Pressemitteilung | Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie e.V. (BVE)

BSE gefährdet Aufschwung in der Ernährungsindustrie

(Bonn) - Mit einem Zuwachs des Bruttoinlandsprodukts von 3,1% wurde im vergangenen Jahr in Deutschland das höchste Wirtschaftswachstum seit der Wiedervereinigung erreicht. Nach zwei Jahren negativer Umsatzentwicklung holte auch die Ernährungsindustrie im Jahr 2000 mit einem Umsatzplus von 3,2% auf 235,5 Mrd. DM endlich wieder auf. Maßgeblich für den Aufschwung waren vor allem die Nachfrageimpulse aus dem Ausland. Mit einer Abschwächung des Wachstums im laufenden Jahr muss aber gerechnet werden.

Inlandsumsatz entwickelt sich positiv
Auch der Inlandsumsatz der Branche entwickelte sich mit einem Plus von 1,7% erstmals seit Jahren spürbar nach oben. Positiv ausgewirkt haben sich die gestiegenen Nettoeinkommen und die daraus resultierende höhere Konsumneigung der Verbraucher.

Die steuerliche Entlastung der Einkommen seit Januar 2001 wird für die Ernährungsindustrie kaum weitere Nachfrageimpulse bringen. Die mengenmäßige Nachfrage nach Lebensmitteln stagniert und die Unternehmen rechnen nicht damit, dass die Verbraucher - entgegen der langfristigen Tendenz - ihre Ausgaben für Lebensmittel von im Durchschnitt 16,4% erhöhen werden.

Das Erzeugerpreisniveau konnte sich nach den extremen Preisrückgängen der beiden Vorjahre wieder etwas erholen. Dennoch lastet auf den Erträgen der Unternehmen weiter der Druck des hochkonzentrierten Lebensmitteleinzelhandels. Die Unternehmen hoffen aber, dass die gegenwärtige Diskussion um Sicherheit und Qualität der Lebensmittel auch zu einer verstärkten Bereitschaft beim Verbraucher führt, ein angemessenes Preisniveau für Lebensmittel zu akzeptieren. An den Handel appellieren wir, sich an der Herstellung vernünftiger Preis-Leistungsrelationen zu beteiligen und auf eindimensionale Niedrigpreisstrategien zu verzichten.

Die Verbraucher werden durch sinkende Lebensmittelpreise seit Jahren finanziell entlastet. Auch im Jahr 2000 verbilligten sich Lebensmittel und alkoholfreie Getränke wieder um 0,4%. Diese Verringerung des Preisniveaus bringt den Verbrauchern eine Ersparnis von rund einer Milliarde DM. Angesichts insgesamt steigender Lebenshaltungskosten ist dies ein von der Lebensmittelwirtschaft "finanziertes" Konjunkturprogramm, von dem der Finanzminister nur träumen kann.

Kostenschraube dreht sich weiter
Die Betriebskosten in den Unternehmen klettern weiter. Neben steigenden Lohn- und Gehaltskosten wirkten sich vor allem die Ökosteuer und die Benzinpreiserhöhung nachteilig aus, da die Ernährungsindustrie auf den Straßentransport ihrer Güter wie kaum ein anderer Industriezweig angewiesen ist. Jede Ökosteuerstufe erhöht die Logistikkosten um 1,2%. Die Unternehmen haben daher kein Verständnis für Forderungen nach einer weiteren Erhöhung der Ökosteuer.

Auch die Unternehmensteuerreform bringt gerade der vom Mittelstand geprägten Branche nicht die benötigte Entlastung. Im Gegenteil, die Verlängerung der Nutzungsdauern in den AfA-Tabellen um durchschnittlich mehr als 20% erschwert dringend notwendige Investitionen und Innovationen. Die internationale Wettbewerbsfähigkeit verschlechtert sich damit.

BSE-Krise gefährdet Arbeitsplätze
Die Zahl der Betriebe ist mit 6.136 und 555.000 Beschäftigten im Jahr 2000 annähernd gleich geblieben. Große Risiken für den Fortbestand von Betrieben und für das Beschäftigungsniveau bestehen in der fleischverarbeitenden Industrie. Die Furcht vor BSE hat allein im Dezember 2000 zu einem mengenmäßigen Rückgang der Nachfrage nach Wurst um 10%, nach Fleisch um knapp 24% und nach Rindfleisch um 67% geführt. Zahlreiche Betriebe mussten Kurzarbeit anmelden, zur Zeit für rund 12.000 Beschäftigte. Bis zu 40.000 der insgesamt 112.000 Arbeitsplätze im Bereich Schlachtung und Fleischverarbeitung sind nach Angaben der Gewerkschaft NGG gefährdet. Erste Betriebe mussten bereits aufgeben; weitere Betriebsstillegungen drohen.

Die Auswirkungen der BSE-Krise auf die Umsätze der Ernährungsindustrie sind noch nicht vollständig abzusehen. Umsatzverlusten in den Bereichen Fleisch, Wurst und bei Gewürzen für die Fleischverarbeitung stehen Umsatzzuwächse bei Fisch, Geflügel, Obst-, Gemüse- und Milchprodukten gegenüber. Die Unternehmen versuchen, sofern sie die Möglichkeit dazu haben, Rezepturen umzustellen und Produkte ohne Fleischanteile anzubieten.

Rekordergebnis im Export
Die Ernährungsindustrie ist mit einem Auslandsanteil ihres Umsatzes von 18,2% zunehmend abhängig vom Exportgeschäft. Die Unternehmen erkennen immer mehr die Chancen für ihre hochwertigen Qualitätsprodukte im Ausland und nutzen diese konsequent. Im vergangenen Jahr entwickelte sich die Auslandsnachfrage mit einem Zuwachs von 10,7% günstiger als erwartet. Die Exporte durchbrachen im Jahr 2000 nach BVE-Schätzung zum ersten Mal die 40-Mrd.-Marke auf einen Gesamtwert von 42,8 Mrd. DM.

Insbesondere im ersten Halbjahr verzeichneten die Unternehmen dynamisches Wachstum; im Jahresverlauf schwächte es sich allerdings wieder ab. Bestimmend für die Entwicklung war die weltweit günstige Konjunktur - und die Euro-Schwäche. Die Unternehmen nutzen die Situation auch für Preisanhebungen, für die aufgrund der Vorjahresentwicklung Nachholbedarf besteht.

Gut drei Viertel der Gesamtexporte fließen in die Partnerländer der EU. Die Verbrauchertrends in Europa gleichen sich immer deutlicher einander an. Eine Intensivierung des Handels innerhalb der EU ist auch durch die Einführung des Euro und den immer stärker europaweit tätigen Lebensmitteleinzelhandel zu verzeichnen.

Eine weitere wichtige Exportregion ist Mittel- und Osteuropa. Die zehn Beitrittskandidatenländer nehmen rund ein Viertel der außerhalb der EU exportierten deutschen Lebensmittel ab. Die Unternehmen melden wieder ein wachsendes Auslandsgeschäft in diesen Märkten. In Russland ist die Umsatzentwicklung jedoch weiter negativ. Auch behindern noch immer zahlreiche Handelshemmnisse den Warenexport nach Mittel- und Osteuropa. Die Ernährungsindustrie drängt darauf, dass hohe Einfuhrzölle, ungerechtfertigte Zoll- und Hygienekontrollen sowie zusätzliche Einfuhrpapiere und spezielle Lizenzierungspflichten im Rahmen der Vorbereitungen auf den EU-Beitritt schnell abgeschafft werden.

Positiv hat sich im Jahr 2000 auch der Export nach USA und Asien entwickelt. Die transatlantischen Wirtschaftsbeziehungen werden jedoch noch immer durch verschiedene WTO-Streitigkeiten überschattet. Es ist zu befürchten, dass die USA in diesem Jahr ihre Drohung wahrmachen, in einem Karussellverfahren immer neue Lebensmittel aus der EU mit Strafzöllen zu belegen. Der größte Teil des Exports in die Vereinigten Staaten in Höhe von 1,3 Mrd. wäre bedroht. Der Export nach Südostasien schließlich zeigt zwar positive Wachstumsraten, allerdings von sehr niedrigem Niveau aus. Für die deutsche Ernährungsindustrie ist der Markt nur schwer zu erschließen.

Abbau von Handelshemmnissen erforderlich
Auch im Auslandsgeschäft machen sich die Auswirkungen der BSE-Krise negativ bemerkbar. Eine Reihe von Ländern hat ihre Märkte für Einfuhren von Rindfleisch und Rindfleischprodukten aus Deutschland geschlossen. Teilweise ist dies ein Vorwand zum Aufbau protektionistischer Handelsbarrieren. Die Ernährungsindustrie appelliert daher an die Politik, in diesen Ländern für sachliche Aufklärung über die tatsächlichen Risiken zu sorgen und weiteren Schaden von der Branche abzuwenden.

Bei den WTO- und den EU-Erweiterungsverhandlungen muss die Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit der Branche angemessen berücksichtigt werden. Die Ernährungsindustrie wird ihre Chancen auf dem europäischen Markt und auf dem Weltmarkt wahrnehmen; sie wird sich intensiv für die Wiederherstellung und Erhaltung des guten Rufs ihrer Produkte einsetzen, und schaut zuversichtlich auf ein erfolgreiches Jahr 2001.

Quelle und Kontaktadresse:
Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie e.V. (BVE) Dr. Sabine Eichner Lisboa Godesberger Allee 142-148 53175 Bonn Telefon: 0228/3082952 Telefax: 0228/3082999

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