitet und in den Studienplan aufgenommen werden? Oder geraten Schüler und Studierende in ein "Bildungsdilemma", weil die zeitlichen Ressourcen nicht ausreichen?

Nicht von der Hand zu weisen ist, dass die steigende Erwerbsorientierung von Schülern und Studierenden Chancen einer neuen Verknüpfung von Lernen und Arbeiten, von Theorie und Praxis eröffnet. Mit durchlässigeren und flexibleren Gestaltungsmöglichkeiten des Lernens und offenen Lernkulturen könnten die neuen unterschiedlichen individuellen Zeitpläne des Lernens und Arbeitens besser in die Tat umgesetzt werden. Die Bildungspolitik der Zukunft sollte versuchen, diese Potenziale der Verknüpfung von Theorie und Praxis zu nutzen und zu fördern.
Die ausführlichen Untersuchungsergebnisse finden sich im aktuellen IAT-Report 2002-06 von Dorothea Voss-Dahm "Erwerbstätigkeit von SchülerInnen und Studierenden nimmt zu" unter http://iat-info.iatge.de

Quelle und Kontaktadresse:
Institut Arbeit und Technik Munscheidstraße 14 45886 Gelsenkirchen Telefon: 0209/17070 Telefax: 0209/1707110

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