Pressemitteilung | (AWO) Arbeiterwohlfahrt Bundesverband e.V.

Mehr Beschäftigung für Benachteiligte schaffen / Thesen zur Weiterentwicklung von öffentlich geförderter Beschäftigung

(Bonn) - Die derzeit leichte Aufwärtsentwicklung am Arbeitsmarkt wirkt sich nicht auf alle arbeitsuchenden Menschen aus. Personen mit mehreren so genannten Vermittlungshemmnissen, seien es z.B. die Dauer der Arbeitslosigkeit, das Alter oder gesundheitliche Einschränkungen, haben auf absehbare Zeit kaum eine Chance auf einen Arbeitsplatz im allgemeinen Arbeitsmarkt. Bei dieser Zielgruppe gelangen die Aktivierungsstrategie des "Forderns und Förderns" und eine ausschließlich auf Eingliederung in den regulären Arbeitsmarkt ausgerichtete Strategie schnell an ihre Grenzen. Das Ergebnis ist Perspektivlosigkeit bei den Betroffenen bei gleichzeitig hohen gesamtgesellschaftlichen Kosten der Arbeitslosigkeit.

Daher ist unserer Auffassung nach eine auf qualitatives Wirtschaftswachstum ausgerichtete Beschäftigungspolitik erforderlich, die weit über Arbeitsmarktpolitik hinausgeht. Ein Bestandteil dieser offensiven Beschäftigungspolitik sollten öffentlich geförderte Beschäftigungsangebote für Menschen mit geringen Chancen am Arbeitsmarkt sein. Wir halten öffentlich geförderte Beschäftigung nicht für entbehrlich, sondern im Gegenteil für notwendiger denn je.

Öffentlich geförderte Beschäftigung hat die Aufgabe, für Menschen mit geringen Chancen am Arbeitsmarkt einen Übergang von der Arbeitslosigkeit in ungeförderte Beschäftigung („erster" oder "allgemeiner" Arbeitsmarkt“) zu ermöglichen. Durch Qualifizierungsmaßnahmen und Eingliederungszuschüsse verbessert aktive Arbeitsmarktpolitik die Beschäftigungschancen von Menschen mit besonderem Hilfebedarf. Öffentlich geförderte Beschäftigung muss außerdem weitaus stärker als heute zur Vergrößerung des Arbeitsangebotes genutzt werden und längerfristige sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze bereitstellen.

Öffentlich geförderte Beschäftigung in diesem Sinne sollte folgende Anforderungen erfüllen:

1. Insbesondere leistungsgeminderte Langzeitarbeitslose haben derzeit keine realistischen Chancen auf dem „ersten“ Arbeitsmarkt. Gleichzeitig werden gesellschaftlich sinnvolle Arbeiten im sozialen und ökologischen Bereich nicht erledigt. Wir sprechen uns dafür aus, diese gemeinwohlorientierte Aufgaben als Felder der öffentlich geförderten Beschäftigung zu definieren. Gemeinwohlorientierte sozialversicherungspflichtige Beschäftigung soll über einen Zeitraum von mehreren Jahren hinweg gefördert werden. Diese Forderung greift unmittelbar einen Vorschlag des Ombudsrates der Bundesregierung zur Grundsicherung für Arbeitsuchende (Hartz IV) auf.

2. Ein Ausbau öffentlich geförderter Beschäftigung ermöglicht benachteiligten Personengruppen eine Deckung ihres Lebensunterhaltes durch Erwerbseinkommen. Dies ist nicht nur ein Beitrag zur Armutsvermeidung, sondern auch zur aktiven, sozialen Teilhabe an der Gesellschaft. Die Heranziehung von Arbeitslosen zu sozialrechtlichen Tätigkeiten als „Gegenleistung“ für die Sozialleistung (sog. Workfare) kann dies nicht leisten. Die betreffenden Menschen bleiben in vollem Umfang auf die Sozialleistung angewiesen und sind im Vergleich zu anderen Arbeitnehmer/innen diskriminiert.

3. Öffentlich geförderte Beschäftigung in sozialversicherungspflichtiger Form ist höchstens mit geringen volkswirtschaftlichen Mehrkosten im Vergleich zu passiven Sozialleistungen verbunden. Dies stellt auch der Bundesrechnungshof in seinem Prüfbericht zur Umsetzung der Grundsicherung für Arbeitsuchende (Mai 2006) fest. Durch sozialversicherungspflichtige Beschäftigung werden Steuer- und Beitragseinnahmen erzeugt. Die bisherige Schwerpunktsetzung in der Praxis auf Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung (sog. 1-Euro-Jobs) beruht auf falschen fiskalischen Anreizen durch verschiedene Etats bei den Arbeitsgemeinschaften und Optionskommunen sowie auf unzureichend auf den Einzelfall ausgerichtete Maßnahmen.

4. Öffentlich geförderte Beschäftigung bringt zusätzliche Wertschöpfung im sozialen und ökologischen Infrastrukturbereich. Die derzeitigen passiven Ausgaben für Arbeitslosengeld II (ALG II) sollten teilweise in die Förderung von Beschäftigung umgeleitet werden. Dazu ist es notwendig, die bisher zugunsten von sozialrechtlichen Arbeitsgelegenheiten wirkenden finanziellen Anreize zugunsten von sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung umzustellen. Wir schlagen vor, Ausgaben aus dem Eingliederungsbudget, die für sozialversicherungspflichtige Beschäftigung getätigt werden, teilweise deckungsfähig zum (passiven) ALG II-Budget zu stellen. Denkbar wäre eine Begrenzung, indem etwa SGB II-Träger zusätzliche zehn Prozent aus dem Eingliederungsbudget erhalten, wenn sie damit sozialversicherungspflichtige Beschäftigung finanzieren. Das passive Budget würde im Gegenzug im gleichen Umfang verringert. Haushalterisch entspricht dieses Vorgehen einer begrenzten einseitigen Deckungsfähigkeit beider Haushaltstitel (einseitige Passiv- Aktiv-Deckungsfähigkeit).

5. Die derzeitige Arbeitsförderung für langzeitarbeitslose Menschen weist eine deutliche Schieflage zugunsten der Arbeitsgelegenheiten in der Mehraufwandsvariante auf. Parallel zu unserer Forderung nach einem Ausbau der sozialversicherungspflichtigen öffentlichen Beschäftigung fordern wir, dieses Instrument weitaus einzelfallbezogener einzusetzen, als es derzeit der Fall ist. Der im SGB II gesetzlich angelegten Nachrangigkeit dieses Instruments ist Rechnung zu tragen.

6. Neben der Beschäftigung im gemeinwohlorientierten Bereich in lokalen, sozialraumorientierten Maßnahmen sollten die Rahmenbedingungen für zusätzliche Arbeitsplätze für leistungsgeminderte Menschen in Integrationsfirmen und bei sozialen Beschäftigungsträgern geschaffen werden.

Quelle und Kontaktadresse:
AWO Arbeiterwohlfahrt Bundesverband e.V. Pressestelle Oppelner Str. 130, 53119 Bonn Telefon: (0228) 66850, Telefax: (0228) 6685209

(sk)

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